Was man über die Kennzahlen eines Sonnenhauses wissen sollte

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Vom zugigen Altbau zum perfekten Sonnenhaus und was dahinter steckt

Vor einiger Zeit landete in meinem Mailpostfach die Pressemeldung über das Wohnhaus der Familie Birner, das eine unglaubliche Metamorphose vom zugigen Altbau zum hocheffizienten Sonnenhaus hinlegte. Heute deckt es gut 80 Prozent seines Wärmebedarfs für Heizung und Warmwasser aus Solarthermie. Die Pressemeldung ist dicht mit Daten bepackt, und deshalb habe ich genauer nachgefragt – und zwar bei Helga Meinel, Energieberaterin und Architektin dieses Vorzeigeprojekts in Sachen Solarisierung. Für ihre Aufklärungsarbeit bin ich wirklich dankbar.

Charmanter Altbau aus den Vierzigern wird zum Sonnenhaus

Das Haus wurde 1942 als Teil einer Militärsiedlung gebaut und steht im oberbayerischen Ainring, Berchtesgadener Land – also im tiefen Süden, wo laut Doreen die meisten Sonnenhäuser beheimatet sind. Es hat eine steile Dachneigung und ist nach Südwesten ausgerichtet. Bauherr Dr. Thomas Birner erkannte das enorme Potential des Altbaus für die Solarisierung und ließ es bei der Gelegenheit gleich erweitern. Für den überzeugten Solarfan kam nur ein Sonnenhaus in Frage, denn:

“Die Wunschliste für unser Wohnhauses war lang. Unser primäres Anliegen: wir wollen zukünftig unabhängig von Energielieferanten und damit auch von Rohstoffpreisen sein. Darüber hinaus wünschen wir uns ein durch und durch warmes Haus, das tatsächlich CO2-neutral und somit ökologisch ist und das Ganze mit einer einfachen und wartungsarmen Technik”,

sagt Thomas Birner. Das Wohnhaus mit hohem solaren Deckungsgrad erfüllt diese Wünsche. Nur in Zahlen lässt sich das Ganze offenbar nicht so einfach fassen – beziehungsweise können die auf den ersten Blick (siehe Tabelle unten) doch etwas verwirren.

Charmant, aber energetisch nicht mehr zeitgemäß: Das Wohnaus der Familie Birner vor dem Um- und Anbau
Charmant, aber energetisch nicht mehr zeitgemäß: Das Wohnaus der Familie Birner vor dem Um- und Anbau

 

Verwirrende Zahlenspiele erschweren den Nachweis

Es geht schon los bei den Flächen: Die EnEV berechnet die Energiebezugsfläche “Nutzfläche AN” aus dem beheizten Gebäudevolumen, indem sie es mit 0,32 multipliziert. Je nach Geschosshöhe ist das ein mehr oder weniger fiktiver Wert. Im Fall des Sonnenhauses Birner ist die Energiebezugsfläche 195 m² (alt) bzw. 379 m² (neu)… Reine Rechenwerte, wohlgemerkt. In Wirklichkeit leben die Birners aktuell auf 195 m², was gegenüber den früheren 100 m² fast eine Verdoppelung ist.

Dämmung erreicht KfW-Standards

Weitere Zahlenakrobatik ist auch beim KfW-Standard gefragt. Im Zuge der Solarisierung wurde das Haus gedämmt, um den Energiebedarf zu senken. Die U-Werte der Altbau-Wände sanken dadurch auf 0,18 W/m²*K, sodass dieser Gebäudeteil einem KfW-Effizienzhaus 70 entspricht. Der neue Anbau kommt auf einen KfW-Effizienzhaus 55-Standard. Der Nachweis, erzählt Frau Meinel, war gar nicht so einfach: Denn so eine Altbausolarisierung ist eine individuelle Sache und lässt sich nicht ohne Weiteres in das Berechnungsschema der EnEV pressen. Und dass ein Haus 80 % seines Wärmebedarfs allein mit Solarthermie deckt, können sich selbst manche Sachbearbeiter bei der KfW-Bank offenbar nicht vorstellen.

Dass Photovoltaik und Solarthermie sich ergänzen, gehört zum Konzept des Sonnenhauses.
Dass Photovoltaik und Solarthermie sich ergänzen, gehört zum Konzept des Sonnenhauses.

 

Senkung des Heizwärmebedarfs um 90 %

Wegen des sehr schlichten Energiestandards vor dem Umbau ließ sich der frühere Heizwärmebedarf nur schätzen – auf ca. 80.000 kWh im Jahr, das entspricht einem Heizölverbrauch von rund 8.000 l jährlich! Dank Dämmung und Solarthermie konnte der Heizwärmebedarf auf knapp 7.000 kWh pro Jahr gesenkt werden, das entspricht einer Einsparung von über 90 % für das Objekt – und das bei einer Verdoppelung der Wohnfläche. Das heißt, die Einsparung pro Quadratmeter ist eigentlich noch viel größer – von exorbitant auf nahe Null, könnte man salopp sagen. Der spezifische (auf die Energiebezugsfläche von 379 m² bezogene) Heizwärmebedarf beträgt 18,39 kWh/m²*a. Damit unterschreitet das Haus deutlich die Anforderung des Sonnenhaus-Institutes von maximal 40 kWh/m²*a für den Heizwärmebedarf.

Was bedeuten die 12,6 kWh/m²a Primärenergiebedarf?

Der Primärenergiebedarf umfasst zusätzlich zum “eigentlichen” Energiebedarf auch die Energiemenge, die für die Gewinnung, Aufbereitung und den Transport des Energieträgers erforderlich ist. Bei Öl oder Kohle ist dieser Energieaufwand hoch. Der “Rohstoff” Erneuerbare Energie hingegen wird nicht angesetzt; Holz kommt so auf einen Primärenergiefaktor um die 0,2 und Sonnenenergie auf Null. Dazu kommt die Hilfsenergie wie der Strom für die Haustechnik (Pumpen, Steuerung etc.). Auf diese Weise ist der Primärenergiebedarf des Gesamtsystems aus Solarthermie, Nachheizung und Hilfsenergien mit 12,6 kWh/m²*a geringer als der Heizwärmebedarf von 18,39 /m²*a.

Hoher solarer Deckungsgrad macht’s möglich – wozu dann noch der große Holzofen?

Erreicht wird dies durch einen solaren Deckungsgrad von 78 %. D.h. über’s Jahr gesehen werden 78 % des Heizwärmebedarfs jetzt durch Solarthermie bereitgestellt (52 m² Flachkollektoren). Den restlichen Bedarf deckt ein Holzvergaserofen, der mit einer Nennleistung von 40 kW eigentlich überdimensioniert ist (er würde wahrscheinlich ausreichen, um das gesamte Haus ganzjährig und ausschließlich zu beheizen), aber der Bauherr hat ihn so groß gewählt, um größere Holzstücke in die Brennkammer laden zu können. Die Nachheizung braucht 3 – 4 Ster (Festmeter) Stückholz pro Jahr – rechnerisch. Denn in Wirklichkeit, berichtet Frau Meinel, spart die Familie Birner noch konsequenter Energie, als sich das rechnerisch erfassen lässt. Im vergangenen Winter verheizten sie gerade mal 1,5 Ster Holz, also Brennstoff im Wert von um die 150 Euro.

Terrasse, Teich und Treppe laden zum Verweilen ein
Terrasse, Teich und Treppe laden zum Verweilen ein

 

Strom- und Wärmegewinnung ergänzen sich perfekt

Auf dem Dach des Hauses (mittleres Foto) seht ihr die dunkleren Flachkollektoren; die hellen Bauteile außen herum sind eine 5 kWp – Photovoltaikanlage, die den Strombedarf decken hilft; der wurde minimiert, weil die Hausgeräte solarthermisch gewärmtes Wasser nutzen und nur dann laufen, wenn das Stromangebot groß ist. Dass sich Solarthermie und Photovoltaik sinnvoll ergänzen, gehört zum Sonnenhaus-Konzept.

Eine gelungene Solarisierung

Am meisten beeindruckt mich an dem Projekt, dass es eben kein Neubau ist, bei dem man von Anfang alles auf das Heizen mit der Sonne ausrichten konnte. Vielmehr wurde hier ein über 70 Jahre alter Bau aus der Kriegszeit perfekt solarisiert.

Das Sonnenhaus in Zahlen

sanierter Altbau + AnbauAltbau 1942
Nutzfläche nach EnEV359 m²195 m²
Wohnfläche (zu beheizende Fläche)

195 m²100 m²
Jahresheizwärmebedarf7.000 kWh/a80.000 kWh/a (geschätzt)
Primärenergiebedarf12,6 kWh/m²a
Kollektorfläche52 m² Flachkollektoren
Neigung/AusrichtungNeigung 50°, 30° Südabweichung
Speicher4.000 Liter Schichtspeicher
Solarer Deckungsgrad, berechnet78 %
Heizung40 kW Holzvergaserkessel
Brennstoffbedarf3 - 4 Ster Stückholz pro Jahr
Photovoltaik> 5 kWp
DämmstandardAltbausanierung entspricht KfW-Effizienzhaus 70
Anbau (neu) entspricht KfW-Effizienzhaus 55
Sonstige Anlagentechnikdezentrale Lüftung
GebäudeplanungHelga Meinel, Architektin
Planung und Ausführung AnlagentechnikEbersberger Heiztechnik

Quellen: Sonnenhaus-Institut und Architekturbüro Helga Meinel

Fotos: Dr. Thomas Birner