Nachdem wir in Teil 1 unserer neuen Reihe zum Thema „Solares Bauen“ erklärt haben, wie die geografische Lage Einfluss auf den Wärmebedarf eines Gebäudes nimmt und wie sich eine topografisch bedingte Verschattung auf den Solarertrag auswirkt, geht es in Teil 2 darum, aufzuzeigen, wie die Bauform des Gebäudes Energieeffizienz und Wärmebedarf beeinflussen.
Wie schon Teil 1 unserer neuen Artikelserie „Solares Bauen“ stützt sich auch Teil 2 auf Informationen aus dem „Leitfaden für eine energetisch optimierte Stadtplanung. Planungsgegebenheiten – Städtebaulicher Entwurf – Bebauungsplan – Vertragliche Regelungen“ , der von der Projektgruppe Klimaschutz des Amts für Stadtplanung und Bauordnung und vom Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster der Stadt Essen veröffentlicht wurde. Ihr könnt den Leitfaden hier als PDF-Datei downloaden.
Einfluss bautechnischer Faktoren auf den Energiebedarf von Gebäuden
Die Verfasser des Leitfadens schreiben der Art- und Weise, wie Gebäude gebaut und zueinander arrangiert werden, einen erheblichen Einfluss auf den Energiebedarf der Gebäude zu. Wozu sie auch anmerken, dass sowohl bauliche als auch technische Faktoren für ein energieeffizientes Gebäude überwiegend in der Objektplanungs- und Ausführungsphase zu beeinflussen und mit entsprechenden gesetzlichen Vorgaben und Verordnungen wie
- dem Energieeinsparungsgesetz (EEG),
- dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWG)
- und der Energieeinsparverordnung (EnEV)
inzwischen strikt vorgegeben seien.
Daher könne und solle deshalb auch schon beim Entwerfen und Planen der Gebäude auf die optimalen Bedingungen zur und vorteilhaften Einflussmöglichkeiten der Gebäudeausführung auf den Energiebedarf der Gebäude geachtet werden.
Beim Entwerfen und Planen komme es demnach auf folgende Aspekte an:
- die städtebauliche Kompaktheit
- de Stellung der Baukörper (Ausrichtung von Fassaden und Fensterflächen gen Sonne)
- Dachformen und Dachausrichtung
- Anordnung der Baukörper (möglichst ohne gegenseitige Verschattung, die den Solarertrag mindern würde)
- Berücksichtigung der Topographie (siehe Teil 1 unserer Artikelreihe)
- Anordnung der Bepflanzung (möglichst ohne Verschattung der Fassaden, die den Solarertrag mindern würde)
- Wahl passender Versorgungssysteme
Die Leitfaden-Autoren weisen darauf hin, dass eine solar-energetische Optimierung der Gebäude
- sowohl effizient Energie spare
- als auch deren Wohnqualität beeinflusse.
Bei der Energie-Bilanzierung eines Gebäudes stelle man demnach
- die Wärmeverluste über die Gebäudehülle (Transmissionswärme) und infolge von Lüftung
- den Wärmegewinnen (solare Gewinne und innere Wärmegewinne über Personen (Körperwärme) und Geräteabwärme (Heizwärme)
gegenüber. Die Heizwärmebilanz eines Gebäudes verrechne diese Wärmegewinne mit den Wärmeverlusten und ermittle so den Heizwärmebedarf des Gebäudes. Das sei, so schreiben die Leitfaden-Verfasser, der Teil der benötigten Wärme, der dem Gebäude über die Heizungsanlage zugeführt werden müsse.
Dabei treibe der Temperaturunterschied zwischen dem Inneren des Gebäudes und seiner Umgebung die Wärmeverluste an. Transmissionswärmeverluste entstünden, weil Energie durch Bauteile wie Bodenplatte, Wände, Dach und Fenster eines Hauses verloren gehe.
Die Energieeinsparverordnung sei als Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden ein Instrument, das helfe, sicherzustellen, dass beim Bau und Umbau Gebäuden ein bestimmter Standard an Maßnahmen eingehalten werde, die den Energieverbrauch des jeweiligen Gebäudes begrenzen.
Kompaktheit und ihr Einfluss auf den Wärmebedarf eines Gebäudes
Ein wesentliches Instrument der städtebaulichen Planung stelle den Autoren des Leitfadens zufolge die Beeinflussung der Kompaktheit von Gebäuden dar. Dabei gehe es ums Minimieren der Gebäudehülle – über die die Wärme übertragen werde und über die demzufolge die Wärmeverluste stattfänden – im Verhältnis zu dem von ihr eingeschlossenen Raum.
Die städtebauliche Kompaktheit eines Gebietes resultiere demnach einerseits aus der beabsichtigten (städte)baulichen Dichte und andererseits aus der Kompaktheit der Baukörper, die auf den Wärmebedarf der Gebäude entscheidenden Einfluss nähme. Wobei sich die Kompaktheit eines Baukörpers unter anderem aus dem Verhältnis von Länge/Tiefe/Höhe beziehungsweise Volumen (V) des Baukörpers zur Außenfläche beziehungsweise Oberfläche (= Hüllfläche A) ergebe. Demnach werde die Kompaktheit als A/V-Verhältnis definiert.
Dabei gelte: Je kleiner die Hüllfläche A im Verhältnis zum Gebäudevolumen V sei, desto weniger Wärme verliere ein Gebäude bei gleichem Dämmstandard.
Das A/V-Verhältnis werde von verschiedenen Aspekten beeinflusst:
Bauweise/Gebäudetyp beeinflusst Wärmebedarf
Für jede Bauform ergebe sich laut dem Leitfaden innerhalb der vom jeweiligen Baukörpervolumen bestimmten Spannweite ein typisches A/V-Verhältnis. A/V-Werte verschiedener Bauformen würden demnach im Bereich
- von 0,25 (entspreche einem günstigen A/V-Verhältnis) bei einer mehrgeschossigen Blockrandbebauung
- bis zu etwa 1,2 (entspreche einem ungünstigen A/V-Verhältnis) bei einem eingeschossigen Winkelbungalow liegen, wie auch die Grafik verdeutliche:
Verdichtete Bebauungsformen (gelber bis orangfarbener Bereich) würden grundsätzlich zu günstigen A/V-Verhältnissen führen.
Geschossigkeit beeinflusst Wärmebedarf
Auch die Zahl der Geschosse eines Gebäudes, die sogenannte Geschossigkeit, beeinflusse das A/V-Verhältnis erheblich. Es gelte, dass das A/V-Verhältnis mit zunehmender Zahl der Vollgeschosse günstiger (niedriger) werde.
Mehrfamilien- und Reihenhäuser hätten demnach bei weniger als 2 bis 3 Geschossen ein größeres (ungünstigeres) A/V-Verhältnis. Ein günstiges, niedriges A/V-Verhältnis weise laut dem Leitfaden eine Bauweise mit 3 bis 5 Geschossen auf. Bei mehr als 5 Geschossen verbessere sich das A/V-Verhältnis allerdings auch nicht mehr merklich. Denn ab dem 4. beziehungsweise 5. Geschoss seien extra technische Einrichtungen, zum Beispiel ein Fahrstuhl nötig, die
- den spezifischen Energieverbrauch,
- den Wohnflächenanteil
- und die Baukosten
des Gebäudes negativ beeinflussen würden.
Ein freistehend gebautes Einfamilienhaus habe dem Leitfaden zufolge auch bei 2 Geschossen ein ungünstiges A/V-Verhältnis.
Gebäudelänge beeinflusst Wärmebedarf
Dabei gelte, dass das A/V-Verhältnis mit steigender Baukörperlänge – bei unverändertem Baukörperquerschnitt – abnehme. Die Empfehlung des Leitfaden laute daher, dass die Gebäude-/Zeilenlänge
- bei zweigeschossigen Gebäuden etwa 20 Meter (m),
- und bei mehrgeschossigen Gebäuden etwa 30 m nicht unterschreite.
Eine Gebäude-/Zeilenlänge von 30 bis 50 m habe demnach ein günstiges A/V-Verhältnis, wobei längere Baukörper auf kein wesentlich besseres kämen.
Der Leitfaden empfiehlt, dass in Bezug auf das A/V-Verhältnis
- im Eigenheimbereich Reihenhauszeilen mit fünf und mehr Wohneinheiten freistehenden Einfamilienhäusern sowie Doppelhäusern
- und im Geschosswohnungsbau längere Gebäude Punkthäusern
vorzuziehen seien, wobei sich im Geschosswohnungsbau vier- bis fünfgeschossige Gebäudezeilen als sehr günstig erweisen würden.
Gebäudetiefe und Wärmebedarf
Auch mit zunehmender Baukörpertiefe verbessere sich laut Leitfaden das A/V-Verhältnis, wobei die Baukörpertiefe selbst großen Einfluss auf die natürliche Belichtung und Belüftung von Aufenthaltsräumen habe und sich zur Gewährleistung beider eine maximal mögliche Gebäudetiefe ergebe. Dazu müsse man wissen, dass im Wohnungsbau nur bis zu einer Raumtiefe von etwa 6 bis Metern und damit bis zu einer Gebäudetiefe von etwa 12 bis 14 Metern eine ausreichende Belichtung mit Tageslicht möglich sei.
Die Baukörpertiefe beeinflusse auch die Möglichkeiten zur passiven Sonnenenergienutzung, also ohne technische Anlagen, die die Strahlungsenergie der Sonne in Strom (Photovoltaik-Anlage) oder Wärme (Solarthermie-Anlage) umwandeln.
So könnten bei Gebäuden mit geringer Tiefe, gemeint seien weniger als 7 Meter Baukörpertiefe, anders als bei Gebäuden mit großer Tiefe, alle Aufenthaltsräume gen Sonne ausgerichtet werden. Wozu die Leitfaden-Verfasser jedoch anmerken, dass die daraus resultierenden Solargewinne die wegen der geringen Baukörpertiefe höheren Wärmeverluste nicht kompensieren würden. Es gelte daher, dass der Heizwärmebedarf mit abnehmender Baukörpertiefe ansteige. Die günstigste gebäudetiefe liege daher zwischen 12 und 14 Metern.
Für kleinere Einfamilien- und Doppelhäuser ergebe sich dem Leitfaden zufolge eine energetisch optimale Gebäudeabmessung
bei einem Verhältnis von Länge:Tiefe von 1:1 bis 3:2 und einer Gebäudehöhe von zwei Vollgeschossen plus Dachgeschoss.
Zergliederung des Gebäudekörpers (Gebäudeversatz) und Wärmebedarf
Eine Zergliederung des Baukörpers verringere dessen Kompaktheit und bringe eine Erhöhung des A/V-Verhältnisses mit sich. Dabei gelte
- zum einen, dass das A/V-Verhältnis steige, wenn der Gebäudeversatz zunehme,
- und zum anderen, dass der Anstieg des A/V-Verhältnisses umso deutlicher sei, je schmaler das Gebäude sei.
Negative Einflüsse auf das A/V-Verhältnis hätten demzufolge Erker sowie Vor- und Rücksprünge innerhalb eines Baukörpers. Ebenso würden sich sogenannte Luftgeschosse und ins Haus integrierte Garagen als unbewohnbare und unbeheizte Räume ungünstig auf dessen Kompaktheit auswirken.
Dachform und Wärmebedarf
Die Kompaktheit eines Gebäudes hänge den Verfassern des Leitfadens nach außerdem von der Dachform des Gebäudes ab. Wobei zur energetischen Bewertung der Dachausformung nicht das Hüllflächen-Gebäudevolumen-Verhältnis (A/V) entscheidend sei, sondern das Hüllflächen-/Wohnflächen-Verhältnis (A/WF). Der Grund: Das A/V-Verhältnis führe bei der Dachausformung zu einer Fehlbewertung der Kompaktheit und des tatsächlichen Energiebedarfs.
Das erklären die Leitfaden-Verfasser an einem Beispiel:
Bei einem Pultdach ergebe sich im Vergleich zu einem Flachdach ein Anstieg des Gebäudevolumens um etwa 11 Prozent, während die Außen- beziehungsweise Hüllfläche lediglich um etwa 7 Prozent anstiege. Was hieße, dass das A/V-Verhältnis eines Pultdaches mit 0,77 günstiger beziehungsweise kleiner ausfiele als das eines Flachdachs (0,81).
Demnach wäre das Pultdach kompakter und energieeffizienter. Ausschlaggebend sei jedoch, so ist im Leitfaden weiter zu lesen, dass sich bei den unterschiedlichen Dachformen zwar das Volumen ändere, der entstehende Luftraum aber nicht zwangsläufig die nutzbare Wohnfläche erhöhe, sondern zu zusätzlichen Wärmeverlustflächen führe und sich der wohnflächenbezogene Energiebedarf erhöhe. Entscheidend sei deshalb das Hüllflächen/Wohnflächen-Verhältnis A/WF, also der wohnflächenspezifische Wärmeverlust.
Das Hüllflächen/Wohnflächenverhältnis stehe bei Dachräumen unter dem Einfluss von:
- Dachform,
- Dachneigung,
- Kniestockhöhe
- und Baukörpertiefe.
Schlussendlich seien allerdings die Berechnungen des A/WF-Verhältnisses, der Dachform und des daraus resultierenden Energiebedarfs eine sehr komplexe Sache.
Darüber spiele die Dachform auch hinsichtlich der aktiven Solarnutzung mit Solarstrom- und Solarwärme-Anlagen eine große Rolle und sei diesbezüglich zu betrachten und energetisch zu bilanzieren.
Energetisch günstige Dachformen seien demnach
- das Flachdach als Vollgeschoss,
- das Satteldach,
- das Pultdach
- und das Tonnendach.
Staffel- Flachdach und Staffel- Pultdach hätten ein ungünstigeres A/WF-Verhältnis. Allgemein gelten Dacheinschnitte und Dachaufbauten ungünstig und seien daher möglichst zu unterlassen (siehe oben: Zergliederung/Gebäudeversatz).
Fotos: darknightsky/photocase (Titel), Leitfaden für eine energetisch optimierte Stadtplanung. Planungsgegebenheiten – Städtebaulicher Entwurf – Bebauungsplan – Vertragliche Regelungen (Grafiken 2)