Hier gibt’s mal was für die Augen: Wie versprochen haben wir uns aus der gerade von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. (FfE) herausgegebenen Dissertation von Roger Corradini “Regional differenzierte Solarthermie-Potentiale für Gebäude mit einer Wohneinheit” (als PDF zum Download hier) die spannendsten Grafiken herausgepickt, die aktuelle Daten und Fakten zum deutschen Solarthermiemarkt widerspiegeln.
Unsere Auswahl erhebt weder den Anspruch auf Vollständigkeit noch auf zusammenhängende Darstellung. Wir verstehen sie stattdessen als Sammlung – und kommentieren die einzelnen Abbildungen gegebenenfalls entsprechend kurz mit Originaltext aus Corradinis Dissertation. Wer mehr Details lesen will, sollte sich unbedingt das Gesamtwerk einverleiben. Doch genug der Vorrede, los geht’s mit den Bildern:
Gebäudebestand
“Ende 2010 gbt es in Deutschland rund 20,7 Mio. Wohngebäude mit 40,3 Mio. Wohneinheiten… Die gesamte Wohnfläche dieser gebäude beträgt … 3.400 Mio. Quadratmeter.” … “das Jahr 2007 von einer energetischen Gebäudesanierungsrate zwischen 0,5 und 1,0 Prozent …” “Das würde für den Mittelwert von 0,75 prozent bedeuten, dass es über 130 Jare dauern würde, den gesamten Gebäudestand zu modernisieren.”
Solarthermie-Bestand und -Entwicklung
“Trotz eines stetigen Zubaus von Solarthermie-Anlagen auf insgesamt rund 1,80 Millionen Anlagen bis Ende 2012 … mit einer verbauten Kollektorfläche von 16,48 Millionen Quadratmetern ist deren beitrag zur Wärmebereitstellung gering.”
Solarthermisch substituierbarer Endenergieanteil (solarer Deckungsgrad)
“Die Analyse des … Diagramms bestätigt Würzburg als guten Mittelwert …”
Solarthermisch substituierbarer und fossil zu deckender Endenergieverbrauch
Hier sieht man den Anteil, der laut der Dissertation solar zu substituieren wäre. Wir geben aber zu bedenken, dass hier immer nur von einer Anlage mit 15 m2 und 1000 L Pufferspeicher ausgegangen wird. Mich würde interessieren wie das unsere Leser einschätzen.
Solarthermische Anlagen und Kollektorflächen im Bundesländervergleich
Wie auch der Photovoltaik haben auch bei der Solarthermie die Bayern die Nase vorn. Was ist dort eigentlich so anders? Ist das die Naturverbundenheit?
Solarthermische Anlagen: Durchdringungsgrad und durchschnittliche Kollektorfläche
Zu sehen ist der Anteil an Anlagenbesitzern in den einzelnen Bundesländern (Prozentwert) und wie groß die Solaranlage im Durchschnitt ist. Man sieht, dass in Deutschland Kleinanlagen noch sehr deutlich vorne liegen.
Installierte Kollektorfläche je 1.000 Einwohner 2012
Auch diese Grafik ist spannend, bei der man sieht wie viel Quadratmeter Kollektorfläche auf je 1000 Einwohner kommen. Interessant ist der Unterschied zwischen Schleswig-Holstein und Bremen, die als Nordländer klimatisch eigentlich die selben Voraussetzungen haben sollten.
Substitutionspotential Endenergie für Solarthermieanlagen auf Gebäuden mit einer Wohneinheit je Gemeinde
Hier sieht man wie viel Endenergie durch Solarthermie ersetzt werden könnte. Wohlgemerkt geht es hier vorrangig um Gebäude mit einer Wohneinheit. Industrie und Fernwärmepotenzial ist hier nicht berücksichtigt.
Durchdringungsgrad: Solarthermie-Anlagen und Photovoltaik-Anlagen
Auch sehr spannend ist der Vergleich zwischen Solarthermie und Photovoltaik. Der Durchdringungsgrad ist bei der Solarthermie also deutlich höher. Das erstaunt daher, weil man in den Medien ausschließlich von Photovoltaik hört, nie aber von Solarthermie. Die Quadratmeter sind natürlich bei der Photovoltaik unter anderem deshalb höher, weil ein guter Solarthermiekollektor eine deutlich höhere Flächeneffizienz aufweist, als ein Photovoltaikmodul.
Zusammenhang: Förderungen und Kollektorflächen
Hier sieht man wie sich der Zusammenhang zwischen den Jahresfördersummen im vergleich zur in Betrieb genommenen Kollektorfläche entwickelt hat. Etwas nachdenklich stimmt das Jahr 2008 in dem anscheinend sehr viel Geld in den Markt gepumpt wurde, was jedoch nicht zu einem nachhaltigen Wachstum geführt hat. Der Einbruch 2010 ist markant und es scheint als hätte man der Thermie abrupt den Geldhahn zugedreht, bzw. das falsche Instrument gewählt um eine stetige Entwicklung zu gewährleisten. Was meint ihr zu dieser interessanten Grafik?
Praktisches solarthermisches Endenergie-Substitutionspotential
In der Arbeit wird sehr oft auf das Substiutionspotenzial (jene fossile Energie, die durch Solarthermie ersetzt werden könnte) eingegangen und es gibt auch einige Grafiken dazu. Stellvertretend für die vielen Grafiken, hier jenes mit den unterschiedlichen Szenarien.
Faktoren, die das technische Potential beeinflussen und / oder beschränken
Abschließend noch eine wichtige Grafik, die darstellen soll, wie viele Faktoren das Wachstum beeinflussen. Es zeigt auch, dass es nicht reicht an nur einer Schraube zu drehen, sondern dass viele Hebel in Bewegung gesetzt werden müssen um eine stetige Entwicklung aufzubauen.
So, nun seid ihr wieder dran. Was haltet ihr von den Ergebnissen? Ich nehme an das Subsitutionspotenzial und die Annahme von “nur” 15m2 Kollektorfläche könnte zu interessanten Diskussionen führen. Auch die katastrophale Fördersituation, die in Abb. 6-4 sehr eindrücklich dargestellt ist, könnte interessante Schlüsse zulassen.
- Grafiken 17: http://www.ffe.de/download/article/464/Dissertation_Roger_Corradini.pdf
- Titelfoto: carlitos / photocase.com
Hallo und vielen Dank für den Bericht zu dieser spannenden Diss. Vielleicht habe ich es noch nicht ganz verstanden, aber wieviel % Wärme wird denn nun in Deutschland mit Solarthermie verfügbar gemacht?
Beste Grüße
Kilian
Gute Frage! Ich muss gestehen, dass ich sie ad hoc nicht beantworten kann, aber schon lange einen Beitrag in diese Richtung bringen wollte.
Die erste Recherche ergibt:
Der BSW spricht von 1% am Wärmebedarf.
http://www.solarwirtschaft.de/fileadmin/media/pdf/2013_2_BSW_Solar_Faktenblatt_Solarwaerme.pdf
Ist also noch verschwindend gering wie bei der PV noch vor wenigen Jahren. 25% sind also ein heeres Ziel, welches noch viel, viel Arbeit bedeutet!
Die Zahl 1% hat auch Roger Corradini in seiner Arbeit genannt: …”dass Ende des Jahres 2012 hierzulande 1,8 Millionen Solarthermie-Anlagen mit einer Kollektorfläche von 16,5 Millionen Quadratmetern (m²) installiert waren, die rund 22 PJ (Petajoule, 1 Petajoule = 1.000 Terajoule) Wärme pro Jahr bereitstellen – was demnach nur rund ein Prozent des Endenergiebedarfs für Raumwärme und warmes Wasser decke.”
Der Anteil liegt lt. BMU gerade einmal bei 0,5 % der gesamten Raumwärme. Wenn der warme Wasserverbrauch mit eingerechnet wird steigt dieser Wert noch leicht an, aber 1 % sind sicherlich noch nicht erreicht. Es ist und bleibt wahrscheinlich, bei kleinen Anlagen, ein “nice to have, but not necessarily needed” Produkt.
grüße
Die Zahl von 1,1% ist schon richtig, da es um die solarthermische Wärmebereitstellung in Haushalten geht.
Für höhere regenerative Anteile im Wärmesektor ist weniger entscheiden, wie hoch der aktuelle Anteil der Solarthermie ist, sondern vielmehr welche Potenziale bestehen. D.h. welche Ziele können erreicht werden.
Und diese Potenziale sind anders als ihr Label transportiert, erheblich!
Die Solarthermie kann als ein Baustein der Wärmewende – ohne extremer Flächen wie es z.B. bei der PV der Fall ist – im EFH-Bereich bis zu 25 % der fossilen Energieträger einsparen und somit einen wesentlichen Beitrag zur angestrebten Energiewende in Deutschland leisten.
Grüße
Co
Ich finde die Potenziale auch deutlich wichtiger, als derzeitige Werte. Die Wärmewende hat noch nichtmal begonnen, deshalb ist vom Ist-Stand nicht viel herauszulesen. Viele Politiker kennen die Potenziale der Sonnenenergie nicht einmal, weshalb sie auch keine entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen (können). Umso wichtiger sind solche Studien. Vielen Dank auch hier, dass Sie sich eingeschaltet haben.
Frohes Neues erst einmal,
natürlich sind die Potenziale immens und daher deren Betrachtung sehr wichtig. Allerdings liegt m.E.n. der Schlüssel in der Ökonomie und daher, ähnlich wie in Dänemark, sollte der Ausbau großer Anlagen mit Kurzfristwärmespeicherung (Ausbau auf Langfristwärmespeicherung jederzeit möglich und denkbar) höhere Priorität erhalten, als einzelne nicht wirtschaftliche EFH-Anlagen. Um auf die Zahl von 1,1 % (von was auch immer) zurück zukommen, allein schon der Vergleich von den Millionen m² Kollektorfläche mit dem Anteil an der Wärmebereitstellung ist für den “Normalbürger” schwer nachvollziehbar und daher kontraproduktiv.
Weitere Frage: Wenn die Solarthermie im EFH-Bereich 25 % der Wärme denkt (2050 frühstens), welcher regenerative Energieträger übernimmt dann die restlichen 75 % (EE-Methan, Geothermie oder doch die WP)?
Beste Grüße
Dass eine einzelne Anlage im EFH nie wirtschaftlich sein soll, sehe ich als allgemein verbreitetes Gerücht. Dass viele Anlagen es trotzdem nicht sind, liegt an nicht ursächlich mit der solarthermischen Technik verbunden Gründen wie Fehlplanung, Fehlinstallation, ungünstigen Regelparametern und mangelnder Wartung.
So kann z.B. eine schlecht gewartete Ein-Kollektor-Anlage für Warmwasser in einem Altbau kann natürlich nur wenige Prozentpunkte des Erdgas- bzw. Öl-Bezugs decken – da der größte Anteil (Raumwärme) immer noch rein fossil gedeckt wird und die Schwankungen des Raumwärmebedarfs verschiedener Jahre den solarthermischen Ertrag komplett überdecken können.
1,1% Wärmeverbrauchs für Warmwasser und Raumwärme in Haushalten werden aktuell solarthermisch gedeckt.
25% sind durch Anlagen bis 20m² im Mittel über alle Baultersklassen beim heutigen Gebäudebestand der EFH erreichbar. Größere Anlage, neuere Gebäude und in Kombination mit Anlagen auf Mehrfamilienhäusern oder auch für ganze Siedlungen in Form solarer Nahwärme mit Saisonal-Speicher könnten noch deutlich mehr erreichen.
Die dann noch benötigten Wärmemengen, die nicht solarthermisch gedeckt werden können, können durch jede Form weiterer Energiequellen gedeckt werden – im Nachrüstmarkt (Gebäudebestand) kann dies im ersten Schritt auch der bestehende (fossile) Wärmeerzeuger bis zu seinem Lebensdauerende sein.
Bei entsprechendem Willen (politisch wie gesellschaftlich) ist das von mir aufgezeigte technische Potenziale dann auch deutlich früher realisierbar.
Beste Grüße
Co