Da wir hier bei ecoquent-positions neben unseren Meinungen nicht auf Fachexperten verzichten wollen, wird es immer wieder Interviews mit interessanten Persönlichkeiten aus innerhalb und außerhalb der Szene geben. Den Anfang macht gleich mit Prof. Dr. Ing. Volker Quaschning – eine Koryphäe auf dem Gebiet, der sich ganz unkompliziert über Facebook zu dem Interview bereit erklärt hat. Überhaupt finde ich es wichtig und richtig, dass nun auch ausgewiesene Experten die Chancen der neuen Medien erkannt haben und diesen Kommunikationskanal nutzen. Die Energiebloggerszene, die erfreulicherweise ebenfalls zusammenwächst, ist auf die Wissenschaft angewiesen die Informationen zu produzieren, die wir dann versuchen unter die Menschen zu bringen.
Herr Quaschning, Sie sind einer der führenden wissenschaftlichen Experten, wenn es um erneuerbare Energien geht. Wie sehen Sie die aktuellen Entwicklungen in Deutschland? Optimistisch oder ist die Strompreis-Debatte bedenklich?
Die Strompreisdebatte zeigt ganz klar, dass die Energiewende nicht ohne Widerstände ablaufen wird. In Umfragen beschweren sich immer mehr in Deutschland über die hohen Strompreise. Wenn man allerdings nachfragt, wie viel sie für ihren Strom überhaupt bezahlen, wissen die meisten keine Antwort. Hier werden derzeit ganz klar Ängste geschürt, um die Energiewende auszubremsen. In Deutschland zahlen Privatpersonen im Schnitt 37 Euro pro Monat für ihren Strom. Selbst wenn jetzt die Stromkosten noch einmal um gut fünf Prozent ansteigen, reden wir über rund zwei Euro im Monat. Die Ursache der aktuellen Diskussion sind nicht wirklich die ausufernden Kosten, sondern die Widerstände der großen Energieversorger. Der Ausbau der Photovoltaik und Windenergie an Land läuft in Deutschland so schnell ab, dass die großen Energiekonzerne derzeit dramatisch an Marktanteilen verlieren. Diese versuchen nun mit dem Kostenargument die ungeliebte regenerative Konkurrenz loszuwerden. In wenigen Jahren wird aber Solarstrom preiswerter als Heizöl sein. Spätestens dann werden sich erneuerbare Energien auch ohne staatliche Unterstützung durchsetzen und nicht mehr aufzuhalten sein.
Sie haben erst kürzlich die möglichen Ausbaupläne bis 2035 und beeindruckende Zahlen zum zukünftigen Energiemix im Strombereich veröffentlicht. Gibt es solche Zahlen auch für den Gesamtenergiemix oder den Wärmesektor?
Wenn wir uns die dramatischen Folgen des Klimawandels vor Augen führen, sollte auch im Wärmebereich die Energiewende hin zu einer komplett kohlendioxidfreien Energieversorgung bis 2040 abgeschlossen sein. Dies geht nur, wenn durch bessere Gebäudedämmung die Hälfte des Bedarfs eingespart wird. Der Rest lässt sich dann durch verschiedene regenerative Energien wie Solarenergie, Biomasse oder Geothermie decken. Für die Solarthermie würde das in Deutschland eine installierte solarthermische Leistung von 250 bis 400 GW bedeuten. 2011 haben wir aber gerade einmal 0,9 GW an Kollektorleistung neu installiert. Hier sind dringend neue Ideen und Konzepte gefragt, um das Tempo signifikant zu erhöhen. Dabei darf es keine Denkverbote geben. Auch das lange verpönte Heizen mit Strom wäre eine Alternative, wenn dieser regenerativ erzeugt wird. Wichtig ist inzwischen nur noch, dass der Umbau schnell erfolgt, sonst können wir statt Solarkollektoren künftig Deiche bauen. Das ist für mich aber keine akzeptable Alternative.
In unserem Blog geht es vor allem um Solarthermie und ökologisches Heizen. Die Wärmedebatte stand die letzten Jahre im Schatten des Stromthemas. Woran liegt das?
Die Energiewende wird von vielen mit dem Ausstieg aus der Kernenergie verbunden. Das betrifft nun einmal in erster Linie den Strombereich. Dass wir eigentlich unsere gesamte Energieversorgung unter dem Hintergrund des immer schnelleren Klimawandels und der zur Neige gehenden fossilen Energieträger schnellstmöglich umstellen müssen, ist aus dem öffentlichen Bewusstsein gerückt. Der schnelle Ausbau der Photovoltaik und Windenergie in Deutschland lag aber vor allem daran, dass man hier profitable Geschäftsmodelle geschaffen hat. Damit sich eine Solarthermie- oder Biomasseanlage wirklich rechnet, braucht man derzeit leider noch viel Phantasie oder Enthusiasmus. Ich besitze selbst auch eine Solarthermieanlage und eine Pelletsheizung, obwohl ich weiß, dass diese im Gegensatz zu meiner Photovoltaikanlage nie wirklich Profit erwirtschaften werden. Die Zahl der Enthusiasten ist aber begrenzt.
Was waren ihrer Meinung nach die größten Fehler der Solarthermiebranche und was muss passieren, damit diese Einsatzform die Energiewende sinnvoll unterstützen kann?
Man hat lange Zeit auf technisch optimale Systeme geschaut und nicht den Fokus auf die Kosten gelegt. Den wirklichen Durchbruch kann die Solarthermie nur schaffen, wenn sie im Vergleich zu konventionellen Systemen erhebliche wirtschaftliche Vorteile erreicht. Dafür müssen die Amortisationszeiten deutlich unter 10 Jahren sinken. Ansonsten funktioniert der Solarthermiemarkt nur mit staatlicher Unterstützung mit den bekannten Stop-and-Go-Effekten und einer weiter schleppenden Entwicklung.
Flachkollektor oder Röhrenkollektor? Wo sehen Sie die Vor- und Nachteile der einzelnen Technologien und für welche Einsatzgebiete sind sie aus energetischer Sicht geeignet?
Auch bei dieser Frage spielen die Kosten die entscheidende Rolle. In China ist es gelungen, auch mit der Vakuumröhre interessante Geschäftsmodelle zu entwickeln. In Europa schneidet die Vakuumröhre trotz höherer Effizienz ökonomisch meist deutlich schlechter ab als der Flachkollektor. Bei weiter schnell sinkenden Preisen der Photovoltaik kann ich mir auch vorstellen, dass in absehbarer Zeit die Photovoltaik beide Kollektorvarianten verdrängt. Photovoltaikmodule können über einen Heizstab Überschussstrom im Solarspeicher einspeisen. Bei der Photovoltaik findet in erster Linie die Nutzung durch selbst verbrauchten Strom statt. Nur „Abfallstrom“ wird in Wärme umgewandelt. Diese Chance der Doppeltnutzung haben Kollektoren nicht. Mit der Photovoltaik ergeben sich dadurch künftig interessante wirtschaftliche Perspektiven, die vielleicht auch im Thermiemarkt das nötige Umbautempo erzwingen können.
Solare Prozesswärme kommt erst jetzt in den Fokus der Industrie. Wo liegen die größten Chancen?
Auch hier werden die Kosten ganz klar die entscheidende Rolle spielen. Bei der Hochtemperaturprozesswärme brauche ich in der Regel aufwändigere und damit teurere konzentrierende solarthermische Systeme. In Mitteleuropa ist es auch auf absehbare Zeit schwer, damit mit konventionellen Prozesswärmesystemen auf breiter Front zu konkurrieren. Auch hier sehe ich große Chancen bei der Photovoltaik, da Solarstrom mit einem hohen Wirkungsgrad in Wärme auf jedem beliebigen Temperaturniveau umgewandelt werden kann.
Ich bedanke mich für die sehr klaren Worte und freue mich auf eine rege Diskussion, vor allem zum Thema Amortisation, da mir unter 10 Jahre mit aktuellen Technologien als durchaus umsetzbar scheint, bzw. arbeite ich persönlich gerade an Industrieprojekten, die diesem Standard ganz bestimmt gerecht werden. Vielleicht gibt es unter den Lesern einige Erfahrungsberichte? Gerne auch negativer Natur. Wichtig ist es jetzt die Fakten auf den Tisch zu legen um die besten Lösungen für Mensch und Klima zu finden – und das alles ohne Denkverbote wie Herr Quaschning richtig sagte.
Foto: HTW Berlin / Gregor Strutz
Hallo Cornelia,
Zuerst einmal muss ich sagen das dies wiedermal ein super Artikel ist.
Ich bin zwar nicht der Freund des geschriebenen Wortes, da ich hierbei meine Gedanken zu sehr strukturieren muss, aber ich versuche trotzdem einmal meine persönliche Meinung zur Solarthermie zu Papier zu bringen. Meiner Meinung nach kann man Photovoltaik und Solarthermie schwer vergleichen, denn eine Solarthermie wird in den seltensten Fällen Gewinne abwerfen. Der Gedanke bei einer Solarthermieanlage ist eher die Kostenersparnis. Bei einem Einfamilienhaus wird die meiste Energie für das Heizen aufgewendet und hier kann mit Solarenergie und einer intelligenten Regelung sehr viel Energie und damit Geld eingespart werden. Dies setzt allerdings voraus das man sich schon beim Bau des Hauses Gedanken über das Gesamtkonzept der Heizung macht. Hier sehe ich eines der Probleme der Solarthermie. Um den bestmöglichen Ertrag zu erwirtschaften bedarf es einiger Voraussetzungen. Wenn mit der Sonne geheizt werden soll, empfiehlt sich meiner Meinung nach, eine Flächenheizung da diese mit sehr niedrigen Temperaturen auskommt. Im Winter ist es nun mal so, dass nur ca. 40° vom Kollektor kommen. Für Flächenheizungen ist dies aber genug und somit kann auch im Winter mit der Sonne geheizt werden. Aber genau diese Voraussetzungen machen ein sinnvolles Nachrüsten schwierig. Ich persönlich halte eine Solarthermieanlage, die nur für die Warmwasserbereitung installiert wird, für nicht sonderlich wirtschaftlich. Die Zeiten in denen das Warmwasser auf ein brauchbares Niveau aufgeheizt werden können, sind in unseren Breitengraden einfach zu selten.
Leider ist es hingegen so, dass die meisten Fertighaushersteller nur Solarthermie für Warmwasser anbieten. Klar ist es die „einfachste“ Lösung, da diese Anlage für den Sommer ausgelegt ist.
Dies bringt mich schon zu einem weiteren „Problem“ der Solarthermie für Heizungsunterstützung. Im Sommer hat man mehr Wärme zur Verfügung als benötigt. Für Häuser mit Schwimmbad, könnte hier die Wärme zum heizen den Beckens benützt werden, aber wenn man kein Pool besitzt kann man die geerntete Energie leider nicht nützen. Solare Klimaanlagen gibt es zwar schon, diese sind aber für den Privathaushalt noch zu teuer und zu groß. Sollten die in Zukunft günstiger werden, macht es durchaus Sinn die Sonne auch zum kühlen des Hauses zu benützen.
Und zum Schluss noch ein paar Erfahrungen die ich selber gemacht habe. Ich habe auf meinem Haus 23qm Flachkollektorfläche und im ganzen Haus eine Fußbodenheizung. Das ganze noch mit einer Hausbussteuerung und einem Pelletskessel. Gerade an so Tagen wie im Herbst 2012 (tagsüber Sonne und Nachts um die 2-5°) spielt die Anlage ihre Vorteile aus. Tagsüber wird der Puffer und das Warmwasser aufgeheizt und dies reicht dann locker um die Nacht durchzuheizen. Somit muss der Pelletskessel erst dann starten wenn wirklich keine, oder zu wenig Sonne für Warmwasser, zur Verfügung steht. Noch ganz kurz die Geschichte mit dem Hausbus. Der ist dazu notwendig um den Pelletskessel ein wenig zu bremsen und eine Kommunikation zw. Solaranlage und Pelletskessel herzustellen. Mit bremsen meine ich, dass ich es auch gestatte die Pufferspeicher Temperatur sehr weit absinken zu lassen wenn gerade die Sonne scheint. Hier ist dann davon auszugehen das die Solaranlage in wenigen Minuten Wärme liefert und somit der Pelletskessel gar nicht starten muss.
Peter
Es gibt sehr wohl Ansätze damit thermische Anlagen einen hohen Nutzen abwerfen.
1. Die Anlage muss für den Winterbetrieb optimiert werden (entsprechende Neigung)
2. Die Verbraucher dürfen das benötigte Warmwasser nicht heruntermischen, Waschmaschinen bzw. Duschen benötigen ja weniger als 40°C. Damit lässt sich der solare Ausnutzungsgrad verbessern.
3. Verluste bzw. Überschüsse müssen nutzbar gemacht werden (Speicherverluste heizen den Raum, sommerliche Überschüsse gehen in Erdspeicher oder werden für Adsorptionskühlung genutzts, solange TE noch zu geringe Wirkungsgrade hat
Danke Peter für deine Gedanken. Es wäre vor allem wichtig, dass man sich gedanklich ein bisschen öffnet von den kleinen Häuschen hinzu industriellen Anlagen. Die PV ist auch nicht durch die kleinen Anlagen so groß geworden sondern durch wirklich große MW-Parks. Es tut sich da gerade einiges und die Solarthermie ist vor allem dort stark wo viel Wärme gebraucht wird, diese Stärke muss man ausnutzen und jene Fälle wo eben nicht viel Wärme gebraucht wird, anderen Formen überlassen. Stärken ausnutzung und Schwächen mit anderen Formen ausgleich ist wichtig und natürlich auch der intelligente Einsatz von Regelungen wie du es machst.
So, so der Herr Professor will also Strom verheizen – aber nur “Abfallstrom”. Ist das nicht die höchste Form von Energie? Eigentlich zu schade dafür? Oder wird damit einfach kaschiert, dass derzeit zu wenig Netz für die Aufnahme von PV Strom da ist? Über Gesamtwirkungsgrade im System dürfen wir dann nicht mehr nachdenken. 3-5% der Sonnenenergie kommt dann noch beim Verbraucher an. Bei der Thermie sind es doch 20%-40% inklusive Speicherverluste.
Tatsache ist, dass derzeit ein PV Boom herscht, weil Lieschen Müller einfach Kohle damit machen kann. Die teuerste Technologie wird am meisten gefördert: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/energiewende-eine-quote-fuer-den-gruenstrom-11922146.html.
Zahlen tun es ja andere, nämlich wir alle. Ich bin als Besitzer einer Solaranlage mit Heizungsunterstützung, bin der Meinung, dass die Solarthermie genauso boomen würde, würde der Ertrag nach erbrachter Leistung gefördert. Dann würden auch die Preise nach unten gehen, da einfach viel mehr an Kollektoren und Speichern produziert werden könnte. Aber an Solarthermie verdient leider keine der stattlichen Lobbyis.