Günter Neunert: Solarthermie ist eine auf dem Markt etablierte Technologie

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Heute setzen wir unsere Interviewreihe mit Energieagenturen fort; ich freue mich, dass ich eine der größten Agenturen Deutschlands ebenfalls für ein aufschlussreiches Interview gewinnen konnte: Die EnergieAgentur.NRW wird von der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen getragen und zu ihrem Themenspektrum gehören Energieforschung, technische Entwicklung, Demonstration und Markteinführung ebenso wie Energieberatung und berufliche Weiterbildung. Unser Gesprächspartner ist Dipl.-Ing. Günter Neunert, Energieberater und Solateur der EnergieAgentur.NRW.

Sabine Eva Rädisch: Könnten Sie uns kurz einen Überblick über das „Energieland“ Nordrhein-Westfalen geben? Gibt es vielleicht sogar Zahlen, wie weit NRW bei der Energiewende ist und wie hoch der Anteil an Erneuerbaren derzeit ist?

 

Dipl.-Ing. Günter Neunert, Energieberater und Solateur der EnergieAgentur.NRW: Nordrhein-Westfalen ist gleichermaßen der größte Energieverbraucher und Energieerzeuger Deutschlands. Im vergangenen Jahr wurden in NRW 177 TWh Strom erzeugt, rund 14 TWh aus regenerativen Quellen. Im Bereich der thermischen Energie wurden 11,1 TWh aus regenerativen Quellen gewonnen. Unabhängig von den quantitativen Werten sind es auch die qualitativen Merkmale, die den Erfolg der eingeleiteten Energiewende in NRW belegen. NRW hat sich längst zu einem angesehenen Wissenschaftsstandort im Bereich der Erneuerbaren Energien gemausert. Die Agentur für Erneuerbare Energien hat für ihren Report 2012 ganz genau nachgezählt: An den Universitäten zwischen Aachen und Minden werden 47 Studiengänge aus diesem Bereich angeboten – und damit deutschlandweit die meisten. In keinem anderen Bundesland sind die Forschungsausgaben für den Klimaschutz höher.

Die Stromdebatte ist in vollem Gange. Über Wärme, welche meist den größeren Brocken der Energierechnung ausmacht, spricht jedoch niemand. Wie sehen Sie dieses Problem?

Günter Neunert: Tatsächlich schlummern in den Heizungskellern immense Effizienzpotenziale. Das Konfliktpotenzial des Strompreises ist nur deutlich höher, da die Deutung der Preisanstiege mehr Interpretationsraum lässt – und deshalb die Möglichkeit bietet, politisches Kapital daraus zu schlagen. Bei der Wärme besteht dagegen über politische Lager hinaus Konsens. Anders ausgedrückt: Hier gibt es keine Debatte! Einziger wenngleich wesentlicher Kritikpunkt ist allerdings, dass bei Wärme zu häufig nur über Heizungen oder Energieträger als Kostenfaktor oder Preistreiber gesprochen wird statt das Gebäude als System zu betrachten und die Auswirkungen der Gebäudehülle auf den Heizwärmebedarf zu berücksichtigen.

Welche Kunden kommen zu Ihnen und wie wird geholfen? Eher Haushaltskunden oder auch Industrie?

Günter Neunert: Die EnergieAgentur.NRW berät im Auftrag des NRW-Klimaschutzministeriums vor allem Kommunen, Gemeinden und Unternehmen. Mit dem Energieberatungsmobil stehen wir aber auch Endverbrauchern mit Rat und Tat zur Seite. Dabei beraten unsere Ingenieure nicht bloß zur technischen Umsetzung von Projekten, sondern ebenso zur wirtschaftlichen Machbarkeit und Förderung. Darüber hinaus managet die EnergieAgentur.NRW das Energiewirtschaftscluster des Landes und bündelt wichtige Akteure der Branche in Netzwerken. Zudem bietet die EnergieAgentur.NRW auf ihrer Internetseite (energieagentur.nrw.de) zahlreiche Tools für Endverbraucher, die beim Energiesparen oder dem Einsatz erneuerbarer Energien helfen.

Welche Heizmöglichkeiten beraten Sie am häufigsten? Worauf sollten Menschen, die ihr Gebäude sanieren oder neu bauen wollen, besonders achten?

Günter Neunert: Der Beratungsbedarf verteilt sich gleichmäßig auf alle regenerativen Quellen – zum Beispiel Sonne oder Holz – und moderne Effizienztechnologien – zum Beispiel die Wärmepumpe. Grundsätzlich sollte eine Vor-Ort-Beratung durch einen unabhängigen Fachmann der Maßnahme vorausgehen (www.energie-effizienz-experten.de). Beim Neubau wird die Effizienz ohnehin durch die Energieeinsparverordnung EnEV vorgeschrieben. Die Fachleute findet man über die Architektenkammer oder die Ingenieurkammer Bau. Aber auch besonders dafür qualifizierte Handwerker können bereits die richtigen Ansprechpartner sein.

Wie schätzen Sie die Entwicklung der Solarthermie in den nächsten Jahren ein?

Günter Neunert: Solarthermie ist eine seit Jahren bewährte Technologie zur Heizungsunterstützung und Brauchwassererwärmung. Sie wird sicherlich auch künftig nützliche Dienste leisten, um ressourcenschonend den Wärmebedarf zu decken. Selbst in ferner Zukunft, wenn immer besser gedämmte Gebäude zunehmend auf zusätzliches Heizen verzichten können, werden solarthermische Anlagen noch immer Warmwasser für den täglichen Bedarf bereitstellen. Bei zu erwartenden steigenden Energiepreisen macht Solarthermie ein Stückchen unabhängig von dieser Entwicklung. Nicht zuletzt deshalb wird die Solarthermie zunehmend interessanter für industrielle Anwendungen, zum Beispiel bei der Prozesswärmeerzeugung.

Was müsste für eine Entwicklung ähnlich dem PV-Bereich passieren?

Günter Neunert: Wieso muss sich Solarthermie ähnlich wie Photovoltaik entwickeln? Die Notwendigkeit besteht ja gar nicht. Solarthermie ist eine auf dem Markt etablierte Technologie. Sie muss also nicht erst noch mittels Förderungen in den Markt gebracht werden. Anders als bei der PV, die mit Speichern und Eigenverbrauch erst am Beginn einer weiteren technischen Optimierung steht, ist die Solarthermie technisch ausgereift und hat entsprechend weniger technisches Entwicklungspotenzial.

Dipl.-Ing. Günter Neunert, Energieberater und Solateur der Energieagentur.NRW

 Dipl.-Ing. Günter Neunert, Energieberater und Solarteur der Energieagentur.NRW

Fotos: EnergieAgentur.NRW