sonnenenergiehaus kosten

Sonnenenergiehaus – ein Fallbeispiel mit echten Zahlen zu Verbrauch und Kosten

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In meinem Interview mit dem Erfinder des Sonnenenergiehaus-Konzepts für Gebäude hatte Gerd Schallenmüller, Vorstand der ReSYS AG, angekündigt, uns für ein Sonnenenergiehaus konkrete Erträge und Verbrauchswerte zu liefern. Und die präsentiere ich Euch hier. Ich warne allerdings gleich vorweg: Dies ist kein gemütliches Lesestück, sondern eine volle Dröhnung an Daten, Zahlen und Fakten zum ersten, von Schallenmüllers Unternehmen vermessenen Sonnenenergiehaus (SEH), das gerade sein erstes Betriebs- und Verbrauchsjahr hinter sich hat. 

Gerd Schallenmüller sagt dazu: Die Verbrauchsdaten des ersten Jahres seien ein absoluter Gradmesser dafür, ob man mit der Sonne ein Einfamilienhaus weitestgehend autark versorgen könne. Schon die Simulationen hätten dem SEH eine Autarkiequote von über 75 Prozent für Wärme und Strom zugeschrieben. „Erreicht haben wir bei Strom 82 Prozent und bei Wärme 84 Prozent!“

Hier sieht man den Pufferspeicher im Technikraum. Foto: ReSYS AG
Hier sieht man den Pufferspeicher im Technikraum. Foto: ReSYS AG

Die Frage, worum es ihm als planender Unternehmer beim ersten SEH vor allem ging, beantwortet Gerd Schallenmüller so: „Ich wollte nachweisen,

  1. dass die Technik in einem normalen Technikraum untergebracht werden kann, weil immer mehr Häuser auf Bodenplatte (ohne Keller) gebaut werden, und
  2. dass die Technik kostengünstig sein kann und trotzdem langlebige Standard-Produkte zum Einsatz kommen – und keine noch nicht ganz fertig entwickelten Dinge wie Stirling oder Brennstoffzelle.“

Über die Datenerfassung zum ersten Verbrauchsjahr des Sonnenenergiehauses

Der Projektträger Jülich (PTJ) begleitee im Rahmen der von der Bundesregierung initiierten Programme “HeizSolar” und “SolSys” per Monitoring drei Jahre lang das Gebäude, erklärt Gerd Schallenmüller. Das Monitoring werde dabei vom ISE (Fraunhofer Institut in Freiburg) durchgeführt.

Mittlerweile seien alle Messeinrichtungen des Fraunhofer Instituts
ISE installiert und die Datenübertragung laufe, allerdings noch nicht online. Die jetzt vorliegenden Daten entstammten Schallenmüller zufolge den Remote-Portalen von SMA (Strom) und Paradigma (Hinweis der Redaktion: Der Solarthermiekollektor-Hersteller Paradigma ist Teil der Ritter Energie, die auch hinter unserem Blog steht).

Im Technikraum sollte dem Wunsch des Bauherrn zufolge Platz für Wäscheständer sein. Foto: ReSYS
Im Technikraum sollte dem Wunsch des Bauherrn zufolge Platz für Wäscheständer sein. Foto: ReSYS

Über die Wünsche des Bauherrn

Der Bauherr wünschte sich langlebige Geräte für die Wärme- und Energieversorgung und außerdem sollte der Technikraum auch Platz für einen Wäscheständer bieten.

Ein Blick auf den platzsparenden Stromspeicher des Beispiel-Sonnenenergiehauses. Foto: ReSYS AG
Ein Blick auf den platzsparenden Stromspeicher des Beispiel-Sonnenenergiehauses. Foto: ReSYS AG
Das Innenleben des Stromspeichers. Foto: ReSYS AG
Das Innenleben des Stromspeichers. Foto: ReSYS AG

Über das Sonnenenergiehaus an sich

Gebäude, Lage und Ausrichtung gen Sonne

Das Sonnenenergiehaus der Familie Kirner wurde 2014 geplant und 2015 in Holzständerbauweise auf Bodenplatte, also ohne Keller, gebaut. Es hat eine Wohnfläche von 161 Quadratmetern (m2). Dazu kommt der für das Sonnenenergiehaus typische Technikraum mit weiteren 14 Quadratmetern. Der 62 Quadratmeter große Dachraum ist bislang nicht ausgebaut. Sollte das einmal anstehen, könnte man zum Beispiel drei Dachfenster im Süd-/Südwestdach einbauen (siehe Grafik zur Dachbelegung unten). Das Dach hat einen Neigungswinkel von 32 Grad und ist 25 Grad gegen West (205 Grad) ausgerichtet. Der Standort des Sonnenenergiehauses ist nahe der Stadt Freiburg, also im Südwesten Deutschlands gelegen.

Die skizzierte Dachbelegung des Sonnenhauses zeigt, dass für drei Dachfenster Platz wäre. Grafik: ReSYS AG
Die skizzierte Dachbelegung des Sonnenhauses zeigt, dass für drei Dachfenster Platz wäre. Grafik: ReSYS AG

Energie-Verbrauch

Das SEH ist ein Haushalt, der aktuell von drei Personen bewohnt wird. Der energetische Standard entspricht laut Gerd Schallenmüller „KfW 40 Plus“. Der Heizwärmebedarf wird mit 3.500 Kilowattstunden jährlich beziffert. Bei diesem Wert seien die etwa 1.800 kWh aus der Lüftung bereits berücksichtigt, sprich: abgezogen. Der Warmwasserbedarf des Haushalts liege bei 2.350 kWh pro Jahr. Der Gesamtenergiebedarf belaufe sich auf 9.200 kWh, wozu man wissen müsse, dass wegen einer häufigen Stagnation in den Kollektoren sehr hohe Verluste aufträten (etwa 3.000 kWh).

Der Kaminofen im Wohnzimmer beliefert das ganze Haus. Foto: ReSYS AG
Der Kaminofen im Wohnzimmer beliefert das ganze Haus. Foto: ReSYS AG

Heizen und Warmwasserbereitung

In allen Räumen des Sonnenenergiehauses seien Flächenheizungen in Form von Fußbodenheizungen installiert worden. Es gebe einen Kaminofen für Holz und Holzpellets. Der sei an den Wärmespeicher EXPRESSO II 1100 mit Frischwasserstation angeschlossen, er beheize somit nicht nur den Raum, in dem er aufgestellt sei, sondern das ganze Gebäude.

Auf dem Dach wurden:

  • eine 20 m2 große Solarthermieanlage mit Vakuumröhrenkollektoren des Typs CPC Aqua Plasma 19/50 (im Technikraum  – siehe Grundriss unten – steht ein Frischwasser-Wärmespeicher mit 1.040 Litern Fassungsvermögen)
  • sowie eine Photovoltaikanlage mit 20 Solarmodulen á 260 Watt, in Summe also 5.200 Watt, installiert.

Es gebe einen Stromspeicher, der brutto 3,7 kWh Strom speichern könne, der zugehörige Wert Nutzenergie liege bei 2,96 kWh, der Entladungsgrad beziehungsweise die Entladetiefe (DoD = Deep of Decharge) bei 80 Prozent. Erwähnenswert: Während Backofen, Grill und Mikrowelle elektrisch betrieben würden, wünschte sich der Bauherr zum Kochen einen Gasherd.

Es gebe des Weiteren eine kontrollierte Wohnraumlüftung (KWL) mit Wärmerückgewinnung (WRG) sowie eine zentrale Hausstaubsauganlage, berichtet Gerd Schallenmüller.

Der skizzierte Grundriss des Technikraums des Sonnenenergiehauses zeigt nicht nur, wo dei technischen Komponeneten Platz haben, sondern auch den Platz für den Wäschetrockner. Grafik: ReSYS AG
Der skizzierte Grundriss des Technikraums des Sonnenenergiehauses zeigt nicht nur, wo dei technischen Komponeneten Platz haben, sondern auch den Platz für den Wäschetrockner. Grafik: ReSYS AG

Die Entscheidung für den Kaminofen für Pellets und Scheitholz sei auf Grund der geringen Restenergiemenge gefallen, die noch nachgeheizt werden müsse, erklärt Gerd Schallenmüller: „Tausend Kilowattstunden entsprechen einem halben Ster Holz oder 15 Säcken Pellets oder 100 Kubikmetern Erdgas. Da noch ein E-Heizstab vorhanden ist, können die Bewohner auch mal heizen, ohne den Ofen anzufeuern. Dies ist nur eine Preisfrage. Die Kilowattstunde Erdgas kostet 5,8 Cent, die kWh Holz oder Pellets 5 Cent, die kWh Erdgas 5,7 Cent und der Haushaltsstrom kostet 26 Cent pro kWh.“

Energetische Maßnahmen am Gebäude

Als energetische Maßnahmen sind beim Beispiel-SEH zu erwähnen:

  • Wandsystem Övo Natur Plus von WeberHaus (U-Wert laut Anbieter: ÖvoNatur: U = 0,15 W/m ²K, bei ÖvoNatur Therm U = 0,12 W/m ²K) Holzständerwand ÖvoNatur mit insgesamt 40 Zentimeter (cm)
  • Perimeter-Dämmung unter der Bodenplatte mit 20 cm,
  • 3-fach-verglaste Fenster
Die Wärmemenge, die die einzelnen Komponenten der Heizung des SEH liefern, wird mit Wärmemengenzählern gezählt. Foto: ReSYS AG
Die Wärmemenge, die die einzelnen Komponenten der Heizung des SEH liefern, wird mit Wärmemengenzählern gezählt. Foto: ReSYS AG

Über die Solarerträge & Co. des Sonnenenergiehauses

Folgende Angaben machte Gerd Schallenmüller zum ersten Verbrauchsjahr des Sonnenenergiehauses:

  • Die Solarthermie-Anlage erwirtschaftete 6.865 kWh Sonnenwärme im ersten Verbrauchsjahr.
  • Aus der Anlage zur kontrollierten Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung ergaben sich 1.400 kWh im selben Zeitraum.
  • Der Kaminofen erzeugte aus etwa fünf Sack Pellets à 15 Kilogramm (kg) und 316 Scheit Holz eine Wärmemenge von 1.202 kWh/a.
  • Der eingesetzte E-Heizstab erzeugte bei einer Probeheizung 25 kWh/a.
  • Die Photovoltaik-Anlage fuhr 5.850 kWh Sonnenstrom ein. Davon wurden im dokumentierten Zeitraum 3.268 kWh in das öffentliche Netz eingespeist, wofür man eine Einspeisevergütung kassierte, während der Stromverbrauch des Haushalts 2.566 kWh betrug. Aus dem Netz bezog man 476 kWh Strom im Verbrauchszeitraum.
Ein Blick auf die Annlage zur kontrollierten Wohnraumlüftung und die Hausstaubsauganlage. Foto: ReSYS AG
Ein Blick auf die Anlage zur kontrollierten Wohnraumlüftung und die Hausstaubsauganlage. Foto: ReSYS AG

Energie-Ersparnis, Energiekosten, Autarkie-Grade im ersten Verbauchsjahr

Laut Aussage von Gerd Schallenmüller habe das Sonnenenergiehaus eine „finanzielle Autarkie“ von 100 Prozent. Wenn man den Strombezug aus dem Netz und die Kosten für den Brennstoff Holz (Scheitholz plus Holzpellets) sowie die Stromkosten für die Wärme von der Einspeisevergütung abziehe, verblieben demnach immer noch 200 Euro als Jahresgewinn. In seiner Wärmeeinschätzung schreibt Schallenmüller: „Das erste Mal musste am 15. Oktober 2015 nachgeheizt werden, weil die Temperatur im Speicher oben auf 50 Grad Celsius abgesunken ist. Dann musste in den ersten vier Novembertagen wieder mit dem Kaminofen ein wenig (etwa sechs bis acht Scheite Holz) nachgeheizt werden. Das letzte Mal wurde der Kaminofen vom 2. bis 5. März 2016 benötigt, insgesamt war er an 76 von 182 Tagen der Heizperiode in Betrieb.“

prognostizierte-und-tatsaechliche-energiekosten
Die Tabelle zeigt den Vergleich der geplanten und tatsächlichen Energiekosten für Wärme und Strom. Grafik: ReSYS AG

Fazit des Planers

Das Fazit von Gerd Schallenmüller zum SEH: „Während bisher solarthermische Großanlagen immer auch riesige Puffervolumina (5.000 bis 20.000 Liter Volumen) benötigen, wird hier nachgewiesen, dass mit hocheffizienten Kollektoren und einem völlig normalen Frischwasser-Wärmespeicher Ein- oder Zweifamilienhäuser versorgt werden können. Die Autarkie erreicht dabei über 80 Prozent für Wärme und Strom. Architektonische Sonderlösungen sind nicht erforderlich, weil der Wärmespeicher in einem normalen Technikraum Platz findet. Die erwähnten großen Pufferspeicher dagegen benötigen eine Stellfläche über zwei oder gar drei Stockwerke hinweg.

Die Planung für den Strom ergab für das Beispiel-SEH eine eher kleine Photovoltaikanlage und ebenso einen kleinen Stromspeicher. Damit konnten immerhin 82 Prozent des Stroms direkt von der Sonne genutzt werden. Aus der Erfahrung wissen wir, dass jedes weitere Prozent Autarkie in keinem guten finanziellen Verhältnis mehr zum Ergebnis steht.“

Gerd Schallenmüller, wir danken Ihnen für diesen spannenden Input!

Fotos & Grafiken: ReSYS AG