Wie Mieter von der Energiewende profitieren

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“Die größten Profiteure der Energiewende sind Hausbesitzer, Landwirte und Energiegenossenschaften.” Dieser Vorwurf ist oft zu hören, wenn es um die Akzeptanz der Energiewende in der breiten Bevölkerung geht. Nur Menschen mit eigenem Dach oder Grundstück hätten die Möglichkeit erneuerbare Energie-Anlagen zu errichten und Vergütungen zu kassieren oder die Energie selbst zu nutzen. Mieter wären dagegen die Zahler der Energiewende, sie hätten keine Möglichkeit sich an der Energiewende zu beteiligen. Doch dieses Bild wandelt sich. Im heurigen Jahr haben auffällig viele Anbieter begonnen, Geschäftsmodelle für Mietparteien zu starten. Auch diese können nun Strom und Wärme vom eigenen Dach ernten, wie ein Hausbesitzer. Wir haben den Energieexperten und Buchautor Roger Hackstock zum Interview gebeten um nachzufragen, ob hier ein neuer Trend entsteht, um Mieter künftig stärker in die Energiewende einzubinden.

Cornelia Daniel-Gruber für Ecoquent Positions: Herr Hackstock, Sie sagen in Zukunft werden auch Mieter mehr von der Energiewende profitieren. Woher nehmen Sie diese Zuversicht?

Roger Hackstock: Die Energiewende war bisher vor allem eine Sache von Privaten und Betrieben, die ihre Gebäude oder Grundstücke nutzen um erneuerbare Energie zu ernten. Fast zwei Drittel aller Ökostromanlagen in Deutschland sind im Besitz von Privatpersonen, Landwirten oder Gewerbetreibenden, wie die Statistik zeigt.  Mieter haben diese Möglichkeit nicht und sind daher grundsätzlich benachteiligt, wenn es um die Energiewende geht. Zumindest war das bisher so. Dieses Bild beginnt sich jedoch langsam zu wandeln, in immer mehr Städten wird seit heuer auch Mietern in Mehrfamilienhäusern angeboten, Energie vom eigenen Dach zu beziehen. Damit folgt Solarstrom dem Weg der Solarwärme, wo die Energie der Solaranlage am Dach schon immer direkt vor Ort genutzt wurde.

Ecoquent Positions: Steht dem nicht der klassische Mieter-Vermieter Konflikt entgegen?

Roger Hackstock: Bisher war das so, das stimmt. Die stark gesunkene Einspeisevergütung für Solarstrom hat aber dazu geführt, dass nach neuen Geschäftsmodellen gesucht wird, um  den Strom gleich direkt vor Ort zu verkaufen. Ein paar findige Ökostromanbieter haben Wege gefunden den Mieter-Vermieter Konflikt zu umgehen, indem sie die Errichtung und den Betrieb der Anlagen selbst übernehmen. Ein Beispiel ist die Naturstrom AG, die seit Anfang 2014 gemeinsam mit der Heidelberger Energiegenossenschaft HEG Photovoltaikanlagen auf Mehrfamilienhäusern errichtet. Die Mietparteien schließen mit den Unternehmen einen Liefervertrag ab, der günstiger ist als der örtliche Stromtarif. 116 Mietparteien in sieben Mehrfamilienhäusern haben dieses Angebot bereits angenommen, sie zahlen 25,4 Cent pro kWh und eine monatliche Grundgebühr von 6,95 Euro. Beim örtlichen Stromversorger kostet der Strom fast 28 Cent pro kWh und die Grundgebühr ist höher. Die Mieter erhalten dafür Solarstrom vom eigenen Dach und – wenn der nicht ausreicht – zertifizierten Ökostrom aus dem Netz. Damit haben auch Mieter die Möglichkeit sich zum Teil mit selbst produziertem Strom zu versorgen. Seit März 2014 haben Mieter in Berlin die Möglichkeit, einen Mix aus Solarstrom vom Dach und Ökostrom aus dem Netz zu beziehen. Die Photovoltaikanlagen auf den 50 Mietshäusern im Gelben Viertel in Berlin Hellersdorf wurden bereits 2012 errichtet, erst jetzt haben die Mietparteien jedoch die Möglichkeit den Strom direkt vom Dach zu beziehen. Der Ökostromanbieter LichtBlick bietet den Strommix vom Dach und aus dem Netz um 25 Cent pro kWh an, was 3 Cent billiger ist als andere Stromtarife. Bisher sind 230 Mieter auf den Strom vom eigenen Dach umgestiegen. Wenn die Kosten für Solarwärme sinken, machen solche Modelle in Zukunft auch für die Wärmelieferung Sinn.

Ecoquent Positions: Bei der beschränkten Marktmacht der Ökostromanbieter wird es aber noch dauern, bis sich dieses Geschäftsmodell großflächig durchsetzt.

Roger Hackstock: Es müssen nicht immer nur Ökostromanbieter sein, die das umsetzen. Die Eigenstromnutzung ist wirtschaftlich attraktiv geworden, das ruft auch neue Akteure auf den Plan an die man im ersten Moment nicht denkt. In Baden-Württemberg ist zum Beispiel der japanische Elektronikkonzern Toshiba in das Geschäft eingestiegen, Mieter mit Solarstrom vom Dach ihres Mehrfamilienhauses zu versorgen.  In Villingen-Schwenningen und Ostfildern hat der Konzern auf mehreren Häusern Photovoltaikanlagen zwischen 10 und 30 Kilowatt installiert. Mit insgesamt drei Megawatt Solarleistung werden seit März 2014 etwa 750 Mieter mit Solarstrom vom eigenen Dach versorgt. Was die Sonne nicht schafft, wird aus dem Stromnetz zugekauft, wie bei den anderen Beispielen. Jetzt könnte man vermuten, bei Toshiba kommen nur asiatische Produkte zum Zug. Das war aber nicht der Fall, es sind auch Module von deutschen Anbietern wie Solarworld verbaut. Interessant ist, dass Toshiba damit nicht in erster Linie die Energiewende in Deutschland voranbringen will. Der Konzern sieht das eher als einen neuen Weg, seine Regelelektronik zu vermarkten.

Ecoquent Positions: Die genannten Beispiele stammen alle aus Deutschland. Bewegt sich auch in anderen Ländern etwas in dieser Richtung?

Roger Hackstock: Bei Solarstrom vom eigenen Dach für die Mieter im Mehrfamilienhaus ist Deutschland momentan vorn, solche Beispiele kenne ich aus keinem anderen Land. Was es auch in Österreich gibt, ist die Beteiligung an Gemeinschaftsanlagen. Damit hat man als Mieter die Chance zumindest finanziell an der Energiewende teilzuhaben. Das geht bereits mit relativ bescheidenen Beträgen, die sich auch Familien mit kleinerer Brieftasche leisten können. Im Land Salzburg kann man zum Beispiel seit heuer um 400 Euro ein Modul einer großen Photovoltaik-Anlage erwerben, die vom Stromversorger Salzburg AG errichtet wird. Die Anlage mit einer Leistung von 363 Kilowatt ist auf sechs Standorte verteilt, vom Dach des Zentrallagers der Salzburg AG über ein Werkschulheim bis zu einem Bahnhofsgebäude. Man bekommt zwölf Jahre lang eine Verzinsung von drei Prozent ausbezahlt, also pro Modul zwölf Euro im Jahr. Nach Ablauf dieser Zeit bekommt man seine 400 Euro zurück und die Module gehen ins Eigentum der Salzburg AG. Das Interesse in der Bevölkerung an solchen Beteiligungsmodellen ist enorm, alle 1.454 Module waren am ersten Tag ausverkauft. Auch in Wien hat es Ende letzten Jahres nur zwei Tage gedauert, bis zwei Gemeinschaftsanlagen mit insgesamt 175 Kilowatt Solarleistung vergeben waren.  Die Module wurden am Dach eines Lebensmittelmarktes installiert, ein Modul kostete 950 Euro. Dafür erhält man 25 Jahre lang jährlich 60 Euro in Form von Einkaufsgutscheinen des Marktes. Das entspricht einer Verzinsung von rund fünf Prozent. 

Ecoquent Positions: Das betrifft alles vor allem die Photovoltaik. Könnte das auch ein Modell für Solarwärme sein?

Roger Hackstock: Das habe ich mich auch lange Zeit gefragt. Ende letzten Jahres hat die steirische Solarfirma SOLID zum ersten Mal so ein Modell für Solarwärme-Gemeinschaftsanlagen gestartet.  In nur zwei Wochen waren 350.000 Euro beisammen, mittlerweile sind fast 1,5 Millionen Euro gezeichnet. Die Mindestbeteiligung war 2.000 Euro, was zwar deutlich höher ist als bei den Solarstromanlagen aber auch für Familien in Mietwohnungen immer noch leistbar, wie die Zusammensetzung der Anleihenzeichner zeigt.  Das interessante an diesem Modell ist, dass die Beteiligung ein Privatdarlehen ist, welches nicht ins Stammkapital der Firma aufgenommen wird sondern ein Rechtsanwalt als “Sondervermögen” verwaltet, aus dem die Projekte finanziert werden. Dieses Vorgehen bietet einen höheren Beteiligungsschutz für die Anleger, weil sie im Falle einer Insolvenz der Firma gleichrangig wie Zulieferer und andere Gläubiger behandelt werden, statt sich ganz hinten in der Reihe anstellen zu müssen. Aber auch bei diesem österreichischen Modell geht es nur um Gemeinschaftsmodelle und nicht Mietmodelle, dazu fehlt wohl unter anderem auch die gesetzliche Grundlage.

Ecoquent Positions: Wieso braucht es bei erneuerbaren Energie-Anlagen einen erhöhten Beteiligungsschutz?

Roger Hackstock: Bei der finanziellen Beteiligung an einer Gemeinschaftsanlage trägt man auch ein kleines Stück unternehmerisches Risiko mit, was den privaten Anlegern meist nicht bewusst ist. Natürlich ist erneuerbare Energie keine Risikotechnologie, man muss sich also keine allzu große Sorgen machen. Dennoch können Gesetzesänderungen oder Preisdumping am Markt den Errichtern solcher Anlagen ganz schön zusetzen, wie die Entwicklung in Deutschland in jüngster Zeit gezeigt hat. Es ist daher wichtig, dass die Geschäftsmodelle jenen möglichst viel Sicherheit bieten, die aus innerer Überzeugung investieren – darunter auch Mieter, die keine Möglichkeit zur Investition in eine eigene Anlage haben. Wenn sich immer mehr Mieter an Gemeinschaftsanlagen beteiligen oder Energie vom Dach ihres Mehrfamilienhauses beziehen, dann verhilft das der Energiewende zu einer noch breiteren gesellschaftlichen Akzeptanz, die wir für die nächsten Schritte brauchen.

Vielen Dank für das interessante Interview. Das macht ein wenig Mut aber man sieht, dass auch hier die Photovoltaik viel innovativer und offensiver vorgeht auch wenn die Regierung dieses Thema in der EEG Novelle nicht berücksichtigt hat und noch immer einiges an Unsicherheit im Markt herrscht. Im Mietrecht gibt es noch viel zu tun, damit das Investor- Nutzer- Dilemma nicht erhalten bleibt. Es gibt derzeit vor allem bei Wärme eben keinen Anreiz für den Investor eine Anlage zu bauen die günstige Betriebskosten ermöglicht. Hier müsste aber auch die Branche mit Vorschlägen an die Regierung herantreten. Hier vermisse ich ein wenig die Eigeninitiative, oder kriegen wir das nur nicht so richtig mit?