Solarthermie Borchert

CO2- oder Öko-Steuer würde nachhaltiger wirken als alle Förderprogramme zusammen!

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Meine Lieben! – Ich möchte Euch heute ein neues Solarthermie-Buch vorlesen! … Nein, Scherz beiseite: Vielmehr soll dessen einer Autor (Co-Autor ist Bernd-Rainer Kasper) zu Wort kommen! Im Interview spricht Bernhard Weyres-Borchert nicht nur über sein Buch “Solare Wärme. Technik – Planung – Hausanlage” – er liefert uns auch spannende Ansichten zur Lage der deutschen und internationalen Solarthermie. Ich freue mich, dass Bernhard Weyres-Borchert, der Präsident der DGS, der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie e.V., ist, im Board of Directors der International Solar Energy Society sitzt und zudem im SolarZentrum Hamburg, einer unabhängigen Informations- und Beratungseinrichtung zum Thema Solarenergienutzung, arbeitet, sich die Zeit genommen hat und uns mit Insiderwissen aus der Solarbranche versorgt. 

Inhaltsverzeichnis

Doreen Brumme für Ecoquent Positions: Bernhard Weyres-Borchert, ich habe gerade Ihr druckfrisches Buch „Solare Wärme. Technik – Planung – Hausanlage“ gelesen und – davon inspiriert – auch schon Blogbeiträge geschrieben. Beschreiben Sie uns doch bitte als Erstes Ihre Beziehung zur Solarthermie!

Bernhard Weyres-Borchert: Angefangen hat es mit meiner Zeit bei der DGS in Berlin Anfang der 1990er-Jahre und meinen ersten praktischen Erfahrungen beim Einbau einer solarthermischen Anlage. Die Technik hat mich dann nicht mehr losgelassen, es folgten erste eigene Vorträge und Seminare. Mich fasziniert immer wieder die Einfachheit des solarthermischen Prinzips, seine Anwendungsvielfalt und Effizienz.

Was war der konkrete Anlass, der Technologie ein ganzes Buch zu widmen – welche Bedeutung hat solare Wärme für Sie?

Der konkrete Anlass war die Anfrage des BINE-Fachbuchverlags. Wir können ja in der DGS auf eine erfolgreiche Geschichte der hauseigenen Solar-Standardwerke zurückblicken, ich meine hier den Leitfaden Solarthermische Anlagen mit seiner mittlerweile 9ten und den Leitfaden Photovoltaische Anlagen mit seiner 5ten Auflage. Damit hatten wir bei der DGS viel Erfahrung bei der Umsetzung von technischen Sachverhalten in Wort und Bild. Mit dem BINE-Fachbuch war es nun möglich, die Thematik in einem für uns neuen Format aufzubereiten.

Grundsätzlich hat die Solarthermie für mich eine zentrale Bedeutung in einem zukunftsfähigen und bezahlbaren Strom-Wärme-System, und zwar in all ihren Anwendungen, von der Kleinanlage bis zum solaren Wärmenetz.

Und welche Rolle spielt Solarthermie derzeit im Reigen der Erneuerbaren Energien – und ist das die Rolle, die ihr gebührt?

Derzeit steht, bis auf wenige Ausnahmen, die Solarthermie eher bescheiden im Hintergrund. Zugegeben, die Installation bzw. Integration einer solarthermischen Anlage in ein bestehendes Wärmeversorgungssystem ist eine mehr oder weniger anspruchsvolle Aufgabe, aber vor allem die Effizienz der Solarthermie wird immer wieder unterschätzt.

Die Photovoltaik hat mit Inkrafttreten des EEG eine beispiellose Erfolgsgeschichte – u.a. in Bezug auf die Kostendegression – geschrieben, auch wenn der Ausbau nun ins Stocken geraten ist. Für die Solarthermie hätte ich mir ein vergleichbar wirkungsvolles Programm gewünscht – das MAP ist zwar seit Jahresbeginn wieder verbessert worden (APEE), es ist aber eben ein Förderprogramm mit all seinen typischen Schwächen. Was wir brauchen ist eine CO2- oder Öko-Steuer. Dieses Instrument würde mehr nachhaltige Wirkung zeigen als alle Förderprogramme zusammen.

Sie sind Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie und sitzen auch im Board of Directors der International Solar Energy Society. Wie schätzen Sie die solarthermische Lage in der BR Deutschland und der Welt ein?

Die derzeitige Lage ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa nicht besonders erfreulich – trotz nationaler Förderprogramme. Rühmliche Ausnahme in Europa stellt Dänemark dar. Dort existieren ehrgeizige Pläne zum Ausbau des Solaren Nah- und Fernwärmenetzes, die Rahmenbedingungen für die Solarthermie sind günstig. Hieran könnte/sollte sich Deutschland ein Vorbild nehmen. Des weiteren zeigen noch Spanien und Griechenland positive Tendenzen – der Rest stagniert oder ist rückläufig.

Außerhalb Europas sind riesige Potenziale für die Solarthermie noch zu erschließen, wie auch Bärbel Epp von solrico berichtet: Die wichtigsten Antriebsfaktoren sind hier Engpässe bei der Stromversorgung wie in Südafrika oder Brasilien. Dort gelten solare Brauchwasseranlagen als Stromeinsparmaßnahme und entlasten die Stromnetze, die oftmals ausfallen.

Der zweite wichtige Treiber im Moment ist die Aufhebung der Energiesubventionen in vielen Ländern, dies ist zum Beispiel in Ägypten, Indien und Argentinien der Fall. Wenn die Strom- und Mineralölpreise in den Ländern steigen, dann führt das zu einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit der Solarthermie – auch, und vor allem in kommerziellen Anwendungen wie Hotels, Industrie oder Krankenhäusern.

Braucht die Solarthermie (mehr) Aufmerksamkeit?

Auf jeden Fall. Ich wünschte mir – auch im Zusammenhang mit der aktuell günstigen Fördersituation – eine medienwirksame Kampagne á la „Solar-na klar!“, damit die Solarthermie wieder in die Öffentlichkeit gelangt und die Nachfrage stimuliert wird. Ob dies allein genügt, ist allerdings alles andere als sicher.

Mit Ihrem Buch wenden Sie sich auch an die Öffentlichkeit: Für wen haben Sie es geschrieben?

Das Buch richtet sich in erster Linie an Planer und Handwerker, bietet aber auch Stoff für den interessierten Hausbesitzer und auch der ein oder andere Architekt wird etwas inspirierendes darin finden. (lacht)

Bernhard Weyres-Borchert, Solarthermie-Experten aus Wissenschaft und Praxis fordern immer wieder, dass das Wissen um die komplexe Materie Solarthermie noch zu wenig verbreitet ist. Sie selbst sind in Sachen Solarthermie ja auch ein Multiplikator, als Autor, als Dozent. Ist es tatsächlich so, dass Verbraucher weniger über Solarthermie wissen, als über andere Erneuerbare Energien? Falls ja, woran liegt das?

Ganz klar: In der öffentlichen Darstellung, den Printmedien wie auch dem Fernsehen ist zu 99 Prozent von erneuerbarem Strom die Rede, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien geht. Hierbei wird dann primär über Photovoltaik und Windenergie berichtet.

Was sind die Steine, die der Solarthermie auf ihrem Durchmarsch zum Verbraucher im Weg liegen?

Bislang hat der Solarthermie-Markt noch kein Rezept gefunden, die Stagnation der letzten Jahre zu überwinden. Der Ölpreis auf dem derzeitigen Niveau ist auch nicht gerade ein Treiber für erneuerbare Wärme. Es ist extrem schwierig, hier einen Stimmungsumschwung hinzubekommen. Hinzu kommt, dass die Auftragsbücher der Installationsbetriebe voll sind und der Bedarf an weiteren, in diesem Fall Solar-Aufträgen fehlt.

Wer könnte wie Stolperfallen aus dem Weg räumen?

Die Solarthermie-Branche selbst und ihre Lobby müssten intensiv über eine Strategie nachdenken und für den notwendigen Stimmungswechsel sorgen. Aber dies ist leichter gesagt als getan.

Als Branchen-Insider entgeht Ihnen in Sachen Solarthermie wahrscheinlich nix: Gibt es Neuigkeiten zur Solarthermie zu berichten? Wenn ja, welche?

Im Grunde genommen haben wir alles an Technik parat, um die Solarthermie in nennenswertem Umfang zu realisieren. Beobachten kann man, dass verstärkt Großprojekte, Quartiersentwicklungen und solare Wärmenetze die aktuellen Diskussionen bestimmen.

Wo sehen Sie Potential für die Solarthermie: Eher auf den Dächern von Ein- und Zweifamilienhäusern oder eher auf Mehrfamilienhäusern, in Gewerbe und Industrie, in der Landwirtschaft?

Das Potential der Solarthermie auf eine der genannten Anwendungen zu beschränken, würde der Leistungsstärke dieser Technik nicht gerecht werden. Besonders sinnvoll ist ihr Einsatz immer dann, wenn in der Haupterntezeit (Mai bis September) entweder ein hoher Wärme- oder Kältebedarf vorliegt. Ich denke im ersten Fall zum Beispiel an Campingplätze, im zweiten an solare Klimatisierung von Hotels. Luftkollektoren haben ein hohes Einsatzpotenzial in der Landwirtschaft (Trocknung). Und dann natürlich in Form von sehr großen Kollektorflächen zur Einspeisung von solarer Wärme in ein Nah-/Fernwärmenetz.

Was halten Sie vom neuen Kollektorertragslabel für Kollektoren? Machen Sie erste Auswirkungen dessen aus?

Ich finde es gut und richtig, wenn der Kollektor als Wärmeerzeuger wie ein Heizkessel ein eigenes Labelling erhält. Wichtig sind bei allem Labelling der Nutzen und die Transparenz für den Verbraucher. Aus unserer Erfahrung im SolarZentrum Hamburg ist weder das ERP-Label als Ganzes noch das Kollektorlabel beim Verbraucher angekommen, es spielt derzeit keine Rolle.

Zurzeit investieren offensichtlich viele Verbraucher in moderne Ölheizungen, Medien schreiben bereits vom neuen Ölkesselboom. Würden Sie das bitte kurz bewerten: Ist eine Investition in fossile Ölbrennertechnik – sei sie auch noch so modern und kostensparend – heute nicht fehl am Platz, wenn es doch Solarthermie & Co. gibt?

Ein moderner Ölkessel ist sicher besser als einer, der 30 Jahre alt ist. Ich halte es persönlich jedoch für schwierig, insbesondere angesichts der im Zusammenhang mit Erdöl zu nennenden Umweltkatastrophen, Öl als Brennstoff einzusetzen. Die derzeit niedrigen Ölpreise verlocken dazu, ich sehe jedoch das Ende des Ölzeitalters so sicher wie das Amen in der Kirche kommen.

Letzte Frage: Kennen Sie unser Blog Ecoquent Positions – was gefällt Ihnen daran, was nicht? Gibt es Themen, die wir unbedingt noch aufgreifen sollten?

Mit gefällt es grundsätzlich sehr gut, dass mit Ecoquent Positions ein ganzes Portal der Solarthermie gewidmet ist, auch wenn es ein Projekt der Ritter Energie ist und damit klar, welche Produkte und Konzepte im Vordergrund stehen (CPC-Vakuumröhrenkollektoren und das Aqua-System). Aber das muss ja nicht so bleiben …

Vielen Dank, Bernhard Weyres-Borchert, dass Sie sich die Zeit für unser Interview genommen haben!

Infos zum Buch:

“Solare Wärme. Technik – Planung – Hausanlage”
BINE-Fachbuch von Bernhard Weyres-Borchert und Bernd-Rainer Kasper
Herausgeber.: FIZ Karlsruhe, BINE Informationsdienst, Bonn
2015, 168 S., Fraunhofer IRB Verlag, ISBN 978-3-8167-9149-2, Preis: 29,80 Euro

Coverbild: BINE-Fachbuch