Simulationssoftware Solar

ScenoCalc – Simulationssoftware für Kollektorerträge

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Ich habe hier auf dem Blog bereits einen groben Überblick zu den wichtigsten Programmen gegeben, mit deren Hilfe man prüfen kann, ob sich die Installation und Inbetriebnahme einer Solarthermie-Anlage auch wirtschaftlich rechnen. Heute möchte ich ein weiteres Simulationsprogramm nachschieben: ScenoCalc (Solar Collector Energy Output Calculator).

Was ist die Software ScenoCalc für eine?

In der kleinen Artikelserie zur Diplomarbeit von Christoph Zinganell zum Thema solare Fernwärme in Österreich habe ich bereits kurz angeschnitten, dass der Christoph seine Ausführungen sowohl praktisch als auch rechnerisch belegt hat. Zum einen mit einem Solarprüfstand (praktischer Beleg) – was das genau ist, habe ich hier erklärt -, zum anderen mit einem sogenannten Simulationsprogramm (rechnerischer Beleg). Christoph begründet das so: „Um genauere und verlässlichere Jahreserträge der unterschiedlichen Solarsysteme am Standort Wien zu bestimmen, sind neben den experimentellen Messungen am Solarprüfstand auch Simulationen ein wesentlicher Bestandteil einer ökonomischen Analyse.“

Christoph hat sich dabei für eine Simulation mit dem Programm ScenoCalc entschieden. Das wurde von der European Solar Thermal Industry Federation, kurz ESTIF genannt, also dem europäischen Dachverband der Solarthermie-Branche, entwickelt. Laut Christoph, der das Programm übrigens in der Version 4.04 nutzte, wurde es von ESTIF speziell zur Simulation und Berechnung der Jahreserträge solarthermischer Kollektoren entwickelt. ScenoCalc wird demnach auch zur Ertragsprognose im Zertifizierungsprozess nach Solar Keymark (EN 12975-2) von unzähligen Prüf- und Testinstituten verwendet.

ScenoCalc ist laut der Beschreibung seitens der ESTIF ein bedienerfreundliches Programm, das auf der Microsoft Office Anwendung Excel basiert. So sieht der Startbildschirm aus:

ScenoCalc StartbildschirmScenoCalc wurde im Rahmen des EU-Projekts Quality Assurance in Solar Thermal Heating and Cooling Technologies (QAIST) entwickelt. ESTIF schreibt weiter, dass ScenoCalc den Endverbrauchern ermögliche, verschiedene Kollektoren unter verschiedenen Wetterbedingungen fair miteinander zu vergleichen, unabhängig davon, nach welcher der beiden Normen der EN 12975 diese getestet und zertifiziert worden seien: „Steady State oder Quasi Dynamic“.

ScenoCalc vergleicht Erträge von Kollektoren – und nur Kollektoren

Und das ist auch schon das Besondere an ScenoCalc: Das Simulationsprogramm vergleicht Kollektoren – und nur diese. Das heißt, es kann nicht zur Berechnung der Erträge kompletter  Anlagen, ganz gleich, ob von großer oder kleiner Dimension, herangezogen werden.

Da der Simulation Testdaten und Referenzdaten, unter anderem zur durchschnittlichen Solar-Einstrahlung von Würzburg, Stockholm oder Athen zugrunde liegen, die auch von anerkannten Test-Institutionen geliefert wurden, erhält der Anwender des Simulationsprogramms nach Eingabe seiner spezifischen Daten (zum Beispiel des Ortes) die jährlichen Energieerträge mit einer monatlichen Angabe zu den Betriebstemperaturen der unterschiedlichen Kollektoren. Alle Ergebnisse werden in Form einer graphischen Darstellung und als Tabelle ausgegeben.

Hört man sich ein wenig in der Branche um, so ist das Simulationsprogramm ScenoCalc tatsächlich vor allem deshalb eine Standard-Anwendung, weil es von ESTIF kommt und zur Zertifizierung der Solar Keymark verwendet wird. Einige Anwender haben sogar hausgemachte Varianten des Programms entwickelt, die auf ScenoCalc basieren, aber wesentlich leichter in der Handhabung seien und schneller Ergebnisse ausliefern können sollen. Aber das ist ja bei Software normal, dass sie ständig weiterentwickelt und optimiert wird.

Simulation und Solarprüfstand: Ergebnisse im Vergleich

Doch lasst uns noch einmal zu Christoph Zinganells Diplomarbeit zurück kommen. Der Christoph hat ja vier verschiedene Solarthermie-Systeme (Flachkollektor/FK, Vakuumröhrenkollektor/VK, Parabolrinne und Solarwand) sowohl theoretisch (Simulation) als auch praktisch (Solarprüfstand) untersucht. Spannend ist, so finde ich, dass dabei die errechneten Unterschiede in der Simulation zwischen Flach- und Vakuumröhrenkollektor sehr viel größer waren, als die in der Praxis ermittelten. Christoph schreibt dazu:

„Weitere Untersuchungen ergaben, dass die unterschiedlichen Temperaturniveaus der Kollektortemperaturen bei Simulation und Experimenten hierfür hauptverantwortlich sind. Diese nehmen direkten Einfluss auf die Wirkungsgrade der Kollektoren, wie auch die stark abnehmenden Erträge bei steigendem Temperaturniveau erkennen lassen. Die bei den Simulationen verwendeten Temperaturen beziehen sich immer auf die mittlere Temperatur des Kollektors, welche nach Abzug der Außentemperatur die Differenztemperatur ergibt und den Wirkungsgrad erheblich beeinflusst.

Die mittlere Kollektortemperatur war bei den experimentellen Messungen aufgrund der technischen Gegebenheiten am Prüfstand im Durchschnitt viel niedriger als bei den Simulationen, da keine aktive Vorerwärmung oder eine etwaige Warmwasserentnahme aus dem Wärmenetz möglich war und somit täglich das abgekühlte Wasser (~15 °C) erst solar erwärmt werden musste.“

Und weiter begründet Christoph die doch nicht so großen Unterschiede in der Praxis: „Die Simulationen beinhalten also auch die durch Wind verursachten Wärmeverluste, auf die der FK aufgrund seiner großen Kollektorfläche besonders sensibel reagiert. Somit liegen die Wirkungsgrade von FK und VR über das ganze Jahr hinweg bei höheren Temperaturnievaus noch weiter auseinander. Ein weiterer entscheidender Grund für die unterschiedlichen Resultate bei Experimenten und Simulationen sind die Folge der höheren Temperaturen. Alle Energieeinträge, welche unter dem geforderten Temperaturniveau liegen, werden für die Ergebnisse nicht berücksichtigt, auch wenn zu diesem Zeitpunkt Energie erzeugt wird. Die Wärmemengenzähler bei den Experimenten zeichneten jedoch jeglichen positiven Energieeintrag auf, unabhängig vom erreichten Temperaturniveau. Dies ist auch an der unterschiedlicher mittleren Globalstrahlung bei stattfindendem Energieeintrag ersichtlich, welche bei den Simulationen um 50 Prozent höher waren. Diese Umstände verzerren die durchschnittlichen Endergebnisse der Experimente deutlich und erklären die festgestellten Differenzen bzgl. solarer Erträge bei Simulation und Experimenten.”

Hier das Ganze noch einmal als grafische Darstellung:

Kollektorwirkungsgrade bei Experiment und Simulation

 

Wie immer an dieser Stelle im Zusammenhang mit Christophs Diplomarbeit der Hinweis: Christoph Zinganell erreicht Ihr unter der Mail-Adresse: christoph.zinganell@nullcollective-energy.at. Man kommt an Christoph auch über die Facebook-Seite des Unternehmens Collective Energy heran, das er 2011 mitgegründet hat.

Fotos: manun / photocase.de (Titel), ESTIF (Grafik), Christoph Zinganell (Grafik)