Klimawandel Wissen

Klimawandel: Wie sicher ist unser Wissen?

Veröffentlicht von

Wissen sei Macht, nichts zu wissen, mache nichts, sagt der Volksmund. Ich bin da – zumindest, was den zweiten Teil der „Volksweisheit“ betrifft –  ganz anderer Meinung: Wissen ist für mich unersetzliche Quelle für Entscheidungen, alltägliche und außergewöhnliche. Ich bin wissbe- und neugierig. Beides die Forschung motivierende Ansprüche, die ich auch einem Klima-Wissenschaftler unterstelle. Oder einem Politiker als Motivation für sein Handeln. Oder einem Journalisten für seine Recherche und Berichterstattung.

Doch was wissen wir – Verbraucher, Journalisten, Politiker und Wissenschaftler – tatsächlich über den Klimawandel? Und woher stammt unser Wissen? Das Meiste sicher aus den Medien. Aber wie glaubhaft sind die Medien überhaupt, wenn sie über den Klimawandel berichten? Kurz: Wie sicher ist mein (unser aller) Wissen zum Klimawandel?

Vier Herzen, ach fünf, schlagen in meiner Brust: Das eine gehört einem Verbraucher. Das andere einem Journalisten. Das dritte schlägt für die Wissenschaft als Methodik. Das vierte für die Politik. Denn das alles bin ich, Doreen Brumme, Verbraucherin, Journalistin und (Politik)Wissenschaftlerin. Das nur vorweg, um klarzustellen, dass ich mich in die Rolle meiner gleich auftretenden fiktiven Personen sehr gut hineinversetzen kann.

Geht es um das Thema Klimawandel, bin ich hin- und hergerissen. Ich sehe Diskrepanzen zwischen dem wissenschaftlichen Konsens zu dessen Existenz, der medialen Verbreitung von Infos darüber und deren Wahrnehmung seitens der Politiker und Verbraucher. Mich bewegt die Frage sehr, wie Wissenschaft, Medien und Politik auf einen vernünftigen Nenner kommen können, um im Sinne des Verbrauchers (nicht vergessen: jeder Wissenschaftler, Journalist und Politiker ist schließlich auch selbst einer) Entscheidungen zu treffen, die ein (er)lebenswertes Klima auf unserem Planeten erhalten beziehungsweise schaffen.

Auf der Suche nach Antworten, habe ich die vier globalen Player einmal idealisiert und in einem fiktiven Gespräch um Stellungnahme gebeten. Das ist dabei herausgekommen:

Woher weiß ich, dass es den Klimawandel gibt?

Wissenschaftler: Ich bin Klimaforscher. Ich sammle historische und aktuelle Daten zum Wetter und erstelle daraus Statistiken, die letztendlich das Klima abbilden. Meine Arbeit schafft die Möglichkeit, über Wahrscheinlichkeitsberechnungen Prognosen zur künftigen Entwicklung abzugeben.

Journalist: Ich lese wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Publikationen, spreche mit Forschern. Ich recherchiere im Internet, lese nicht selten thematisch relevante Texte von journalistischen Kollegen. Ich erlebe Wetterereignisse.

Politiker: Ich lasse mich von der Wissenschaft informieren und beraten, um Entscheidungen zu treffen. Dazu habe ich nicht immer direkten Kontakt zum Forscher, sondern über zahlreiche Ausschüsse und Berater kommen die Infos zu mir. Auf manche Themen stoße ich quasi als „Verbraucher“ via Medienberichterstattung oder im Selbsterlebnis von Wetter.

Verbraucher: Von den Medien. Genauer gesagt: Aus zahlreichen Nachrichtenschnipseln (Zeitung, TV, Internet), aus Reportagen, die sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Klimawandel auseinandersetzen, und von darin zu Wort kommenden Wissenschaftlern. Aus Büchern und Filmen. Doch ich muss zugeben, dass ich mich für das Thema Klimawandel explizit interessiere. Deshalb filtere ich Infos nach dem Keyword „Klimawandel“. Ich bin sozusagen für das Thema sensibilisiert. Ich erlebe das alltägliche Wetter.

Wie sicher sind meine Informations-Quellen?

Wissenschaftler: Ich sammle selbst empirische Daten und nutze Daten von Kollegen, deren Forschungsmethoden ich kenne und denen ich vertraue. Wir beobachten aktuelle Ereignisse. Ich schätze meine Quellen als sicher ein.

Politiker: Ich vertraue meinen Mitarbeitern, die Infos für mich sammeln und aufbereiten. Als Nicht(klima)wissenschaftler kann ich jedoch nicht unterscheiden, ob die Beweise zur jeweiligen Forschungsarbeit hinreichend sind, um darauf Entscheidungen zu fällen. Ich muss hier auf das Wissen meines Stabes vertrauen.

Journalist: Ich weiß zu wenig, um bewerten zu können, ob das, was die Wissenschaftler sagen beziehungsweise schreiben, sicher ist. Schließlich arbeiten die Forscher nicht immer unabhängig, sondern werden von Wirtschaft und/oder Gesellschaft beauftragt und finanziert. Sie sind Teil einer Kultur, Teil einer Wissenschaftskultur. Noch weniger kann ich die Sicherheit der Infos bewerten, die Kollegen vermitteln.

Verbraucher: Ich bekomme fast nur Infos, die Journalisten in den Medien über Wetter und Klima verbreiten. Ich komme nicht persönlich mit Forschern in Kontakt, um die über Medien kolportierten Infos zu verifizieren. Ich bin oft sehr unsicher, ob ich das glauben soll, was ich lese, höre und sehe.

Wie unabhängig ist meine Rezeption von Daten zum Klimawandel?

Wissenschaftler: Ich arbeite für ein Institut, das sich aus Geldern von Staat und/oder freier Wirtschaft finanziert. Mein Forschungsbereich ist von diesen quasi vorgegeben. Meine ursprüngliche wissenschaftliche Neugier, meinen eigentlichen Forschungsdrang (also die Triebfedern idealistisch betrachteter Wissenschaft) muss ich auch dem Forschungsziel meines Arbeitgebers / Auftraggebers unterwerfen. Ich wende meine Methodik zwar an, muss aber so arbeiten, dass meine Auftraggeber etwas mit meinen Ergebnissen anfangen können. Meine Forschungsergebnisse sollen schließlich Grundlage für Entscheidungen politischer und ökonomischer Natur werden. Sie müssen in diesem Sinn nützlich sein.

Politiker: Ich bin Mitglied einer Partei und ein vom Volk in die Politik gewählter Vertreter. Ich muss meinem Mandat gerecht werden. Ich habe ein Parteiprogramm, das mich dabei leitet. Ich unterliege einerseits Fraktionszwängen, andererseits habe ich eine Stimme, die ich nach bestem Wissen und Gewissen einsetzen muss. Für die Durchsetzung meiner politischen Entscheidungen brauche ich Rückhalt, dazu zählen Wissen und Finanziers. Die kommen aus Gesellschaft und Wirtschaft.

Journalist: Ich muss Themen ins Blatt/Bild/Netz bringen. Themen, die das Interesse der Menschen wecken. Das Klima ist ein sogenanntes Metathema, gehört aber nicht zwingend zu den In-Themen dieser Welt. Es interessiert alle, doch es gibt nicht täglich Neues zu berichten. Und es gibt offensichtlich wichtigere teilweise unterhaltsamere und positivere Themen. Ich kann kaum unterscheiden, welcher wissenschaftliche Standpunkt bei sich widersprechenden Aussagen zum Klimawandel der Wahrheit am nächsten kommt.

Verbraucher: Ich bin abhängig von den Infos, die ich via Medien empfange. Ich will letztendlich meinen Verbrauch an Ressourcen optimieren, Verbrauchskosten effizient decken. Ich möchte mich ökologisch korrekt verhalten. Doch es ist mittlerweile Alltag, dass das, was gestern ökologisch war, heute umstritten und morgen vielleicht umweltschädlich ist. Ich nehme momentanes (Un)Wetter als Ereignis wahr und leite davon laienhafte Bestätigungen für oder wider den Klimawandel ab.

Wie groß ist mein Blickwinkel auf das Thema Klimawandel, wie breit mein Wissensspektrum?

Wissenschaftler: Ich bin zwar eine Koryphäe auf meinem Gebiet, doch um ehrlich zu sein: Dies ist nur ein Teilgebiet der Wissenschaft, die sich um Wetter und Klima kümmert.

Politiker: Das Thema Klimawandel ist nur eins von vielen, mit denen ich mich beschäftige. Ich weiß dazu, was man mir an Wissen vermittelt und was ich mir selbst an Wissen dazu aneigne.

Journalist: Ich bin Spezialist im Verbreiten von Infos – Infos aller Art. Ich bin kein Klimaforscher. Ich schreibe über viele Themen, der Klimawandel ist nur eins davon.

Verbraucher: Ich informiere mich über viele Themen, darunter auch Wetter und Klima.

Kann ich Einfluss darauf nehmen, dass das Thema Klimawandel sich in der beziehungsweise die Gesellschaft bewegt?

Wissenschaftler: Ich publiziere die Ergebnisse meiner wissenschaftlichen Arbeit im Rahmen meiner Möglichkeiten, diskutiere sie in wissenschaftlichen Kreisen. Manche Auftraggeber möchten sie exklusiv, andere lassen sie mich mit der Öffentlichkeit teilen. Ich erhebe den Anspruch, meine „Bringschuld“ an Wissen zu liefern, vor allem: der Öffentlichkeit. Das gelingt nicht immer, aber mittlerweile gibt es dank des Internets viele Wege, Wissen an den Verbaucher zu bringen.

Journalist: Ich muss das Thema Klimawandel zunächst meinen Kollegen auf der Themenkonferenz in der Redaktion „verkaufen“. Immer wieder aufs Neue. Beim Schreiben, versuche ich, das dröge Wissen unterhaltsam und interessant zu formulieren. Mitunter muss ich es dazu „aufbauschen“, sonst fiele es ganz unter den Tisch. Doch nur der, der schreibt, der bleibt, sagen wir in unserer Branche.

Politiker: Ich kann das Thema immer wieder auf die politische Agenda heben, insbesondere, wenn es um konkrete politische Entscheidungen geht. Aber es ist wie bereits gesagt, nur ein Thema von vielen.

Verbraucher: Ich habe wenige Möglichkeiten, das Thema groß zu verbreiten. Ich kann im Alltag mit meinen Mitmenschen darüber reden. Ich kann hier und da meine Stimme „erheben“, um Infos einzufordern, beispielsweise als Rezipient von Medien (vie Leserbrief zum Beispiel). Oder ich werfe meine Stimme in die eine oder andere Waagschale bei Wahlen, um gesellschaftliche Player zu stärken, von denen ich hoffe, dass sie das Thema Klimawandel in meinem Sinne bewerten.

Mein ganz persönliches Fazit: Jeder von uns steckt in Abhängigkeiten, die unseren Umgang mit dem Thema Klimawandel beeinflussen. Keiner kann sich von seiner entsprechenden „thematischen Prägung“ lösen. Das wiederum nimmt Einfluss auf unser aller Handeln. Die wichtigen Player hierbei – zumindest aus Verbrauchersicht – sind Wissenschaftler und Journalist: Schon beim Formulieren und Verbreiten der Forschungsergebnisse/Infos zum Klimawandel bestimmen sie maßgeblich meine Rezeption, also meine Sicht auf den Klimawandel. In diesem Sinne bleibe ich kritisch beim Lesen!

Foto: ovokuro / photocase.com (Titel)