Fracking in Deutschland: Zwischen Drohung und Verlockung

Veröffentlicht von

Schade, dass die Weltpolitik nicht eine ist, die versucht, unser existentielles humanes Interesse an unserem Planeten zu einen und durchzusetzen. Stattdessen geht es nach wie vor um Macht und Vormacht: Regierungen sehen sich offensichtlich mehr als Gegenspieler denn als Teamkollegen. Da wird mit dem Zudrehen des Gashahns ebenso gedroht wie mit dem Aufdrehen gelockt wird. Auf der Strecke bleibt – so oder so – der eigentliche Schiefer- und Erdgaslieferant: Mutter Erde. Das klingt zu pathetisch? Zugegeben: Ja. Doch ich dokumentiere das Ganze jetzt mal in real existierender Politik. Einer Politik, die von mir nicht unbeachtet geschieht und dennoch total an mir vorbeigeht. Zu den Fakten:

Gas für Deutschland: Furchtlose Politik geht anders!

„Es wird eine neue Betrachtung der gesamten Energiepolitik geben.“ Das sagte unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel laut dem Tagesspiegel nach einem Gespräch mit dem kanadischen Premierminister Stephen Harper vor wenigen Tagen.

Läutet die Glocken!

Es braucht also einen Konflikt wie den zwischen Russland und der Ukraine, der manche hierzulande fürchten lässt, es könnte Probleme mit den Gaslieferungen aus Russland geben, und schon wird die gesamte deutsche Energiepolitik neu betrachtet. (Besser spät als nie!, möchte ich rufen.) Doch sind die Alternativen, die zu russischem Gas jetzt angedacht werden, ökologisch? Keineswegs!

Stoppt also bitte das Glockengeläut!

Wer nämlich wie ich in der (naturgemäß durchaus berechtigten) Hoffnung schwelgte, diese Neubetrachtung könnte endlich zu einer deutschen und im Zuge dessen auch europäischen Energie-Politik mit strategischer Ausrichtung gen Ecoquenz gehen, wurde enttäuscht und wird weiter enttäuscht werden. Ihm dürfte die Reform des EEG, gestern las ich in Facebook übrigens den meiner Ansicht nach treffenderen Ausdruck „Deform des EEG“, ein Schlag ins Gesicht und leider auch ein Griff ins Portemonnaie sein. (Die Industrie wird an dieser Stelle sicher noch die Glocken läuten hören: Hat sie sich ihre satten Rabatte bei der EEG-Umlage doch erhalten können.)

Schade!, schreib’ ich deshalb, birgt die Situation an sich doch die Chance, es besser zu machen. Ich meine, wenn man schon um Gaslieferungen fürchtet, dann könnte man sich doch ganz unabhängig davon machen, oder? Hey, Ihr Angsthasen: Habt Ihr schon mal was von Erneuerbaren Energien gehört? Das sind die real existerenden Alternativen zu Gas, Öl, Kohle und Atom!

Doch die Lektion habe ich jetzt gelernt: Nicht das erforschte und belegte Wissen, beispielsweise in Form des IPCC-Reports, nicht der gesunde Menschenverstand, nicht des Volkes oder mein Wille bringt Politiker zum Denken, sondern deren Furcht (oder die ihrer industrieschweren Hintermänner – und die gibt es offensichtlich!) vor ausbleibenden Gaslieferungen  – die, und das hat selbst unser Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Energie Sigmar Gabriel laut und deutlich im TV zugeben müssen, bisher selbst in „kältesten Kriegszeiten“ stets vertragsgemäß geliefert wurden.

Fracking zerstört die Umwelt! Macht nix: Lasst uns Deutschland zerfracken!

Jetzt ist das vermaledeite Thema „Fracking“ plötzlich wieder in vieler Munde. Ausgerechnet einer wie US-Präsident Barack Obama schürt das Fracking-Feuer. Oder ist es eigentlich eine andere Flamme, die er zum Lodern bringen will? Mal schauen, was da des Anfeuerns bedürfte … Ich hab’s: Die Verhandlungen zum TTIP-Abkommen! Kein Schelm, der wie ich Böses dabei denkt …

5 Fakten zum Fracking, die jeder weiß – oder auch nicht

Fakt ist: Bliebe das Gas aus Russland aus, fehlten uns 35 Prozent unserer Gaseinfuhren (den Russen fehlten dann übrigens die entsprechenden Einnahmen!). Denjenigen, die jetzt wieder von „Fracking in Deutschland“ reden und / oder auf – dank des TTIPs angeblich sogar noch vereinfachten -Lieferungen gefrackten Gases aus den USA spekulieren, sei zum zigsten Mal hier geschrieben:

  1. Fracking zerstört die Umwelt nachhaltig. Es gefährdet unser aller Gesundheit. (Faktencheck hier auf dem Blog!)
  2. Gefracktes Gas aus Deutschland kann den Anteil, den wir aus Russland importieren, nicht ersetzen. Der Energie-Experte und Physiker Dr. Werner Zittel, der für die Beratungsfirma Ludwig-Bölkow-Systemtechnik im oberbayrischen Ottobrunn tätig und zudem Vorstandsmitglied des Vereins ASPO Deutschland, der „Association for the Study of Peak Oil and Gas“ ist, sagt gegenüber den Ruhr Nachrichten dazu: „Nach meiner Analyse liegt die jährlich förderbare Menge aus unkonventionellen Lagerstätten bei rund einer Milliarde Kubikmeter. Das entspricht etwa einem Prozent unseres Jahresverbrauchs.“
  3. Gefracktes Gas ist um ein Vielfaches teurer als herkömmliches Gas. (Faktencheck hier auf dem Blog!)
  4. Die USA kommen als Lieferant von gefracktem Gas kaum in Frage: Immerhin hatte „die Sprecherin des US-State-Departments, Jen Psaki“ gerade erklärt, „auf absehbare Zeit seien die USA nicht in der Lage, Europa mit Gas zu versorgen (Contra Magazin 04/2014)“. Ein Fakt, den der US-amerikanische Präsident angesichts stockender TTIP-Verhandlungen und lauten Widerstands seitens mündiger Bürger plötzlich unter den Tisch fallen lässt. (Faktencheck hier auf dem Blog!)
  5. Und wer nun einwirft, dass es doch Fracking inzwischen auch ohne giftige Chemie gäbe – dem antwortet an dieser Stelle noch einmal der oben bereits zitierte Experte Dr. Zittel: „Diese Angaben sind nicht unabhängig geprüft“, kritisierte der Wissenschaftler in den Ruhr Nachrichten. Außerdem beschränkte sich die Auswirkungen von Fracking nicht darauf, dass Chemikalien in den Untergrund verpresst würden: Wo intensiv gefrackt werde, entstehe ihm zufolge eine Industrielandschaft mit hohem Verkehrsaufkommen.

Ich komme zu dem traurigen Schluss, dass, gehe ich doch davon aus, dass unsere Politiker Gehirn zum Denken besitzen, einige von ihnen entweder nicht damit denken können oder dies bewusst nicht wollen. Auch fürchte ich ich, dass sie den Verlockungen und Drohungen der Mächte, sei es nun aus dem Westen oder Osten, nicht zu widerstehen vermögen. Und noch viel größer ist meine Sorge, dass sie von der Industrie – man verzeihe mir an dieser Stelle das platte Wortspiel – „(öl)geschmiert“ werden.

Ich hätte es anders gemacht.

Ganz anders.

Foto: codswollop / photocase.de