Handwerker Handwerkermangel Energiewende Geld

Die Energiewende braucht mehr Handwerker – doch woher nehmen?

Veröffentlicht von

Ende 2021 bezifferte der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) die fehlenden qualifizierten Mitarbeiter der im Klimaschutz und für die Energie- und Verkehrswende tätigen Gewerke auf mehrere Zehntausend. Ihre Zahl werde demnach in den nächsten Jahren sogar noch anwachsen, denn viele qualifizierte Beschäftigte würden aus Altersgründen aus den Betrieben ausscheiden. Der Handwerker Mangel sei das Ergebnis jahrzehntelanger Bildungspolitik, die das duale Ausbildungssystem vernachlässigt und einem Akademisierungswahn erliegt, erklären Experten. Viele studieren lieber als ein Handwerk zu erlernen, weil sie damit höhere Einkommen verbinden. Eine aktuelle Studie zeigt jetzt, dass Handwerksmeister bis zum 60. Lebensjahr sogar mehr verdienen als Akademiker. 

Energiewende braucht Bildungswende

Handwerker seien die Zukunftsmacher, sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, gegenüber der Presse. Man müsse ihm zufolge jedoch kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass die von Deutschland geplanten Beschlüsse zum Klimaschutz ins Leere zu laufen drohten, wenn die Politik nicht gleichzeitig alles in die Wege leite, um die berufliche Ausbildung zu stärken und wieder mehr Jugendliche dafür zu gewinnen. Andernfalls könnten die Fachkräfteengpässe zu “echten Bremsklötzen beim Klimaschutz” werden. Ende Juli forderte Wollseifer eine “Bildungswende”: Das Handwerk biete schon seit Jahren Tausende Ausbildungsplätze und damit Ausbildungschancen an, die aber nicht genutzt würden. Es brauche Bewerber dafür. Das sei das Problem. Von daher fordere der Verband die Politik auf, sich die Forderung nach einer Bildungswende zu eigen zu machen.

Handwerkermangel – liegt’s an dem Verdienst?

Die Wochenzeitschrift Focus suchte kürzlich Antworten auf die Fragen “Wie kann es sein, dass in Berufen, in denen offenbar ein gutes Geschäft gemacht wird, der Nachwuchs so schwer zu finden ist? Fachkräftemangel allerorten, Betriebe geben auf, weil sie keinen Nachfolger finden und das bei guter Bezahlung – was stimmt hier nicht?”

Zunächst schauen die Verfasser des Focus-Berichts auf die Ausbildungsvergütung hierzulande – und kommen zu dem Schluss, dass dort der Eindruck guter Bezahlung manchmal stimme: Ein angehender Zimmerer startete 2021 demnach mit 1.252 Euro monatlich, Azubis im öffentlichen Dienst mit knapp über 1.000 Euro, Schiffsmechaniker mit 1.400 Euro, Polizisten im mittleren Dienst mit 1.330 Euro, Bank-, Versicherungs- und Immobilienkaufleute mit rund 1.100 Euro.

Dieser guten Bezahlung zu Beginn der Ausbildung stellte der Focus den Bafög-Höchstsatz von 861 Euro (bei nicht mehr bei den Eltern wohnenden Studierenden) gegenüber. Und erklärte damit gleichaltrige Studenten als “arme Schlucker” – verglichen mit den Azubis.

Doch was ist nach der Ausbildung / dem Studium?

Nur Handwerker Meister verdienen so viel wie Akademiker

Auf Lebenszeit gerechnet wende sich das Blatt, schreibt der Focus weiter. Dann gelte: Nur die Meister im Handwerk würden nahezu das Gleiche wie ein durchschnittlicher Akademiker verdienen. Dabei bezog sich die Wochenzeitschrift auf das Tübinger Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW). Das habe demnach errechnet, dass ein angestellter Akademiker bis zu seinem 65. Geburtstag rund 1,45 Millionen Euro Gehalt überwiesen bekomme. Der Handwerksmeister oder Techniker liege mit 1,41 Millionen Euro nur drei Prozent darunter. Aber: Ein Handwerksgeselle müsse mit rund 962.000 Euro haushalten.

Gehe  ein Akademiker mit 60 Jahren in den vorgezogenen Ruhestand, schmelze sein finanzieller Gewinn resultierend aus dem Studium laut Focus dahin. Das sei der Preis für die lange Ausbildung an der Universität. Denn bis zum 60. Geburtstag würden Meister oder Techniker sogar mehr als  Hochschul-Absolventen verdienen.

Dem IAW zufolge schlage ein Studium mit anschließender Akademiker-Laufbahn eine Ausbildung mit entsprechender Karriere im Monatsgehalt bestenfalls ab Mitte 30, ist im Focus Onlinebericht weiter zu lesen. Bis dahin hätten die Handwerker und Angestellten dank ihrer frühen Ausbildung mehr verdient als die Akademiker. Das sei demnach ein relevantes Kriterium für alle, die jung eine Familie gründen wollten.

Tatsächlich würde aber nicht nur die Qualifikation über die Löhne der Meister und Techniker entscheiden, heißt es weiter. Kleine Betriebe würden laut dem Focusbericht meist weniger als große zahlen, Großstadt schlage Dorf, Zusatzqualifikationen würden unterschiedlich belohnt. Vor allem aber gebe es große Unterschiede zwischen den Branchen. Dort ändere sich das Einkommensverhältnis von Gelernten und Studierten. Entscheidend sei dann, wie begehrt die akademischen Absolventen seien.

Der Focus verweist des Weiteren auf Berechnungen der Internetplattform gehalt.de. Die habe am Beispiel von Technikern folgendes herausgefunden: Nach drei bis sechs Jahren und 40 Wochenstunden bekomm der Elektroniker demnach 38.038 Euro im Jahr, der Mechatroniker 36.969 Euro. Das würde nahe an den Verdiensten von Kollegen liegen, die statt einer dreijährigen Ausbildung ein ebenso langes Bachelor-Studium in Maschinenbau oder Elektrotechnik abgeschlossen hätten. Anders sehe es dagegen beim angestellten Mechatroniker-Meister aus. Der hätte sich laut Focus aufwändig weitergebildet und würde nach neun Berufsjahren im Schnitt 53.100 Euro kassieren. Und das wiederum seien nur knapp 7.000 Euro weniger als der durchschnittliche Akademiker 2021 verdient hätte.

Wobei der Focus auch darauf hinweist, dass das, verglichen mit einem Master-Absolvent im Maschinenbau,  gehaltsmäßig wenig sei. Denn der starte demnach nach einem fünfjährigen Studium schon mit einem Einstiegsgehalt von im Schnitt 50.000 Euro in den Beruf. Auch der junge Zahntechniker würde sich laut Focus wünschen, Medizin studiert zu haben: Bei ihm seien es nur 31.045 Euro brutto im Jahr, während der Zahnarzt schnell auf das Doppelte käme.

Noch schwieriger werde der Vergleich dem Focus zufolge bei den Geisteswissenschaftlern. Und ganz gleich, ob studiert oder ausgebildet, überall gelte zudem, dass Frauen schlechter als Männer bezahlt würden: In einem akademischen Beruf belaufe sich der Gender-Pay-Gap demnach im Laufe des Lebens gemäß aktuellen Zahlen im Schnitt auf 650.000 Euro.

Zu guter Letzt warnt  der Focus Abiturienten vor dem Trugschluss, dass dort, wo besonders viele Fachkräfte fehlen würden, auch bessere Löhne gezahlt würden. Mit Berufung auf Daten der Bundesagentur für Arbeit würden die Beschäftigten dort oft unterdurchschnittlich verdienen – im Schnitt einige Hundert Euro weniger als der mittlere Lohn aller Fachkräfte.

Foto: Doreen Brumme