Very British: Großbritanniens Häuser CO2-neutral ab 2016?

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Großbritannien steht in Sachen Erhöhung der Energieeffizienz von Gebäuden vor einer besonders schweren Aufgabe: Denn das Vereinigte Königreich ist der Industriestaat mit der ältesten Bausubstanz. Hinzu kommen very british problems mit der einheitlichen Definition von CO2-neutral und den daraus resultierenden Umsetzungsschwierigkeiten. Ein spannender Blick auf die britischen Nachbarn – schaut selbst!

British Status quo: Wie steht es um die Energieeffizienz im britischen Wohnungsbau?

Die Deutsch-Britische Industrie- und Handelskammer beschreibt in einem Papier (Factsheet als PDF) folgenden Status quo der Energieeffizienz des britischen Wohnungsbaus: Demnach gab es im Juli 2012 26,8 Millionen Häuser im Vereinigten Königreich. Der Großteil dieser Gebäude gehöre Privatpersonen, der Anteil an Wohnungen betrage nur etwa 20 Prozent. Hauptsächlich handele es sich bei den Gebäuden demnach um Doppelhäuser, die zwischen 1945 und 1964 errichtet wurden: 41 Prozent. Gut zu wissen: Im eben genannten Zeitraum habe der Anteil an neugebauten Einfamilienhäusern nur 10 Prozent betragen. Das Verhältnis habe sich seit den 1980er-Jahren jedoch umgekehrt, heißt es weiter: Unter den Wohngebäuden, mit deren Bau nach 1980 begonnen worden sei, betrage der Anteil der Einfamilienhäuser demnach  Prozent, der der Doppelhäuser 15 Prozent. Im Jahr 2010 habe jedes einzelne dieser Häuser laut der  der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer im Schnitt 3,2 Tonnen CO2-Emissionen verursacht. Das mache Summa summarum 15 Prozent der auf 496 Millionen Tonnen CO2 geschätzten jährlichen Emissionen des Landes aus.

Großbritannien: Industriestaat mit ältestem Baubestand

Wegen seiner 8,5 Millionen Häuser  (ein Drittel des Gesamtbestandes!), die älter als 60 Jahre sind, sei Großbritannien der Industriestaat mit der ältesten Bausubstanz, konstatiert die Deutsch-Britische Industrie- und Handelskammer.

Energieeffizienz für Gebäude: Eine große Herausforderung für die Briten

Aufgrund des alten Baubestands steht Großbritannien seit Jahren vor der schwierigen Aufgabe, den großen Sanierungsbedarf zu deckeln und in Sachen Energieeffizienz-Status mit anderen europäischen Staaten gleichzuziehen.

Die Deutsch-Britische Industrie- und Handelskammer hat dazu aktuelle Zahlen: Im Jahr 2008 hätte demnach lediglich ein Zehntel (10 Prozent) der britischen Häuser der Energieeffizienz-Bestnote (A-C) entsprochen, während mehr als zwei Drittel (etwa 70 Prozent)der Häuser in der mittleren Kategorie (D oder E) sowie ein Fünftel (20 Prozent) der Häuser der schlechtesten Bewertung (F oder G) einzuordnen waren.

Die Energieeffizienz-Zahlen für 2012 zeigen, dass inzwischen deutlich mehr Gebäude mit energieeffizienter Isolation ausgestattet sind: So gäbe es jetzt etwa zehn Millionen Häuser mit einer sogenannten Kerndämmung und 10,1 Millionen hätten mittlerweile ein isoliertes Dach.

Von den derzeit 1,858 Millionen britischen Büro- und Industriebauten sei etwa ein Viertel älter als 25 Jahre, ein Drittel jedoch älter als 70 Jahre, berichtet die Deutsch-Britische Industrie- und Handelskammer.

Briten wollen bis 2016 carbon neutral bauen

Die britische Regierung fördert seit Jahren das energieeffiziente Bauen. Schließlich sind die Ziele hoch gesteckt: Bis 2016 sollen alle Neubauten schrittweise CO2-neutral (carbon neutral/zero carbon) errichtet werden. Laut der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer sei für den Bereich der Büro- und industriellen Gebäude vorgesehen, „dass alle Gebäude im öffentlichen Sektor ab 2018 und alle Gebäude im privaten Sektor ab 2019 CO2-neutral errichtet werden sollen“.

Denn mit dem „Climate Change Act 2008“ habe sich Großbritannien verpflichtet, bis 2020 die Emission von Kohlenstoff und anderen Treibhausgasen um 26 Prozent zu reduzieren (bezogen auf die Zahlen des Jahres 1990). Im Bereich der Büro- und industriellen Gebäude sollen demzufolge energieeffiziente Maßnahmen dazu verhelfen, Emissionen bis 2020 um 13 Prozent zu reduzieren.  Für den Wohnungsbau laute das entsprechende Ziel 29 Prozent.

 „zero carbon“ – verschiedene Regelungen in den Ländern des Vereinigten Königreichs erschweren Umsetzung von Energieeffizienz

Ursprünglich definierten die Briten den Standard „zero carbon“ als eine 70-prozentige Minderung der Emissionen derzeit üblicher Häuser. Laut des sehr spannenden Artikels von Bärbel Epp „Great Britain: Zero Carbon or Nearly Zero Carbon?“, erschienen im Portal solarthermalworld.org, unterschieden sich die zero-carbon-Regelungen der zu Großbritannien vereinigten Länder England, Schottland, Wales und Nordirland jedoch, so dass jedes Land beispielsweise mit unterschiedlichen Gebäude-Vorschriften arbeite und bei der Umsetzung energieeffizienter Maßnahmen entsprechend anders dastehe. Das macht ein einheitliches Erreichen des Ziels „carbon-neutral beziehungsweise carbon-frei ab 2016“ entsprechend schwierig.

Die britische Regierung hat im Frühjahr 2013 in mehreren Schritten versucht, die Standards für „zero carbon“ detaillierter zu formulieren – was laut Experten nicht ganz gelungen sei. Vor allem die Vorgabe „allowable solutions“ (zulässige Lösungen) für den Umgang mit den verbleibenden Emissionen, stößt dabei auf Kritik, da sie quasi eine Art Emissionshandel weiterhin erlaube. Damit zeige die britische Regierung Inkonsequenz und untergrabe das Vertrauen in den Teil der britischen Wirtschaft mit großem Wachstumspotential  – gemeint ist die Sparte der Unternehmen der Erneuerbaren Energie, unter anderem Solarthermie-Industrie. Gleichzeitig verbaue sie sich selbst die Chance, die grünste Regierung aller Zeiten zu sein, sagt Paul King, Chief Executive of Industry Association UK Green Building Council in dem erwähnten Artikel.

Foto (Westminster): m.o.ruehle / photocase.com