gletscher eis blei luftverschmutzung

Der Mensch verschmutzt die Luft schon länger als bisher angenommen

Veröffentlicht von

Ein Blog wie der unsere, der sich dem Heizen mit erneuerbarer Solarenergie buchstäblich verschrieben hat, macht für eine wissenschaftliche Erkenntnis wie diese gerne Platz. Schließlich ist eins der Argumente pro Solarthermie, dass die abgasfreie Heiztechnologie die Luft nicht wie andere verschmutzt. Und darum geht’s: Mit Hilfe eines sogenannten Gletscherarchivs fanden internationale Forscher heraus, dass die Bleibelastung der Luft nicht erst mit der industriellen Revolution einsetzte, sondern sehr viel früher. Alles, was ihr dazu wissen müsst, steht hier.

Wer hat geforscht?

Zu den Forschern um Alexander More von der Harvard University in Cambridge (USA) gehören auch Mitarbeiter des Instituts für Umweltphysik von der Universität Heidelberg. Der entscheidende Hinweis auf die Pest kam von Historikern aus Harvard.

Was wurde untersucht?

Bisher galt, dass Blei in einer bestimmten Menge auf natürlichem Weg, zum Beispiel bei Vulkanausbrüchen in die Atmosphäre gelangt. Mit Analysen mehrerer tausend Jahre alter Eiskerne aus Alpengletschern bezifferte man eine vorindustrielle Bleikonzentration auf etwa 100 Nanogramm pro Liter Luft (1 Nanogramm = 1 Milliardstel Gramm). Darauf fußt die Annahme der Wissenschaft,  dass dieser Bleigehalt in der Atmosphäre die natürliche „Hintergrundbelastung der Atmosphäre mit Blei“ sei.

Diese Annahme stellten internationale Forscher jetzt in Frage: Sie wiesen einen deutlich niedrigeren natürlichen Bleigehalt in der Atmosphäre nach: 0,5 Nanogramm pro Liter Luft.

Warum der Forschungsgegenstand Blei?

Blei gilt als das weltweit verheerendste Umweltgift. Es kann schon in geringer Dosis zu Gehirnschäden und Fruchtbarkeitsstörungen führen. Das giftige Schwermetall wird in Bergbaubetrieben abgebaut und verhüttet. Und zwar schon seit mehr als 2.000 Jahren. Auch beim Recycling von Autoreifen kommt es zum Freisetzen von Blei. Laut dem Umweltgiftreport 2015 der Schweizer Stiftung Green Cross und der international tätigen Non-Profit-Organisation Pure Earth (New York) seien etwa 26 Millionen Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommensniveau Blei direkt ausgesetzt.

Wie wurde untersucht?

Zur genauen Ermittlung des Bleigehalt der Erdatmosphäre während der vergangenen 2.000 Jahre untersuchten die Wissenschaftler einen Eiskern, der aus einem Gletscher am Colle Gnifetti im Monte-Rosa-Massiv der Walliser Alpen gebohrt wurde. Zur Analyse nutzten sie verschiedene hochauflösende massenspektrometrische Verfahren. Dabei gelang es, den Eiskern in sehr dünne Schichten zu zerlegen, so dass sein Alter sehr genau bestimmt werden konnte.

Was kam bei der Untersuchung heraus?

Die Ergebnisse der Untersuchung bestätigten zunächst anscheinend  den bislang angenommenen Hintergrundwert des Bleigehaltes der Luft im vorindustriellen Zeitalter. Doch eine auffällige Abweichung vom „Normalwert“ zwischen den Jahren 1349 bis 1353 warf Fragen auf. Während dieser Jahre betrug der Bleiwert in der Luft weniger als ein Hundertstel des vorindustriellen Durchschnittswertes. Er lag damit unter der Nachweisgrenze der Messgeräte. Warum gab es in dieser Zeit praktisch kein Blei in der Luft?

Historiker aus Harvard stellten fest, dass sich das Bleiminimum exakt für die Jahre aus dem Eis herauskristallisierte, in denen Europa von einer großen Pestpandemie heimgesucht wurde. Schätzungen zufolge sei damals ein Drittel bis die Hälfte der Europäer an der Pest gestorben. Zu den Pestopfern gehörte offenbar auch eine Menge der Bergleute, die bis dahin in den Bleigruben im Harz und in England arbeiteten. Alte Chroniken, Steuerbücher und andere Papiere würden laut den Historikern belegen, dass die Produktion der Bleigruben und -hütten während der Pestepidemie in Europa vollständig zum Erliegen gekommen sei, so  fast kein Blei in die Atmosphäre gelangt sei.

Welchen Schluss ziehen die Wissenschaftler aus ihrem Forschungsergebnis?

Den Forschern um More zufolge sei die bisherige Annahme, dass die Atmosphäre auf natürliche Weise mit Blei belastet sei, schlichtweg falsch. Das heiße: Die „vorindustrielle  Bleikonzentration“ sei ebenfalls von Menschenhand gemacht. Damit sei der angeblich natürliche Hintergrundwert für Blei in der Atmosphäre bereits eine vorindustrielle Umweltverschmutzung. Wenn Blei überhaupt in der Lufthülle der Erde vorkomme, dann nur in einer Konzentration von 0,4 Nanogramm pro Liter Luft.

Welche Auswirkungen hat diese neue Erkenntnis?

In Anbetracht dessen, dass der natürliche Blei-Hintergrundwert in der Luft nicht wie angenommen 100 sondern nur 0,4 Nanogramm pro Liter Luft beträgt, sollte der aktuell geltende Grenzwert für Blei auf jeden Fall überdacht werden.

Foto: like.ice.in.the.sunshine / photocase