Medien & Klimawandel: Journalistisches Selbstverständnis beeinflusst Berichterstattung – eine Nabelschau

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Während sich weltweit Klimaforscher einig sind, dass es einen Klimawandel gibt und dieser vom Menschen handgemacht ist (deshalb auch „anthropogener Klimawandel“ genannt), und trotz der wissenschaftlich begründeten Strategien, die von den  Klima-Experten vorgeschlagen werden, fehlt es offensichtlich an Einigkeit seitens der internationalen Staatengemeinschaft, um gemeinsame, nachhaltige und vor allem: klimarettende Maßnahmen wie beispielsweise eine konsequente Energiewende, weg von fossilen Brennstoffen hin zu Erneuerbaren Energien, zu ergreifen. Warum?

Wissenschaft, Politik und Medien

Ganz klar: Der politische Prozess, aus Theorie (Liefern eines wissenschaftliches Ergebnisses zum Klimawandel und einer daraus resultierenden Strategie) Praxis werden zu lassen (klimarettende Maßnahmen umzusetzen), ist langwierig, insbesondere, wenn es um weltumspannende Maßnahmen geht. Und: Er wird nicht nur von Wissenschaftlern, Politikern und Ökonomen gestaltet, sondern maßgeblich von den Medien beeinflusst. Medienforscher befassen sich bereits seit längerer Zeit mit Fragen wie „Welche Rolle spielen die Medien bei der Information über den Klimawandel?“ und „Wie beeinflussen die Medien die Klimapolitik?“. Zum entsprechenden Forschungsstand werde ich demnächst hier auf dem Blog mal ein bisschen mehr schreiben, versprochen.

Zurück zur Sache: Inzwischen gibt es eine ganze Reihe Fakten, insbesondere aus den USA, die eine Einflussnahme der Medien auf diesen politischen Prozess belegen. Gerade vor der Veröffentlichung des 5. Weltklimareports des Weltklimarats IPCC, konnte man Erstaunliches beobachten: Eine Art Kampagne gegen die zu erwartenden Daten der zig Wissenschaftler, die am Weltklimareport mitgeschrieben haben, wurde in renommierten Zeitungen wie Washington Post, New York Times und Wall Street Journal seit Wochen betrieben. Hier gibt’s dazu mehr Infos.

Auch Cornelia ist in ihrem Artikel „Massenmedien bereiten medialen Boden für IPCC-Bericht“ anschaulich auf die auffällige Disbalance in der Berichterstattung zum 5. Klimareport eingegangen.

Und diese Disbalance ist nix Neues: Wer sich auf Wikipedia mal ein bisschen einliest, findet dort internationale Belege für „Konflikte zwischen einzelnen Klimaforschern und Medien“ ebenso wie für die allgemeine unausgewogene mediale Berichterstattung zum Thema Klimawandel.

Zu viele Infos verderben die Meinungsbildung?

Nun gibt es zum Klimawandel unendlich viele Informationen aus unterschiedlicher Hand. Und die sind Quelle für politische, sozioökonomische und ökonomische Entscheidungen auf Regierungsebene ebenso wie auf der Ebene des einzelnen Verbrauchers. Denn dank Multimedia, Social Media & Co. kann sich theoretisch jeder Einzelne mit Infos versorgen, auch der Otto-Normal-Verbraucher. Die Crux an der Sache ist die Flut an Infos, der man sich bei bestem Recherchewillen ausgesetzt sieht. Doch nicht nur die Quantität ist problematisch, auch die Qualität: Wer sich unabhängige, idealerweise objektive Infos beschaffen will, scheitert oft, denn es ist vielerorts nicht ersichtlich, wer als „Lieferant“ hinter den Daten steckt beziehungsweise noch eine oder mehr Ebene/n dahinter, beispielsweise als Investor einer Studie.

Hinzu kommt, dass Daten optisch hübsch aufbereitet werden, was den Anschein von Professionalität erweckt – zumindest bei denen, die sie als Otto-Normal-Verbraucher konsumieren. Dass viele der Grafiken dennoch fehlerbehaftet sind, weil sie beispielsweise auf Basis von aus dem Zusammenhang gerissenen Daten erstellt wurden, erkennen oft nur Profis – das ist leider eine bittere Tatsache.

Journalisten – Rollenselbstverständnis beeinflusst Meinungsbildung

Ein Großteil der Journaille ist in Sachen Klimawandel kein Experte, selbst als Bio-affiner Journalist schließe ich mich davon nicht aus (doch dazu gleich mehr). Die meisten Journalisten sind – wenn auch in der Recherche versierte und wortgewandte – bei diesem Thema Normalverbraucher. Dennoch spielen Journalisten als Übermittler, Verbreiter und Erklärer von Informationen zum Klimawandel eine große Rolle bei der Rezeption derselben. (Zeige mir, wie Du schreibst – und ich sage Dir, wer Du bist / oder wer Dich bezahlt …) Deshalb kommt es hierbei sehr wohl auf deren berufliches Selbstverständnis an. Das wiederum ist seit langem Forschungsgegenstand mit vielen Ergebnissen. Zum einen gibt es dort klassische Unterschiede zwischen dem Selbstverständnis von Journalisten aus dem angelsächsischem, dem nordamerikanischen und dem europäischen Raum. Zum anderen unterliegt das Rollen- und Aufgabenverständnis auch dem gesamtgesellschaftlichen Wandel. Erste Einblicke in die Theorie dazu findet man hier.

Ganz grob könne man demnach laut der Kommunikationswissenschaftlerin Elisabeth Noelle-Neumann zwei Journalistengruppen unterscheiden, heißt es bei Wikipedia: „In verschiedenen Untersuchungen zeigte sich bei deutschen Journalisten eine Dominanz der eher aktiven und teilnehmenden Rolle mit dem Ziel, den gesellschaftlichen und politischen Prozess selbst zu beeinflussen, während in angelsächsischen Ländern die Rolle des Informationsvermittlers an oberster Stelle der Wertehierarchie steht.“ Und die ebenfalls von der Enzyklopädie zitierte Meinungsforscherin Renate Köcher spricht demnach vom “Anspruch auf geistige Führung” (deutsche Journalisten) und “skrupellose(r) Recherchebegeisterung” (britische Journalisten).

Die Frage ist, wie erfüllt der Journalist, der zum Klimawandel berichtet, seine Rolle? Lässt er sich bei der Berichterstattung gegebenenfalls  von der

  • politischen Ausrichtung seines Mediums
  • von Lobbyisten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft
  • oder von seiner (subjektiven) Meinung

beeinflussen? Und wie genau beeinflusst das seine Arbeit? Ich kann die Fragen nur für mich beantworten.

Journalistisches Rollenselbstverständnis – (m)eine Nabelschau

Ich bin Politikwissenschaftlerin und klassisch ausgebildete Journalistin, soll heißen: via Volontariat und Journalistikstudium. Ich habe seit den 1990ern die für mich immense Bedeutung von Werten wie Glasnost und Perestroika verinnerlicht und zähle sie bis heute zu den Selbstverständlichkeiten meiner Rolle als Journalist. Ich bin als solcher ein Dienstleister, der Informationen sucht und verständlich aufbereitet, wobei ich mich bemühe, jede Quelle aufzuzeigen. Ich weiß, wie schwer das mitunter ist. Ich weiß auch, dass weder ich noch einer meiner Kollegen losgelöst von Raum und Zeit und schon fast gar nicht nur um der Energiewende willen schreibt. Wir müssen ja auch irgendwie irgendwovon leben, sprich uns bezahlen lassen. Unabhängigkeit ist für mich deshalb nicht absolut, sondern unabhängiges Berichten ein täglich zu erarbeitender Wert. Dennoch erlaubt mir meine berufliche Selbständigkeit die Wahl meiner Quellen, die Wahl meiner Worte – mitunter eher als einem festangestellten Journalisten, der ich im Übrigen auch jahrelang war.

Kurz: Mir als „Bio-Journalist“ und als umweltbewusster Verbraucher reicht der wissenschaftliche Konsens zum anthropogenen Klimawandel – den lieferte der IPCC bereits mit seinem Sachstandsbericht Nr.4 – um mich für die Energiewende zu engagieren. Ich weiß, dass Wissenschaft genauso wenig 100prozentige Prognosen zum Klimawandel liefern kann, wie 100prozentig sichere Beweise, dafür oder dagegen. Deshalb erwarte ich diese auch nicht!

Meine Frage an die politischen Entscheider dieser Welt lautet daher immer noch: Wie viele wissenschaftliche Belege braucht Ihr Politiker und Ökonomen noch für den von uns verursachten und in den vergangenen Jahrzehnten enorm beschleunigten Klimawandel, um endlich Seite an Seite mit mir dagegen anzugehen?

Foto: suze / photocase.com