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Was ist Heizwasser? (4) – Was in Heizwasser an Bakterien & Co. lebt

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Was wächst bei dir im Heizungsrohr? Wenn wir hier in unserer Reihe zu Heizwasser (die vorhergehenden Artikel 1, 2 und 3 sind unten verlinkt) über dessen erwünschte (Soll) und tatsächliche Qualität (Ist) reden und die Probleme aufzeigen, die Heizwasser eurer Heizungsanlage bereiten kann, dann darf ein Thema nicht fehlen: die Durchsetzung des Heizwassers mit Mikroorganismen. Schau’n wir doch mal, was da so an Bakterien, Pilzen und Algen im Heizwasser lebt und was diese dort treiben.

Das Grundprinzip „Wo Wasser ist, ist Leben“ trifft selbstverständlich auch auf Heizungen zu. Denn in jedem Wasser, auch Trinkwasser, lebt irgendwas. Die zulässige Menge der Lebewesen in Trinkwasser ist hierzulande in der Trinkwasserverordnung geregelt. 100 sogenannte koloniebildende Einheiten, kurz: KBE, seien demnach in 100 Milliliter Trinkwasser erlaubt. Und so sind Bakterien, Pilze und Algen ein Faktor, der auch die Qualität von Heizwasser  mitbestimmt.

Warum Bakterien & Co. im Heizwasser Probleme machen

Mit ein paar  Mikroorganismen kommt Heizwasser klar. Doch ein Zuviel verursacht chemische Reaktionen, die problematisch für den Betrieb der Heizungsanlage sind. So scheiden Bakterien bei der Verstoffwechselung ihrer Nahrung Schwefelwasserstoff und Säuren aus, beispielsweise

  • Schwefelsäure
  • und Salpetersäure.

Das führt dazu, dass sich der pH-Wert des Heizwassers im geschlossenen Heizkreis verändert: Er sinkt. pH-Werte um 5 seien laut Berichten aus der Praxis dabei keine Seltenheit.

Ein zu niedriger pH-Wert bedeutet saures Heizwasser. Und das wiederum verursacht verschiedene Arten von Korrosion. Korrosion schadet den Werkstoffen der Heizungsanlage, insbesondere den Teilen, die aus Stahl bestehen. Mehr dazu könnt ihr in Teil 3 der Heizwasser-Serie nachlesen. Stark ausgeprägte Biofilme können zur Entzinkung von Kupfer-Zink-Legierungen wie Messing mit mehr als einem Fünftel Zink führen.

Woran ihr keimbelastetes Heizwasser erkennt

Sichtbares Anzeichen der Keimbelastung sind schwarze Partikel im Heizwasser. Im Zuge dessen steigt auch der Gehalt an Eisen im Heizwasser.

Außerdem bildet sich in der Anlage ein sogenannter Biofilm. Der führt in einer Heizungsanlage, die bereits mineralischen Belag entwickelt hat (die rede ist her von Kesselstein, mehr dazu in Teil X der Heizwasser-Serie), dazu, dass sich die Wärmeübertragung verschlechtert. Um das auszugleichen, wird mehr geheizt – ihr verbraucht damit also mehr Brennstoff  und habt höhere Heizkosten.

Den zu hohen Keimbefall des Heizwassers könnt ihr aber nicht nur sehen, sondern auch riechen. Mit Bakterien zu sehr belastetes Heizwasser verströmt einen unangenehmen, stechenden Geruch.

Was Bakterien & Co. zum Leben brauchen – und in Heizwasser und Heizungsanlage finden

Das Vorkommen der Mikroorganismen wird begünstigt, weil sich die Temperatur des Heizwassers im Zuge des technischen Fortschritts verändert hat. Während man noch vor wenigen Jahrzehnten von “totem Wasser” sprach, das als Heizwasser durch die Heizungsanlage strömte, so ist das heute anders, denn das Heizwasser ist häufig eben nicht mehr 60 Grad Celsius heiß und heißer, wie es vor 30 Jahren Großteils üblich war.

Flächenheizungen wie Wand- und Fußbodenheizungen arbeiten heute mit niedrigen Heizwassertemperaturen, sowohl im Vorlauf, als auch im Rücklauf. Damit schaffen sie für Bakterien & Co. optimale Lebensbedingungen, da diese 25 bis 40 Grad Celsius zumeist als ideal empfinden. In diesem Wohlfühlklima vermehrt sich das Kleinvieh innerhalb von ein, zwei Tagen via Zellteilung. Interessant: Insbesondere in der Erstbesiedlungsphase brauchen die Mikroben möglichst konstante Lebensbedingungen.

Je nach Art kommen die Mikroorganismen

  • ohne,
  • nicht ohne
  • und sowohl mit als auch ohne

Sauerstoff aus. Existenziell ist für Bakterien & Co. Energie. Die gibt’s im Heizwasser in Form von Wärme. Auch bestimmte chemische Reaktionen in den wasserdurchströmten Teilen der Heizungsanlage werden den Mikroorganismen zur Energiequelle. Und so lassen sie sich als Siedler an Unebenheiten nieder oder nisten sich in Poren ein, wo sie sich vermehren und binnen kurzer Zeit Kolonien bilden. Bevorzugte Siedlungsstätten seien der IKZ zufolge vor allem

  • ölige Oberflächen,
  • Kunststoffe
  • und Härtebeläge (Kesselstein).

Praxisfall 1: Bakterien im Heizwasser, die Sulfat verringern

Früher setzte man im Heizwasser Natriumsulfit Na2SO3 ein, um damit Sauerstoff zu binden, wobei Natriumsulfat Na2SO4 entsteht. Da es in der Natur der Heizungsanlage liegt, dass ständig Sauerstoff in die Anlage dringt, hat man das genannte Sauerstoffbindemittel als Korrosionsschutz stetig zugesetzt. Daraus resultieren drei Konsequenzen:

  • Das Heizwasser erhöht seine Fähigkeit, elektrisch zu leiten. Das wiederum begünstigt den Fluss des Korrosionsstroms.
  • Die Konzentration des Sulfats steigt. Das kann dazu führen, dass Gipskristalle entstehen, wenn Härtebildner im Heizwasser stecken.
  • Mitunter „kippt“ das Heizwasser. So nennen Fachleute es, wenn sich Schwefelwasserstoff bildet. Infolgedessen wird das Wasser sauer, es stinkt und ist giftig.

Als Verursacher dessen sind sulfatreduzierende Bakterien zugange. Sie wandeln das Sulfat in Sulfid  Na2S um. Dabei wird Sauerstoff freigesetzt, der Metalle oxidieren lässt. Interessant: Temperatur und Druck spielen bei diesen Vorgängen für die Bakterien kaum eine Rolle.

Heute wird Sulfit deshalb nur noch kontrolliert zur Sauerstoffbindung eingesetzt.

Praxisfall 2: Sogenanntes Biofouling in der Heizungsanlage

Als problematisch ist zudem die biologische Filmbildung in der Anlage zu bewerten. Sie kommt insbesondere in Niedertemperaturheizungen vor, wo Heizungsrohre aus Kunststoff verbaut worden sind.

Dort siedeln sich zunächst sogenannte Pionierorganismen in den Poren der Oberfläche ein und vermehren sich. Auf diese Weise bereiten die Erstsiedler den Boden für andere Mikroorganismen, die sich dann dort ansiedeln. So entstehen auf festen Oberflächen stabile Biofilme aus seßhaften Bakterien, Algen und Pilzen.

Das geht immer so weiter – solange, bis sich Teile des so entstehenden Biofilms abteilen. Sie siedeln sich andernorts im System an. Wissen müsst ihr, dass die Bakteriengesellschaften ihr chemisches Milieu weitgehend selbst bestimmen können. Das bedeutet, dass selbst dann, wenn euer Heizwasser einen hohen pH-Wert von 9 besitzt, an der Oberfläche des Bauteils aus Metall oder Kunststoff ein pH-Wert von 4,5 herrschen kann. Die Praxis zeigt, dass in diesen gallertartigen Biofilmen biologische Vorgänge stattfinden, die nicht nur sehr vielfältig sondern praktisch auch unbeherrschbar sind.

Was tun gegen Bakterien im Heizwasser?

Gegen Bio-Keime helfen Biozide. Doch von deren konstantem Einsatz wird seitens der Fachwelt abgeraten. Eine kurzzeitige, quasi Stoßbehandlung könne dagegen sehr wohl gute Dienste leisten, um die Anlage zu reinigen und die Bakterien & Co. abzutöten. Die Stoßbehandlung setze allerdings voraus, dass

  • anschließend das belastete Heizwasser aus der Anlage abgelassen und diese komplett neu befüllt
  • oder das Heizwasser kontrolliert getauscht wird.

Was tun gegen Biofilm in der Anlage?

Mit der chemischen Keule, zum Beispiel in Form von  Bioziden, kommt man gegen einen ausgewachsenen Biofilm kaum an. Meist töten die Chemikalien nur die oberste Schicht der Bakterien ab. Die darunter sitzende Schicht hat damit ausreichend Zeit, sich an die giftige Substanz zu gewöhnen (Stichwort: Resistenzbildung).

Dauerhaft Abhilfe schaffe nur eine spezielle und falls nötig wiederholte Wasserbehandlung, mit der der Biofilm nach und nach „abgebaut“ werde. Wer diese Gegenmaßnahme ergreift, sollte allerdings die Materialspezifikation seiner Heizungsanlage prüfen, um keine unerwünschten Nebenwirkungen zu bekommen.

Welche Erfahrungen habt ihr mit “lebendem Heizwasser” gemacht?  Habt ihr weitere Lösungen gegen Bakterin & Co. im Heizwasser? Dann schreibt uns eure Erfahrungen und Gegenmaßnahmen gerne ins Kommentarfeld! Wir sind gespannt!

Weitere Artikel der Heizwasser-Reihe:

Was ist Heizwasser? (1) – Warum Wasser Wärme weiterleitet

Was ist Heizwasser? (2) – Wann Heizwasser Probleme macht

Was ist Heizwasser? (3) – Warum Heizwasser Rost verursacht (Korrosion)

Foto: mathias the dread/photocase