Hermann Falk

Hermann Falk: "100 Prozent Erneuerbare Energie bis 2050 – spätestens!"

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Heute stelle ich euch einen weiteren wichtigen Akteur der Wärmewende vor: Den Juristen Dr. Hermann Falk, Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE). Der BEE bündelt als Dachverband der Erneuerbare-Energien-Branche in Deutschland die Interessen von 29 Verbänden und Organisationen und setzt sich für eine zu 100 Prozent Erneuerbare Energieversorgung ein.

Sabine Eva Rädisch für Ecoquent Positions: Hr. Dr. Falk, Sie wurden als Akteur der Wärmewende nominiert. Können Sie sich vorstellen, weshalb?

Dr. Hermann Falk, BEE: Der BEE setzt sich seit Jahren für die Umsetzung der Wärmwende ein. So hat auch jüngst im Sommer 2014 eine vom BEE in Auftrag gegebene Studie gezeigt, dass ohne Wärmewende die Energiewende auf halbem Wege stehen bleiben wird. Dies war ein weiterer Weckruf für die Politik. Aber auch unser technologie-, sparten- und systemübergreifender Arbeitsansatz unterscheidet uns von vielen anderen Akteuren.

Der BEE hat sich nicht mehr und nicht weniger als die Vollversorgung mit erneuerbaren Energien zum Ziel gesetzt. Wie realistisch ist das, bzw. innerhalb welches Zeitraums wäre dies – unter günstigsten Bedingungen – erreichbar?

Wir können Deutschland spätestens im Jahr 2050 rundum aus Erneuerbaren Quellen mit Energie versorgen, für sauberen Strom, Wärme und Mobilität. Die EE-Unternehmen haben die notwendigen Kraftwerke schon entwickelt, und deren Zusammenspiel mit Ausgleichsoptionen und Speichern üben wir jetzt rechtzeitig ein. Aber klar ist, dass bis zur Zielerreichung noch deutliche Anstrengungen erforderlich sind – viele Rahmenbedingungen müssen geändert werden, um ein Gesamtsystem zum Laufen zu bringen, dass vor allem aus volatilem Wind- und Solarstrom gespeist wird und hocheffizient mit Energie umgeht. So sollen z.B. bis zum Jahr 2020 14 Prozent des deutschen Wärme- und Kälteenergiebedarfs durch Erneuerbare Energien abgedeckt werden. Aktuell werden nur 9,9 Prozent erreicht. Im Gebäudebestand müssen deshalb Effizienzmaßnahmen und die Umstellung auf saubere Energien wie Solarthermie, Geothermie, Wärmepumpen und Biomasse Hand in Hand gehen und deutlich beschleunigt werden. Gleiches gilt für den Mobilitätsbereich. Kontraproduktiv sind die im EEG 2014 vorgegebenen Ausbauziele für alle Erneuerbaren Energiequellen. Mit ihnen erreichen wir keine Vollversorgung

Was bedeutet Wärmewende für Sie?

Zur Wärmewende gehört die Umstellung auf regenerative Energieträger in Verbindung mit effizienter Technik sowie mit Verringerung des Energieverbrauchs in Heizungen und Industrieprozessen. Nur ein ganzheitliches Konzept gewährleistet die sparsamste und effizienteste Wärmebereitstellung. Dazu gehören im Gebäudebereich quartiersbezogene Nahwärmelösungen in Verbindung mit gebäudeindividuellen Sanierungsplänen. Bei Industrieprozessen geht es neben dem Ersatz von fossilen Energieträgern durch Erneuerbare zum Teil auch um ein anderes Produktionsdesign. Die bislang zähe Umsetzung der Wärmewende verschenkt ein riesengroßes Potenzial auf dem Weg zu einer sauberen und nachhaltigen Energieversorgung, die Ressourcen spart, in Deutschland. Nur mit mehr Effizienz und der gesamten Breite Erneuerbarer Wärme lässt sich ein annähernd klimaneutraler Gebäudebestand erreichen.

Was ist Ihr persönlicher Beitrag zur Wärmewende?

Schon als Kind wurde mir von den Eltern ständig gesagt, ich solle mit Heizung und Warmwasser sparsam sein. Und so bin ich noch heute bei Freunden und Gästen für niedrige Raumtemperaturen berüchtigt – aber dafür gibt’s bei mir auf Wunsch dann auch dicke Socken und Pullover. Zudem plane ich meine neue Wohnung sehr energieeffizient und natürlich mit dem Ziel von 100 % Erneuerbaren Energien.

Welchen Beitrag kann Solarthermie Ihrer Meinung nach zur Wärmewende leisten?

Solarthermie ist ein unverzichtbarer Baustein für die Wärmewende im privaten wie auch im industriellen Bereich. Solarthermisch erzeugte Wärme kann nicht nur direkt genutzt werden, sondern auch in Kälte umgewandelt werden. Insbesondere Großflächenanlagen können im Sommer über Nahwärmenetze fast den gesamten Wärmebedarf von vielen Haushalten abdecken. Sie können aber auch Prozesswärme und Prozessdampf bereitstellen. Erwähnt werden sollte auch, dass der Wert der Solarthermie in den südlichen Ländern enorm groß ist und wir uns sehr wünschen, dass viele Länder das große Potenzial, z.B. im Hotelbereich, anfangen zu nutzen.

Welche Gesetzesänderungen bräuchte es, um die Wärmewende in Gang zu bringen?

Die Wärmewende ist ein komplexer Prozess. Daher sind bei einer Vielzahl von Gesetzen oder Verordnungen Anpassungen notwendig, um Effizienzmaßnahmen und Erneuerbare Wärme voranzubringen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit gehören zu der Liste:

Alle diese Regelungen werden zum Teil aktuell überarbeitet oder im Rahmen der Umsetzung des NAPE und des Nationalen Aktionsplanes Klimaschutz zumindest schon diskutiert.

Welche Förderungen wären geeignet, um die Wärmewende in Gang zu bringen?

Das Marktanreizprogramm (MAP) setzt viele richtige Impulse, um den gesamten Erneuerbare-Wärme-Markt in Schwung zu bringen. Mit der Novellierung, die seit dem 1. April in Kraft ist, wurden zentrale Anschubelemente geschaffen, so dass sich für fast alle Technologien und Sparten die Fördermöglichkeiten verbessert haben. Optimierungsbedarf sieht der BEE noch bei der Förderung von Luft-Wärmepumpen, den Speichergrößen bei Holzheizungen sowie den Wärmebelegdichten bei Wärmenetzen. Diese wichtigen Instrumente für mehr Klimaschutz und Effizienz im Wärmebereich sollten im Rahmen der Diskussionen zu der Gebäudeeffizienzstrategie noch einmal diskutiert werden. Neben der finanziellen Förderung benötigen Hausbesitzer und Unternehmen eine qualitativ hochwertige Beratung, die regionalen Gegebenheiten ebenso wie die (gebäude-)individuellen Voraussetzungen berücksichtigt. Zusätzlich müssen Hausbesitzer und Unternehmen stärker für ihre Wärmeversorgung sensibilisiert und über die verschiedenen regenerativer Wärmeerzeugung informiert werden. Das Heizungslabel für Altanlagen wie auch der geplante, sich daran anschließende Heizungscheck sind Schritte in die richtige Richtung. Das Energy Label wird eine gute Orientierungshilfe beim Neuanlagenkauf sein.

Was ist Ihrer Meinung nach das größte Hemmnis der Wärmewende?

Wärme stand jahrelang nicht weit vorne auf der politischen Agenda. Die Politik hat sich viele Jahre lang um den hoch umstrittenen Stromsektor gekümmert und die enormen Potenziale einer Wärmewende für Klimaschutz, Innovation und Arbeitsplätze schlichtweg aus dem Blick verloren. Auch deshalb hinkt Deutschland den von der EU geforderten Einsparungen der Treibhausgasemissionen hinterher. Gleichzeitig können die sauberen Wärmequellen Deutschlands Abhängigkeit von Kohle- und Gasimporten aus Drittländern verringern. Aber wir müssen auch selbstkritisch sagen, dass es dem BEE und seinen Erneuerbaren Wärme-Verbänden bislang schwer gefallen ist, den notwendigen politischen Druck zu erzeugen. Inzwischen aber können wir den Wert der einzelnen Wärmetechnologien mit ihrem Nutzen für das ganzheitliche Energiesystem und den Klimaschutz sehr gut begründen, so dass deutlich geworden ist, dass sich die einzelnen Erneuerbaren-Energien sowohl im Wärmesektor als auch Sektor übergreifend gut ergänzen. Dies zeigt sich auch in der eingangs erwähnten, von uns angestoßenen Debatte um den Nutzen der Wärmewende für die Erreichung der Klimaschutzziele. Auch das immer stärkere Zusammenwachsen der Sektoren Strom und Wärme verdient größere Beachtung, was bei entsprechenden Rahmenbedingungen zu innovativen technischen Lösungen und Geschäftsmodellen führen kann. Auf diesem Weg arbeiten wir weiter, um das Gesamtkonzept der sauberen Energiequellen und Effizienzmaßnahmen von der Gebäudesanierung über die einzelnen Technologiearten bis hin zur Kraft-Wärme-Kopplung mit Leben zu erfüllen.

Foto: Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE)

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