Fallgeschichte: Frauenpower in Ingelheim

Veröffentlicht von

Anspruchsvoll und konsequent sein – das muss man sich leisten können. Als alleinerziehende Mutter anspruchsvoll und konsequent zu sein – das muss man sich erstmal trauen.

Svenja Seyler-Junker hat für sich und ihre beiden Teenager-Töchter ein Haus gekauft. Baujahr 1962, gut gepflegt, in ihrer Heimatstadt Ingelheim. Eine kleine Sanierung hätte gereicht, die alten Nachtspeicheröfen raus und dafür eine Brennwerttherme installieren, Heizkörper einbauen, ein paar Wochen später einziehen, so hätte es laufen können. Aber die 49-jährige Biologin wollte ein ökologisches Haus, ein vorbildliches, sozusagen ecoquentes Haus.

Die erste Hürde: einen Architekten finden, der sie unterstützt, der ihre Ziele zu den seinen macht, der mit ganzem Engagement einsteigt, in dieses auf den ersten Blick normale Projekt. Glück oder gute Recherche – sie hat ihn gefunden. Sandro Ferri aus dem nahen Bad Kreuznach hatte bereits Solar- und Ökohäuser gebaut. Also planen die beiden den Umbau. Die Bauherrin bietet ihre Eigentumswohung, in der sie mit den beiden Töchtern wohnt, zum Verkauf an. Die Sanierung des Hauses ist bestens vorbereitet, innerhalb von drei Monaten soll alles über die Bühne gehen.

Der Architekt legt die Latte höher

Dann stößt der Architekt auf eine Ausschreibung der dena: “Auf dem Weg zum Effizienzhaus plus”, die Steigerung der schon etablierten Effizienzhaus-Aktion. Die dena sucht bundesweit 20 Sanierungsvorhaben, die den Neubaustandard der EnEV 2009 um mindestens 40 Prozent unterschreiten. Ein unglaublich ehrgeiziges Vorhaben! Doch Sandro Ferri schlägt vor, sich zu bewerben. Die Bauherrin willigt ein, denn falls die Bewerbung erfolgreich wäre, würde das eine umfangreichere Förderungen bringen.

Also werden etliche Formulare ausgefüllt, Pläne und Berechnungen eingereicht. Dann heißt es warten. Denn Voraussetzung für die Förderung ist, dass die Baumaßnahmen noch nicht begonnen haben.

Unterdessen hat Svenja Seyler-Junker ihre Eigentumswohnung verkauft. Die Käufer wollen so bald wie möglich einziehen. Die Frist läuft. Bange Tage vergehen. Dann kommt Post von der dena. Svenja Seyler-Junkers Bauvorhaben ist unter den 20, die aus 350 Bewerbungen ausgewählt wurden. Damit sind auch die Fördergelder bewilligt. Die Sanierung kann endlich beginnen.

Alles auf Anfang

Das Haus, das zum Zeitpunkt des Kaufs intakt und bewohnbar war, wird nun in den Rohbau-Zustand zurückversetzt. Der Architekt hat ein Heizsystem ausgewählt, das aus Pelletofen und Solarthermie besteht. Da die Dachausrichtung ungünstig ist, kommen die Röhrenkollektoren auf die Garage. Zudem bekommt das Haus 20 Zentimeter Außendämmung, die auch die Balkonplatte einbezieht, und dreifach verglaste Fenster. Die Fenster nach Süden werden vergrößert, die Rollladenkästen in die Dämmebene verlegt, Kellerdecke und Dachboden gedämmt und einen automatische Lüftung mit Wärme- und Feuchte-Rückgewinnung eingebaut. Doch die Bauherrin hat ein weiteres wichtiges Anliegen.

Nicht nur energetisch topp, auch noch barrierefrei!

Für später soll das Haus unbedingt barrierefrei sein, wenigstens die untere Etage. Also heißt es, Türen verbreitern, eine bodengleiche Dusche einbauen – das ganze Programm. Die Käufer der Wohnung scharren schon mit den Füßen.

Der Architekt stöhnt: Für lange Zeit kein Wochenende!

Damit die Anforderungen für das dena-Pilotprojekts erfüllt werden, kontrolliert Sandro Ferri den Baufortschritt täglich. Die Bauherrin verbringt trotz Beruf und Familienarbeit jede freie Minute auf ihrer Baustelle.

Happy End: Ein schickes Öko-Nest und 95 Prozent Energie-Einsparung!

Nach diesem enormen Kraftakt ziehen die drei Frauen im Dezember 2011 in ihr neues Haus. Julie und Sophie-Charlotte bewohnen inzwischen die obere der beiden Wohneinheiten. Das Familienleben findet überwiegend im großzügigen offenen Wohnbereich im Erdgeschoss statt. Wenn die Töcher später ausziehen, kann Svenja Seyler-Junker die obere Etage vermieten.

Zur Höhe ihrer Heizkosten will sich die Bauherrin nach der kurzen Zeit  nicht äußern, noch hat sie keine komplette Heizsaison im neuen Haus erlebt. Nach Angaben des Architekts ist der Primärenenergiebedarf durch die Sanierung um 95 Prozent gesunken. Die dena überprüft die Verbrauchsdaten drei Jahre lang.

Svenja Seyler-Junker schaut inzwischen mit einem Lächeln auf die harte Zeit des Umbaus zurück. Ihre anspruchsvollen Ziele sind erreicht, die Zukunft verspricht, sonnig zu werden.