Kürzlich habe ich mich an eine Übersicht der verschiedenen Energiehaustypen gewagt und angekündigt, dass ich die einzelnen Haustypen noch näher vorstellen werde. Nach dem Sonnenhaus letzte Woche, möchte ich mich heute mit dem Passivhaus befassen.
Von der Sonne gewärmt, in Dämmstoff verpackt
Das Passivhaus setzt, wie der Name schon sagt, auf die passive Nutzung solarer und so genannter innerer Wärmequellen: Sonnenwärme und die Körperwärme der Bewohner “heizen” das Haus, eine effiziente Dämmung und ein Lüftungssystem halten die Energie drinnen. So benötigt das Passivhaus bis zu 90 % weniger Heizenergie als ein durchschnittliches Haus im Baubestand und hat kein herkömmliches Heizsystem. Die Befürworter propagieren zwar kein “intelligentes Verschwenden” wie Prof. Leukefeld, versprechen aber einen Zugewinn von Behaglichkeit und Komfort: Durch die speziellen Gebäudeeigenschaften entsteht zum Beispiel kaum Zugluft, und die Wand- und Fensteroberflächen sind gegenüber der Raumluft nicht so kalt wie in einem konventionellen Gebäude.
Kriterien und Komponenten
Um als Passivhaus zu gelten, muss ein Gebäude bestimmte Kriterien erfüllen:
- Heizwärmebedarf unter 15 kWh/(m²·a), das entspricht etwa 1,5 l Heizöl pro Jahr und Quadratmeter (zum Vergleich: der gesetzliche Mindeststandard hat eine Größenordnung von 60 – 100 kWh/(m²·a) für den maximal zulässigen Heizwärmebedarf, der für jedes Gebäude individuell ermittelt wird)
- Primärenergiebedarf unter 120 kWh/(m²·a) für Heizung, Warmwasserbereitung und Haushaltsstrom (wohingegen bei den 15 kWh/(m²·a) beim Sonnenhaus der Haushaltsstrom nicht mit eingerechnet wird!)
- Luftdichtheit n50 maximal 0,6 / h (die Luftwechselrate n50 ist ein Maß für die Luftdichtheit).
Die Gebäudehülle ist das A und O beim Passivhaus: Außenwände, Dach und Bodenplatte sind lückenlos und gedämmt. Dafür kommen Dämmstoffe mit niedrigen Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) zum Einsatz, zum Beispiel Polyurethanschaum oder auch Naturstoffe. Die Fenster sammeln Strahlungswärme ein, wenn die Sonne scheint; Dreischeiben-Wärmeschutzverglasung, gedämmte Rahmen und ein optimierter Einbau in die Wand gewährleisten die Wärmedämmung und eine hohe Oberflächentemperatur auf der Fensterinnenseite. Nicht nur beim Fenstereinbau, sondern in der gesamten Konstruktion des Passivhauses gilt es, Wärmebrücken und Undichtigkeiten zu vermeiden. Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung vermeidet zusätzlich Wärmeverluste. Der warmen Abluft wird Wärme entzogen, vorgewärmte Frischluft wird zugeführt; hier ist freilich eine Energiezufuhr erforderlich. Dafür kommt eine Wärmepumpe in Frage oder, vor allem für die Warmwasserbereitung, auch Sonnenkollektoren. Kniffelig ist der Betrieb eines Feststoff-Ofens: Er muss raumluftunabhängig arbeiten – also unbedingt beraten lassen!
Mit und ohne Zertifikat – das Passivhauskonzept ist offen für alle
Das Passivhauskonzept wurde vom Passivhausinstitut in Darmstadt (Dr. Feist) entwickelt und kann von allen genutzt werden; die Bezeichnung Passivhaus ist nicht geschützt. Eine Zertifizierung ist möglich, aber nicht verpflichtend – u.a. nach folgenden Standards:
- Deutschland: Qualitätsgeprüftes Passivhaus, Zertifizierung durch vom Passivhaus Institut PHI akkreditierte Gebäude-Zertifizierer oder das PHI selbst
- Österreich: Klasse A++ Energieausweis, klima:aktiv Gebäudestandard
- Schweiz: Minergie-P-Standard
Übrigens lassen sich auch Altbauten im Zuge einer energetischen Sanierung zum Passivhaus “aufrüsten” oder zumindest mit Passivhauskomponenten ausstatten.
- Wissensdatenbank Passipedia
- Passivhaus Institut (PHI) Darmstadt
- Informationsgemeinschaft Passivhaus
- Interessengemeinschaft Passivhaus Österreich
- Probewohnen im Passivhaus: Sonnenplatz Großschönau
Fotoquelle: Sonnenplatz Großschönau
Das Konzept gibt es schon 25 Jahre und mehr, hat sich aber nicht sehr verbreitet seitdem. Wäre interessant zu betrachten woran das liegt und warum es dennoch zur Zeit einen Hype um Plusenergiehäuser gibt.
Danke für den Hinweis, Andy. Die Verbreitung des Passivhausstandards zu messen, ist nicht so einfach: Eine verlässliche Statistik, wie viele Passivhäuser in Deutschland existieren, gibt es leider nicht; einige zehntausend dürften es im gesamten Bundesgebiet sein. Zwar gibt es eine Passivhauszertifizierung, aber im Prinzip kann jedeR ein Haus nach dem Passivhausstandard bauen. Das Bundesamt für Statistik meldet 570 Wohnaus-Neubauten ohne Heizung für 2011, was auch nur beschränkt Rückschlüsse zulässt.
Das Plusenergiehaus wird einfach effizient vermarktet, denke ich, bzw. besitzt es in Zeiten steigender Heizölpreise eine gewisse Faszination. Da heißt es wieder mal genau hinschauen und nachrechnen: Wenn die Energiebilanz über ein Jahr hinweg zwar positiv ist, in den Wintermonaten aber trotzdem Mangel herrscht, dann bleibt das Plusenergiehaus ein Rechenspiel. Hier ein interessanter Beitrag über das “Energieeffizienzhaus Plus” – ein Modellprojekt des Bundesbauministeriums, bei dem die Rechnung offenbar auch nicht so ganz aufgeht…
Hallo Sabine, wir haben auch gerade über das Passivhaus St. Pauli berichtet: http://www.energie-experten.org/startseite/top-thema/news/passivhaus-ideal-fuer-moderne-baulueckenschliessung-4062.html Das wurde 2005 gebaut und ist das erste Mehrfamilien-Passivhaus in Hamburg. Der Abriss der Baulücke und der Neubau als Passivhaus waren damals günstiger als die Sanierung des Bestands. Ein tolles Beispiel für eine sinnvolle innerstädtische Bebauung.
Danke Robert, für den interessanten Link. An dem Projekt sieht man auch, dass Passivhäuser nicht so weit verbreitet sind (wie Andy ja schon anmerkte). Die Aufschrift “Passivhaus St. Pauli” lässt den singulären Status erkennen, aber eben auch, dass es sich um ein Passivhaus handelt.
Weitere Beispiele für Häuser mit besonderen Energiekonzepten sind uns herzlich willkommen!
Meine Familie und ich wollten uns ein neues Haus bauen, uns war klar, dass es ein Energiesparhaus sein sollte. Jedoch waren wir uns noch nicht ganz einig, ob wir eher den moderneren Stil bevorzugen sollten oder eher etwas ländliches. Ich persönlich war ja von der Landhausidee anfangs nicht sehr begeistert, doch als wir im Internet auf die Seite http://www.dlk-melle.de stießen und uns durch die Bildergalerie klickten, war auch ich hin und weg von den Häusern! Ein paar Monate später war das Haus auch schon fertig und ich finde es großartig. Deutsche Landhaus Klassiker ist jedem zu empfehlen der Fachwerkhäuser liebt oder lieben lernen will!
Danke für Ihren Kommentar, Frau Reimann. Der erwähnte Anbieter verspricht auf seiner Seite Häuser, die sich “jeder Anforderung” anpassen, vom KfW-Effizienzhaus bis zum Passivhaus. Da Sie den Artikel zum Passivhaus kommentieren, nehme ich an, dass es sich bei Ihrem Haus um ein solches handelt. Wir freuen uns immer, wenn unsere Leserinnen ihre Erfahrungen als Bauherrin mit uns teilen.
Danke für den interessanten Beitrag.
Mein Mann und ich haben uns entschieden, zusammen zu ziehen. Wir haben uns nach verschieden Energiehaustypen umgesehen und haben uns letztendlich für ein Niedrigenergiehaus entschieden.
LG
Nadine