Solarhaus

Energiestandards und Energiehaustypen im Überblick

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Angefangen beim unsanierten Altbau bis hin zum Plusenergiehaus hat jedes Gebäude einen Energiestandard – fragt sich nur, welchen! Bei all den verschiedenen auf dem Markt und in den Medien herumschwirrenden Begriffen kann man schon mal die Übersicht verlieren über

  • Niedrig(st)energiehaus
  • KfW-Effizienzhäuser
  • Minergiestandard
  • Passivhaus
  • Nullenergiehaus
  • Energieautarkes Haus
  • Plusenergiehaus
  • Sonnenhaus

Die kreativen Wortschöpfungen verschiedener Hausanbieter machen die Verwirrung komplett. Grund genug, die Energiestandards einmal näher unter die Lupe zu nehmen und eine Serie zu starten, in der wir Euch die einzelnen Energiehaustypen nach und nach vorstellen. Heute verschaffe ich mir und Euch einen ersten Überblick.

Der Energiestandard dient als Grundlage

  • für den verpflichtenden Energieausweis (Energiepass) von Alt- und Neubauten
  • für die energetische Bewertung von Gebäuden
  • bei Förderprogrammen für energieeffizientes Bauen und Sanieren (z.B. KfW-Kredit)
  • Klassifizierung von Energiehäusern
  • und nicht zuletzt als Verkaufsargument für Hersteller und Handwerk

“Orientierung für Bauwillige” traue ich mich fast gar nicht hinzuschreiben, denn die Ermittlung der Standards ist komplex. Und Vorsicht: Je nach den gewählten Bezugsgrößen sind die Werte nicht unbedingt vergleichbar.

Fläche ist nicht immer Länge mal Breite

In Österreich und der Schweiz legt man für die Ermittlung des Wärmeenergiebedarfs zum Beispiel eine “echte” Fläche zugrunde, während sie nach der deutschen EnEV (Energieeinsparverordnung) aus einem Volumen ermittelt wird. Dr. Wolfgang Feist, der Leiter des Passivhausinstitutes Darmstadt, hat in einem Artikel sehr schön dargestellt, welche krassen Unterschiede sich je nach Bezugsfläche für den Energiebedarf eines Hauses rechnerisch ergeben. Als Bezugsgröße für den Energiebedarf dient meist der Primärenergiebedarf QP (im Gegensatz zur Nutzenergie oder Endenergie); oft wird auch ein Heizwärmebedarf Qh angegeben.

Über die Heizkostenrechnung eines Altbaus mit einem jährlichen Energiebedarf von 300 kWh/m² wird sich niemand ernsthaft freuen – bei einer beheizten Wohnfläche von 140 m² wären das gut 4.000 Liter Heizöl oder bald 4.000 Euro (übrigens gegenüber dem letzten Jahr eine Steigerung um mindestens zehn Prozent). Dass da eine energetische Sanierung sinnvoll ist, versteht sich von selbst – Geld und CO2 sollen eingespart und der Gebäudeenergiebedarf gesenkt werden.  Deshalb sind in Gesetzen und Förderprogrammen Werte für den Energiebedarf eines Gebäudes festgelegt – üblicherweise in Kilowattstunden pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr: kWh/(m²·a)

Verwirrende deutsche Energiestandards: Absolut und relativ

Der durchschnittliche Energiebedarf von Wohnhäusern liegt zum Glück nur gut bei der Hälfte unseres oben genannten Altbaus, aber das ist immer noch viel. Der Begriff “Niedrigenergiehaus” tauchte in Deutschland erstmals mit der EnEV 2002 auf. Bis zur EnEV 2007 war damit ein absoluter Höchstwert für den Heizwärme- bzw. Primärenergiebedarf verbunden, seit der EnEV 2009 hingegen wird der Energiebedarf im Vergleich zu einem definierten Referenzgebäude ermittelt, kann also nicht als Absolutwert angegeben werden – größenordnungsmäßig liegt der Heizwärmebedarf bei ca. 50 kWh/(m²·a). Beim KfW-Effizienzhaus wird ein Prozentsatz von diesem Energiebedarf angegeben, z.B. “KfW-Effizienzhaus 55”. Einen schönen Überblick über deutsche Energiestandards findet Ihr hier. Einen Energiepass bekommt man in Deutschland vom Energieberater oder der –beraterin.

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Österreichische Kategorien

In Österreich gibt es die Energiestandardkategorien A++ bis G mit dem Heizwärmebedarf als Bezugsgröße – z.B. das Niedrigenergiehaus (Klasse B) mit einem Heizwärmebedarf von bis zu 50 kWh/(m²·a). Grundlage ist das Energieausweis-Vorlage-Gesetz in Verbindung mit der ÖNORM H 5055 – Energieausweis für Gebäude. Dabei gibt es mehrere Zertifizierungssysteme für Gebäude wie z.B. klima:aktiv, das tqb-tool der ÖGNB oder den ibo-Ökopass für Passivhäuser.

Keine gesetzliche Pflicht in der Schweiz

In der Schweiz hingegen wird häufig der Minergiestandard zugrunde gelegt. Das klingt niedlich, da hab ich irgendwie knuffige Alpenchalets mit dicken Mützen vor meinem inneren Auge. Ein neues Minergie-Wohnhaus beispielsweise hat einen Energiebedarf von 38 kWh/(m²·a). Das schweizer Energiegesetz (EnG) weist den Kantonen die Verantwortung für die Begrenzung des Energieverbrauchs von Gebäuden zu, eine gesetzliche Pflicht für einen Energieausweis gibt es derzeit nicht, aber einen gemeinsamen Energieausweis der Kantone.

Passiv dämmen oder aktiv mit der Sonne heizen

Als das Haus der Zukunft gilt das Passivhaus mit einem Jahresheizwärmebedarf unter 15 kWh/(m²·a). (Passivhaus-Institut Darmstadt) bzw. 10 kWh/m² (Österreichisches Institut für Bautechnik). In der Schweiz ist der Minergie-P-Standard mit dem Passivhaus vergleichbar.

Eine nochmalige Weiterentwicklung ist das Nullenergiehaus, das seinen Energiebedarf im Jahresmittel durch eigenen Energiegewinn decken soll.  Beim Plusenergiehaus entsteht rechnerisch sogar ein Energieüberschuss, allerdings hilft es wenig, wenn die Jahresbilanz zwar positiv ist, sommerliche Überschüsse jedoch nicht mit in den Winter genommen werden können.

Während das Passivhauskonzept auf eine möglichst gute Dämmwirkung der Gebäudehülle setzt, möchte das Sonnenhaus den maximalen Ertrag aus der Sonnenenergie nutzen. Mindestziel ist ein solarer Deckungsgrad von 50 Prozent, d.h. die Hälfte der benötigten Heizenergie kann durch Solarthermie gedeckt werden. So mag das Sonnenhaus zwar einen höheren Heizenergiebedarf besitzen, aber der wird ecoquent mit Sonnenwärme gedeckt – ohne fossile Brennstoffe.

Und was ist mit dem Strombedarf?

Die bisher genannten Konzepte berücksichtigen hauptsächlich die Energie, die ein Haus für Heizung und Warmwasserbereitung braucht; bei den gesetzlichen Vorgaben bleibt der Strom weitgehend außen vor. Einen Schritt weiter geht das energieautarke Haus, das seinen gesamten Energiebedarf an Ort und Stelle decken kann, also auch den Strombedarf, z.B. durch Photovoltaik. Wenn diese dann noch ein Elektroauto speist, ist sogar noch der Energiebedarf für Mobilität mit abgedeckt.

Raum für Entwicklung

Wie gesagt darf man hier nicht übersehen, dass die Bezugsgrößen unterschiedlich sind. Zumindest für den EU-Raum ist eine Vereinheitlichung der Berechnungsgrundlagen vorgesehen; dies und eine weitere Verschärfung der Anforderungen wird sicherlich Teil der EnEV-Novellierung 2014 sein; das Neueste dazu gibt es auf Enev-Online. Um 2020 herum soll es dann nur noch Niedrigstenergiehäuser geben; gut möglich, dass dann Passiv- und Sonnenhaus mit niedrigem U-Wert und hohen solaren Deckungsraten dann der Standard sind.

Bis dahin wird es (hoffentlich!) noch viele Neu- und Weiterentwicklungen, Ideen und Konzepte geben; ich bin mir aber sicher, dass es ohne Solarthermie nicht gehen wird.

Titelbild: (c) Paradigma