Warum die Änderung der Förderpolitik von Solarthermie dringend notwendig ist

Warum die Änderung der Förderpolitik von Solarthermie dringend notwendig ist

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Wir haben heute Dr. Frank Freimuth zum Interview geladen. Er ist Geschäftsführer der INTERENA GmbH, einer der führenden Köpfe für nachhaltiges Wirtschaften in Deutschland und Protagonist einer ertragsbezogenen Förderung der Solarthermie. Es scheint als würde sich hier tatsächlich etwas bewegen. Wir haben mittlerweile auch eine neue Stellungnahme aus dem Ministerium bekommen, aber dazu ein andernmal mehr. Heute sprechen wir mit Herrn Dr. Freimuth und er findet sehr deutliche Worte.

Herr Dr. Freimuth, warum ist eine Änderung der Förderpolitik bei Solarthermie dringend notwendig?

Die aktuelle Förderpraxis in Deutschland ist ungeeignet, um die großen Potentiale der Solarthermie zu entfalten. Sie hemmt Innova­tionen und Qualitätsentwicklung und verhindert eine international konkurrenzfähige Ent­wicklung des deutschen Solarthermiemarktes. Wenn alles so bleibt wie es ist, dann wird es auch nicht in ausreichendem Maß gelingen, den Anteil der Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien wesentlich zu steigern. Kurzum: Aufgrund der aktuellen Richtlinien ist die heutige Förderpolitik für die Solarthermie eine Verhinderungspolitik.

Die aktuelle Förderpolitik ist eine Verhinderungspolitik. Das sind deutliche Worte. Worauf ist das genau zurückzuführen?

Heute erfolgt die Förderung der Solarthermie in Deutschland im Rahmen des „Marktanreizpro­gramms“. Gefördert wird die Bruttokollektorfläche Man kann sagen: Je größer die Kollektorfläche ist, desto mehr „Staatsknete“ gibt es.

Demensprechend treibt die aktuelle Förderpraxis merkwürdige Blüten: Sie führt z.B. dazu, dass die solar erzeugte Kilowattstunde in Abhängigkeit vom jeweiligen Kollektortyp in völlig unterschiedlicher finanzieller Höhe bezuschusst wird. Gerade die ertragreichsten Systeme werden aufgrund zusätzlicher bürokratischer Anforderungen – wie etwa dem Mindestspeichervolumen – ggf. überhaupt nicht gefördert. Durch die Förderung nach Bruttokollektorfläche wird außerdem de facto die verbrauchte Dachfläche gefördert. Die erzeugte Solarenergie bzw. die eingesparte Primärenergie wird demgegenüber nicht hono­riert. Das ist geradezu absurd.

Vor allem aber geht es darum: Faktisch ist Solarthermie wirtschaftlich leistungsfähig und hat gigantische Potentiale für die Energiewende, Klimaschutz und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Daran muss sich eine zukunftsfähige Förderpolitik ausrichten. Und daran müssen sich auch die politisch Verantwortlichen messen lassen. 

Zweifellos hat die Solarthermie erhebliche Potentiale, die bisher nicht ausgeschöpft werden. Auf welchem Weg kann das passieren?

Man tut gut daran, sich hin und wieder daran zu erinnern, dass die aktuellen Förderrichtlinien Teil eines Programm sind, das den Markt „anreizen“ soll. Deshalb heißt es ja auch „Marktanreizprogramm“ und nicht „Bürokratie-Programm“. Es geht nämlich um unsere Steuermittel, mit denen verantwortungsbewusst umgegangen werden muss.

Es ist übrigens gar nicht zu bestreiten, dass die aktuelle Fördersystematik bei Einführung des Marktanreizprogramms vor vielen Jahren sinnvoll gewesen ist. Heute ist sie allerdings längst nicht mehr zeitgemäß – allein schon, weil sie den internationalen Standards überhaupt nicht mehr gerecht wird. Die Überarbeitung der Förderrichtlinien des Marktanreizprogramms ist deshalb überfällig. Sie müssen dringend an den Stand der Technik und die aktuelle Marktentwicklung angepasst werden.

Wie kann eine zukunftsgerichtete Förderpolitik aussehen, die die Potentiale der Solarthermie erschließt?

Die ertragsbezogene und zielgenaue Förderung der Solarthermie ist heute auf effektive, praktikable und zeitgemäße Weise möglich. Erforderlich ist die Kopplung an die „Solar Keymark“. Das ist der europaweit von der Industrie akzeptierte Standard, der u.a. die Leistungs­fähigkeit eines Kollektors definiert. Durch die direkte Kopplung an einen Index mit realem Bezug zur Leistung würde eine dringend notwendige Transparenz im Kollektor­markt geschaffen. Leistungsfähige Kollektor erhielten so eine höhere Förderung pro Quadratmeter als leistungsschwache Kollektoren und es würden die heute erforderlichen Impulse für Ertragssteigerung und Kostensenkungen in der Solarthermie gegeben. Eine solche Regelung wäre wirklich wegweisend für die erneuerbare Wärme in Deutschland.

Wie stellt sich die Politik zu einer ertragsbezogenen Förderung?

Es ist noch gar nicht so lange her, daß die Notwendigkeit und die Möglichkeiten der ertragsbezogenen Förderung der Solarthermie kaum gesehen wurden. Ihre Befürworter galten als eine kleine radikale Minderheit. Das hat sich durch die Kraft der Argumente inzwischen substantiell geändert und wir werden immer mehr. Das gilt auch für die Politik. Hier gibt es inzwischen viele Vertreter dieser Position. Dabei denke ich z.B. an kompetente und einflussreiche Abgeordnete des Deutschen Bundestags. Das gilt übrigens für alle Fraktionen. Ich denke aber auch an maßgebliche Minister und Abgeordnete auf der Ebene der Bundesländer. Und die Zahl der Befürworter steigt weiter. Das ist auch wichtig, denn so wie heute kann es definitiv nicht weitergehen. Es gilt schlicht und ergreifend: “Wer die Möglichkeiten der Solarthermie nicht kennt, der hat die Energiewende verpennt.

Wer ist verantwortlich für die notwendigen Änderungen und wie geht es jetzt weiter?

Seit der letzten Novellierung des Marktanreizprogramms im Jahr 2012 hat sich politisch Vieles verändert. Es gibt in Berlin eine andere Koalition und aus meiner Sicht widerspricht die aktuelle Förderpraxis auf dem Gebiet der Solarthermie ganz klar dem Geist des Koalitionsvertrags.

Auch die unmittelbaren Zuständigkeiten für die Förderrichtlinien haben sich geändert. Sie liegen jetzt nicht mehr im Umweltministerium, sondern im Ministerium für Wirtschaft und Energie. Bekanntlich kehren neue Besen gut – aber ob alle Ebenen des Ministeriums bei der Vorbereitung der Novellierung „den Schuss“ schon ausreichend gehört haben, kann ich nicht beantworten. Wie ich aber Sigmar Gabriel kenne, hört er persönlich auf vernünftige, tragfähige Lösungen und wird sehr genau darauf achten, dass bürokratische Argumente nicht politisch handlungsleitend bei der Bewältigung der Energiewende werden. Ebenso wenig handlungsleitend werden darf die Angst vor Veränderungen oder Interessenlagen, die nicht in erster Linie die nicht die Zukunft der Solarthermie im Auge haben. Mit Blick auf eine Novellierung des Marktanreizprogramms ist nämlich sonnenklar: Die ertragsbezogene Förderung der Solarthermie muss jetzt her. Jede Unterstützung dafür ist aktuell wichtig.

Vielen Dank für diese klaren Worte. Uns interessiert natürlich was unsere Leser und Leserinnen davon halten. Doreen wird bald auch noch etwas tiefer in die Thematik einsteigen.