Unser Dach am Nachmittag. Foto: Alice Scheerer

Wie entsteht eigentlich ein Solarkataster?

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… und warum ist unser Dach ungeeignet für Solarthermie?

Falls Sie den Blog aufmerksam lesen, fällt Ihnen vielleicht auf, dass hier ein neuer Name steht. Richtig gesehen. Ich bin “die Neue” und darf in Zukunft hier für Sie recherchieren und schreiben. Bevor ich nun langatmig meinen Lebenslauf rezitiere, starte ich lieber gleich mit einem Thema das mich schon lange ärgert … unser Haus wurde im lokalen Solarkataster nicht markiert und ich möchte zu gerne wissen, was dahintersteckt!

Selbst erzeugte und verbrauchte Energie generiert positive Emotionen, schreibt Roger Corradini in seiner Dissertation. Im Umkehrschluss müsste der Ausschluss von der Eigenenergieerzeugung negative Emotionen erzeugen. Das tut er auch: Als unser Haus im örtlichen Solarkataster nicht markiert wurde, haben ich mich erst mal geärgert. Ging alles mit rechten Dingen zu? Hat der Anbieter geschludert oder wurden die Ergebnisse manipuliert? Vor einer Beschwerde sollte man sich erst einmal eingehend informieren. Deshalb habe ich mir das Procedere zur Erstellung eines Solarkatasters (auch als Solarpotentialkataster bezeichnet) genauer angeschaut.

Unser Fachwerkhaus wurde laut Maklerprospekt im Jahr 1700 erbaut. Mir kam das Datum von Anfang an zu glatt vor. Mittlerweile gehen wir davon aus, dass es entweder in zwei Phasen erbaut wurde, oder aus zwei nachträglich kombinierten Häusern besteht. Von 1,90 bis 2,40 ist jede Deckenhöhe vertreten. Rechte Winkel sind hingegen nur wenige zu finden. Dieses Konzept setzt sich im Dachgebälk fort.

Unser Haus von oben: Viele Dachschrägen in unterschiedlichen Winkeln (Bild: Alice Scheerer)
Unser Haus von oben: Viele Dachschrägen in unterschiedlichen Winkeln (Bild: Alice Scheerer)

In ein Sonnenhaus lässt sich unser Altbau sicherlich nicht verwandeln. Tatsächlich haben wir aber eine kleine Dachseite, die nach Südwesten zeigt. Auf ihr dürften wir, mit ausdrücklicher Genehmigung des lokalen Denkmalschutzbeauftragten, eine Solarthermie-Anlage installieren. Eine leistungsstarke Heizungsunterstützung erwarte ich davon nicht. Aber warm duschen, obwohl die Heizung kaputt ist und der Handwerker keine Termine frei hat … das hat doch was. „Mal sehen, ob die Stelle gut oder nur mäßig geeignet ist“, denke ich und suche unsere Adresse im örtlichen Solarpotentialkataster.

Denkmalschutz und Solarkataster?

Doch unser gesamtes Dach ist im Solarflächenkataster nicht rot, nicht orange, nicht gelb, sondern gar nicht markiert. „Bestimmt, weil es denkmalgeschützt ist, und die Ingenieure davon ausgehen, dass man darauf keine Solaranlagen installieren darf“, vermute ich. Oder hat uns ein missgünstigster Mensch nachträglich herausstreichen lassen? Ein genauerer Blick auf die zugrunde liegende Datenbasis lässt meine Vermutungen sehr unrealistisch erscheinen. Denn bei der Datenerfassung für das Solarkataster wurden gar keine Daten des Landesdenkmalamts berücksichtigt. Zudem ist die Bewertung von Gebäuden und Grundstücken keine mühevolle Kleinarbeit, bei der von Fall zu Fall entschieden wird, sondern ein weitestgehend automatisierter Prozess.

Wie werden die Daten ermittelt?

Solarkataster gibt es inzwischen in vielen deutschen Gemeinden und Landkreisen. Nachdem die Pioniere im Jahr 2009 allerorten mit Innovationspreisen bedacht wurden, ist die Anzahl der Dienstleister rund um das Thema Solarpotentialanalyse angewachsen. Es gibt Anbieter, die Orthophotos verkaufen, andere verwandeln die Rohdaten in nutzerfreundliche Informationssysteme und manche bieten auch Rundumpakete für Städte und Gemeinden an. Das primäre Ausgangsmaterial sind Geodaten. Sie werden auf unterschiedliche Weise erhoben.

  • Laserscandaten: Das Zielgebiet wird überflogen und dabei mit einem Laserscanner abgetastet. Seine Funktionsweise ist vergleichbar mit einem Echolot. Die Entfernung wird anhand des Zeitraums zwischen Aussenden und Empfang des reflektierten Laserstrahls ermittelt.
  • Hochauflösende Luftaufnahmen bzw. Stereo-Luftbilder: Die Dienstleister für hochauflösende Luftaufnahmen verwenden eine ähnliche bzw. die gleiche Technologie wie Google-Earth. Die aufgenommen Luftbilder werden mit Messpunkten versehen, aus diesen wiederum ein 3D-Modell entwickelt.

Je mehr Messpunkte pro Quadratmeter, umso genauer werden Besonderheiten wie Bäume, Masten und Schornsteine erfasst. Aktuell arbeiten die Dienstleiter für Solardachkataster mit 1-6 Punkten pro Quadratmeter, oder mit sogenannten Messpunktwolken, in denen die Punkte unregelmäßig verteilt sind. Auch die Lage- und Höhengenauigkeit variiert. Je aktuell eingesetzter Technik liegt sie zwischen 10cm und 20cm.

Auswertung und Anreicherung der Geodaten

Die via Laserscanverfahren oder Stereophotographie erfassten Geodaten werden mit statistischen Angaben zur Sonneneinstrahlung kombiniert. Als Quellen sind der Deutschen Wetterdienst oder meteonorm. Aus der angereicherten Datenbasis lässt sich dann die Abschattung unseres Hauses berechnen. Bei der weiteren Auswertung scheiden sich die Geister. Manche Anbieter kombinieren die Daten mit Informationen des Amtlichen Liegenschaftskatasters(ALK). Dann spiegelt das Solarkataster die genauen Besitzverhältnisse wider. Andere Anbieter berechnen die Gebäudegrenzen algorithmisch. Sie argumentieren, dass ihr Modell auch Dachüberstände erfasst, die zwar über die Grundstücksgrenze hinausragen, aber trotzdem wirtschaftlich genutzt werden dürfen (Quelle: “Solarpotentialkatastercheck” in Chan/ge, das unabhängige Magazin).

Voraussetzungen für Solarthermie

Um ein hohes Solarpotential zu erreichen, muss unser Haus folgende Eigenschaften erfüllen:

  • Es muss eine Neigung zwischen 45° und 70° aufweisen (vgl. Solaranlagen-Portal)
  • Eine Ausrichtung (Fachbegriff: Exposition) nach Süden ist ideal. Südwesten oder Südosten reichen ggf. auch.
  • Die geneigte Dachfläche muss mindestens 5qm groß sein. Je nach Auswertungsalgorithmus werden davon kategorisch 20% nicht nutzbare Fläche abgezogen (Beispiel: Angaben zum Solarkataster Neuss). Die Dachfläche muss von morgens bis abends unverschattet sein.

Klassische Fehlerquellen

Bei der automatischen Datenerfassung und der algorithmengestützten Interpretation gibt es klassische Fehlerquellen.

  1. Veraltete Daten: Verschattende Bäume oder Gebäude, die gar nicht mehr stehen, trüben das Solarpotential unnötig. Diese Fehler lassen sich durch einen Blick auf das Erstellungsdatum der Datenbasis erkennen. Gleichsam können Neubauten und Aufbauten in der Nachbarschaft das Solarpotential nachträglich verschlechtern.
  2. Fehlinterpretationen: Bei Systemen mit wenigen Messpunkten kommt es leichter zu Fehlinterpretationen. Durchscheindende Strommasten wurden von älteren System fälschlicherweise als massive Gebäude interpretiert. Auch die Interpretation einer Rauchsäule als massiver Kamin ist bekannt.

Nachdem die ersten Fehlinterpretationen bekannt wurden, prüfen die meisten Anbieter inzwischen explizit nach und haben ihre Algorithmen dementsprechend angepasst. Das Aufnahme bzw. Überflugsdatum ist immer angegeben.

Fazit und Blick in die Zukunft

Nachdem ich wusste, worauf es bei der Beurteilung des Solarthermiepotentials ankommt, habe ich unser Dach und insbesondere die nicht denkmalgeschützte Seite genauer ausgemessen und mit den als geeignet eingestuften Gebäuden verglichen.

Unser Dach, inklusive Abschattung. Zu wenig für das Solarkataster. (Bild: Alice Scheerer)
Unser Dach, inklusive Abschattung. Zu wenig für das Solarkataster. (Bild: Alice Scheerer)

Unsere Dachseite hat eine Fläche von etwa etwa 5,3qm. Sie hat zur Hälfte einen Neigungswinkel von etwa 60°. Die andere Hälfte der Dachseite ist ein Gaubendach mit einer Neigung von 15-20°. Mehr als die Hälfte davon ist morgens und abends verschattet. Ein automatischer Scan- und Interpretationsprozess, bei dem ein Prozentsatz für Dachfenster und Fehlmessungen abgezogen wird, musste bei unseren Werten zwangsläufig ins Leere laufen.

Das Dach ist zu klein, zu schattig und möglicherweise nicht südlich genug ausgerichtet. Als „geeignet“ oder zumindest „bedingt geeignet“ kategorisierte Dächer in unserer Nachbarschaft haben eine südlichere Ausrichtung oder zumindest keine Abschattung. Mit unserem schlechten Ergebnis sind wir aber nicht alleine. Nur 1% aller Gebäude unseres Wohnorts sind laut Analyse „sehr gut“ für Solaranlagen geeignet. Mehr als die Hälfte aller Gebäude, nämlich 57%, sind gar nicht geeignet. Vielleicht lassen wir unsere kleine Dachfläche trotzdem mal von einem Fachmann begutachten. Oder wir warten einfach ab. Es wird schließlich geforscht und gefördert! Vielleicht werden bald weniger als 5qm geeignete Fläche oder weniger als 70% Strahlung ausreichen. Dann könnte auch unser Haus geeignet sein.

Führen falsche Daten zu Fehlentscheidungen beim Hausbesitzer?

Was mich nun besonders interessiert ist natürlich ob das hier ein Einzelfall ist, oder ob da draußen noch viele mit einem ähnlichen Problem sind? So gut diese Kataster sind, frage ich mich, ob dadurch nicht viele Umbauwillige davon abgehalten werden eine Anlage planen zu lassen, oder ob unser Standort tatsächlich so schlecht ist? Eure Meinung würde mich interessieren!