Ron Kirchner ist DER Blogger wenn‘s um Biomasse geht. Er ist quasi die BiomassMuse ;-). Wir haben uns vor Jahren über die Vorprojekte der Energieblogger kennengelernt und heute habe ich ihn endlich eingeladen uns ein wenig über die aktuellen Entwicklungen im Biomassebereich zu erzählen und wie Solarenergie und Biomasse noch bessere Partner werden können.
1. Ron, stell uns bitte kurz deinen Blog vor und sag uns worüber du so schreibst.
BiomassMuse ist ein Blog, der sich der energetischen Nutzung von Biomasse verschrieben hat, die Rolle der Bioenergie innerhalb der Energiewende kritisch hinterfragt und nach Möglichkeiten zur besseren Nutzung dieser sucht. Seit
2009 informiert der Blog seine Leser über aktuelle Entwicklungen und Konflikte im Bereich Biogas, Biosprit und feste Bioenergie (Holzpellets, Hackschnitzel etc.).
2. Was sind die dringendsten Themen im Bereich der Biomasse derzeit. Also mit welchen Themen kämpfst du am meisten in der öffentlichen Wahrnehmung?
Das ist eine gute, aber auch schmerzhafte Frage. Leider hat die Akzeptanz für die Nutzung der Bioenergie in den letzten beiden Jahren etwas gelitten. Ich denke, dass dafür auch der überraschende Erfolg von Biogas & Co verantwortlich ist. In Deutschland haben wir mittlerweile knapp 8.000 Biogasanlagen, die 3.5 GW an Biogasstrom ins Netz einspeisen. Und das fast rund um die Uhr, was eine der großen Stärken der flexibel nutzbaren und grundlastfähigen Bioenergie ist.
Als die Bioenergie noch in den Kinderschuhen steckte und kaum Anlagen vorhanden waren, war die Stimmung geradezu euphorisch (Go Bioenergie Go), aber jetzt wo die Biogasanlagen ihren notwendigen Platz in vielen Gemeinden einfordern, ist die Stimmung etwas angespannter. Der NIMBY-Effekt (Not In My BackYard) ist ja auch für die Windenergie eine unvorhergesehene Herausforderung.
Die schwerwiegendsten Kritikpunkte zur Bioenergie sind sicherlich die Tank-oder-Teller-Diskussion und das Abholzen von Regenwäldern für die Gewinnung von Palmöl. Unter Akteuren der Branche, aber weniger öffentlich, wird auch noch die etwas eindimensionale ILUC-Debatte geführt. Erfolg bekommt man selten geschenkt. Die Branche stellt sich jedem dieser Kritikpunkte und reagiert mit entsprechenden Maßnahmen auf die strengen Forderungen, welche übrigens für die fossilen Energieträger deutlich geringer scheinen. Einige Punkte blenden die härtesten Kritiker der Bioenergie leider häufig aus.
- Die Herstellung von Biosprit und die Produktion von Futtermitteln gehen heutzutage parallel und schließen sich nicht gegenseitig aus.
- Etwa 95 Prozent (Quelle: Oil World) des indonesischen und malaysischen Palmöls werden für Nahrungsmittel und Kosmetik eingesetzt und nicht für die Herstellung von Biodiesel.
- Einführung der Nachhaltigkeitszertifizierung für Biomasse durch die Biokraftstoffbranche.
Ich finde als Energieverbraucher sollte man so realistisch sein und sich bewusst machen, dass keine Form der Energiegewinnung und -nutzung ohne Konflikte und Lernprozesse gelingt. Keine Branche hat es einfach und Kritik gehört einfach dazu und hat letztlich auch dazu geführt, das Profil der Bioenergie weiter zu schärfen.
3. Wie sieht es aus mit der Verfügbarkeit von Biomasse, wenn wir tatsächlich weg von Öl und Kohle gehen. Wie viel Prozent könnte die Biomasse nachhaltig decken?
Selbst Bioenergie-Enthusiasten sind sich bewusst, dass die energetische Nutzung von Biomasse nicht unseren heutigen Verbrauch an fossilen Energieträgern ersetzen kann. Aber das muss sie zum Glück auch nicht. Mit den Kollegen der Wind-, Sonnen-, Wasser- und Erdenergie haben wir vor allem im Strom- und Wärmebereich genügend Alternativen, die den Entzug von den fossilen Energieträgern erleichtern.
Im Kraftstoffmarkt sieht der Ersatz von fossilen Kraftstoffen schon deutlich schwieriger aus und hier sehe ich vor allem mittelfristig kaum eine Alternative zu Biosprit. Die E-Mobilität wird in einigen Jahrzehnten ihren Teil beitragen können, aber aktuell basiert unser Transportsystem auf der Straße noch zu einem großen Teil auf Verbrennungsmotoren. Nach allem was ich bisher von Automobilherstellern gehört habe, ist der Umbau der über Jahrzehnte gewachsenen Infrastruktur nicht innerhalb weniger Jahre möglich.
Gemessen am Endenergieverbrauch nimmt die Bioenergie in Deutschland einen Anteil von knapp 9 Prozent ein und ist mit einem über 60 prozentigem Anteil der wichtigste Akteur innerhalb der Familie der Erneuerbaren. In Deutschland nutzen wir von den 16.7 Millionen Hektar Ackerfläche etwa 2.3 Millionen Hektar für den Anbau von Energiepflanzen. Dem Potentialatlas für Bioenergie zur Folge könnte die Fläche bis 2020 auf 4 Millionen Hektar ansteigen. Nimmt man noch den Forstbereich und die Algenkultivierung hinzu, ist das Potential nochmal größer.
4. In letzter Zeit häufen sich die Meldungen zu Biomassekraftwerken, die mit Solarthermie nachgerüstet werden, damit der Kessel im Sommer geschont wird. Was sind deine Erfahrungen diesbezüglich? Woran hakt es noch, damit das flächendeckend passiert?
Also zuerst einmal bin ich ein großer Freund davon, dass erneuerbare Energieträger an einem Standort kombiniert werden. Jede Energiequelle hat ihre Stärken und Schwächen und in der Kombination sind sie meist stärker.
Bei Biomasseheizkraftwerken (BMHKW) sehe ich allerdings ein Problem. Die Investitionskosten für BMHKW sind relativ hoch und die Abschreibung in einem wirtschaftlich interessanten Zeitrahmen ist meist nur dann gegeben, wenn das regenerative Kraftwerk eine hohe Auslastung beziehungsweise Anzahl an Betriebsstunden hat. Das komplette Austauschen von BMHKW durch Solarthermie im Sommer stelle ich mir deshalb nicht so einfach vor. Aber das BMHKW muss ja nicht komplett ausgeschaltet werden.
In der vergangenen Woche hatte ich das Glück, die europäische Konferenz für Biomasse in Kopenhagen zu besuchen. Dort hat mir ein Holzenergie-Fachmann vom C.A.R.M.E.N. e. V. ein interessantes Konzept zur kombinierten Strom- und Wärmegewinnung mit Holzpellets und Solarthermie vorgestellt. Ich bin kein Experte auf diesem Gebiet, aber das Konzept hat bestehende Synergien zwischen beiden erneuerbaren Energieträgern genutzt. Den Verbrennungskessel oder das Holzpellet-BHKW (siehe ÖkoFEN) im Sommer etwas herunterzufahren und stattdessen die reichhaltige Sonnenenergie zu nutzen, ist sicher eine dieser interessanten Synergie-Effekte.
5. Was würdest du dir von der Branche und der zukünftigen Entwicklung wünschen?
Ich bin davon überzeugt, dass die Holzenergie, Biogas und Biomethan, aber auch Biokraftstoffe sehr nützlich sind, um unsere Abhängigkeit von den fossilen Energieträgern zu reduzieren und zügig zum Klimaschutz beizutragen.
Von der Bioenergie-Branche wünsche ich mir, dass sie noch stärker zusammenarbeitet, als sie es bisher schon tut. Gasförmige, flüssige und feste Bioenergie müssen erkennen, dass sie im selben Boot sitzen und dass ein Akzeptanzproblem früher oder später alle betrifft. Eine engagierte Aufklärungskampagne vom Biogasrat e.V. zum Thema Biomethan und die gerade gestartet Biogas Tour vom Fachverband Biogas sind ein erfreulicher Anfang.
Außerdem hoffe ich, dass sich die BioÖkonomie gut entwickelt und der wertvollen Ressource Biomasse ihren Platz in der Gesellschaft einräumt.
Vielen Dank lieber Ron. Das war wirklich total interessant diesen Gesamteinblick in die Branche zu bekommen. Vor allem das Thema der Volllaststunden der Biomassekraftwerke war mir nicht so bewusst. Es müssen also schlichtweg Geschäftsmodelle, gefunden werden, die Gas- wie auch Biomassekraftwerke auch ohne Jahresausleistung wirtschaftlich betrieben werden können. Weil nur gemeinsam können wir den Umbau schaffen und es hilft nichts sich gegenseitig zu beschwärzen während andernorts still und heimlich neue Kohlekraftwerke gebaut werden.
Tiefergehende Links
- Biogas: http://www.biomasse-nutzung.de/biogas/
- Tank-oder-Teller: http://www.biomasse-nutzung.de/biokraftstoffe-bioenergie-nahrungsmittelpreise-hunger/
- ILUC-Debatte: http://www.biomasse-nutzung.de/iluc-biokraftstoffe/
- Indonesischen und malaysisches Palmöl: http://www.biomasse-nutzung.de/palmol-malaysia-nachhaltigkeit-biodiesel/
- Kraftstoffmarkt: http://www.biomasse-nutzung.de/kraftstoffmarkt-bioenergie/
- Europäische Biomasse Konferenz: http://www.biomasse-nutzung.de/biomasse-konferenz-biooekonomie/
Titelbild: Ron Kirchner
Vielen Dank für das Interview und die Möglichkeit zur Darstellung der Bioenergie aus meiner Sicht als Energieblogger.
Ein sehr kooperative Ansatz der die Familie der Erneuerbaren hoffentlich näher zusammenbringt. Die regenerativen Energieträger sollten sich noch viel häufiger fragen: “Moment, gibt es nicht eine Möglichkeit zur Zusammenarbeit, immerhin sind wir alle dezentral”. Das ist deutlich fruchtbarer für die Energiewende, als die Teile-und-Herrsche-Mentalität auf die ich leider auch noch häufig treffe.
Sonnige Grüße 🙂
Ganz deiner Meinung. Der Futterneid den ich manchmal beobachte ist echt furchtbar und dann kann ich mich immer nur wundern. Viele haben anscheinend keine Ahnung oder kein Gefühl dafür was es bedeutet, 80% der fossilen Energie zu ersetzen. Das ist unfassbar viel Holz, Sonne, Wasser und Wind…
Das ist genau der Punkt! Der Kuchen ist groß genug für alle Erneuerbaren und wenn wir uns dann noch auf Schnittmengen und Synergien konzentrieren, wird er noch nahhafter.
Ich hätte nach der Überschrift etwas mehr Inhalt zum Thema Solarthermie/Biomasse erwartet.
Zur Abschreibung. Von einer solch kurzfristigen Sichtweise sollten wir versuchen wegzuführen. Sie ist leider noch vorherrschend. Im Sinne der Wert- und Nachhaltigkeit sollte im Vordergrund stehen, dass die sommerliche Ruhezeit der Lebenszeit des BHKW zu Gute kommt und eine Reinvestition erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt erforderlich macht. Zudem dient die Solarthermie der Resourcenschonung der Biomasse. So können mehr Endverbraucher die gleiche Menge Biomasse nutzen. Die auch bei der Biomasse zu erwartenden Preissteigerungen können so gemildert werden. Noch interessanter ist die Solarthermie/Biomasse-Kombination im Privatsektor. Bei bis zu 60% solarer Deckung (Warmwasser und Heizung) ergeben sich gegenüber Heizöl bis zu 85% Brennstoffkostenersparnis. Die im Bundesland NRW besonders interessante Förderung von 6.000 bis 12.000 € für Einfamilienhäuser, die auf diese Kombination umgestellt werden, ist in anbetracht der Gesamtersparnis auf den Betriebszeitraum nur ein kleines Sahnehäubchen on Top.
Vielen Dank für den Beitrag und den Input. Tut mir leid, dass Sie mehr erwartet hatten, wir werden sicherlich noch einiges mehr in diese Richtung bringen. Dies war die Einführung zum Thema Biomasse generell weil ich es für wichtig halte auch die Grundlagen zu kennen. Die Überschrift Biomasse und Solarthermie? sollte vor allem darauf hinweisen, dass wir hier in einem eher Solarthermieblog auch über Biomasse schreiben, weil eben alle Erneuerbaren einen wichtigen Stellenwert haben.
Die kurzfristige Denkweise ist bei Investitionen leider noch immer vorherrschend auch wenn ich das selbst auch oft verurteile. Diesen Realitäten muss man sich aber auch stellen und entsprechende Lösungen für den Kunden, der eben so denkt, bringen. Ron gibt eben das wider, was er aus seiner Biomassebranche mitbekommt und das Thema Vollaststunden wird uns noch lange beschäftigen, weil auch Gaskraftwerke, die die Erneuerbaren unterstützen sollen, dieses Problem haben. Hier sind neue Geschäftsmodelle oder politische Rahmenbedingungen gefragt.
Ich erwäge derzeit die Kombination von Solarthermie und Biomasseheizung. Ich denke, dass das eine zielführende Kopplung beider Systeme ist. Wie Sie bereits anführen, ist Bioenergie bereits grundlastfähig.