Studie zeigt: Mindeststandards beschleunigen Systemwechsel von fossil auf erneuerbar

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Um Eigenheimbesitzer zum Systemwechsel – weg von einer fossilen Gasheizung und Ölheizung hin zu einer erneuerbaren Heizung – zu bewegen, können Mindeststandards wirkungsvoll sein. Das zeigt eine aktuelle Studie des ZEW – Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim und des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung (IÖR) Dresden.

Studie Heizungswechsel ZEW So heizen Deutsche
Die meisten Deutschen heizen laut dieser Grafik vom ZEW noch immer mit Gas und Öl. Wie der Heizungstausch mit einer politische Rahmensetzung beschleunigt werden könnte, hat ein ZEW-Wissenschaftsteam untersucht.

Die Wärmewende sei elementar für das Erreichen der deutschen Klimaziele. Angesichts des völkerrechtswidrigen Krieges, den Russland gegen die Ukraine führe, und der damit verbundenen Sanktionen sei die Wärmewende nun noch dringlicher geworden als zuvor. Das erklärt Prof. Kathrine von Graevenitz, PhD. Den hohen Gebäudebestand in Deutschland mit erneuerbaren Energien zu beheizen, das beschreibt die stellvertretende Leiterin des ZEW-Forschungsbereiches Umwelt- und Klimaökonomik und Co-Autorin der Studie gegenüber der Presse als Herkulesaufgabe, die leider zu lange unbeachtet geblieben sei.

Heizungssysteme auf Basis erneuerbarer Energien seien demnach für Verbraucher häufig teurer als fossile Heizungen. So hätten Gaskessel noch im Jahr 2021 rund 70 Prozent der 900.000 der neu installierten Heizungen ausgemacht. Umweltheizungen (Wärmepumpen), die Strom und damit erneuerbare Energie nutzen könnten, kämen auf nur 17 Prozent. Dabei werde das Heizen im EU-Mittel für ein Drittel des Energieverbrauchs und 40 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich gemacht.

Mit ihrem Energiepreis-Entlastungspaket wolle die Ampel-Koalition auch die Wärmewende vorantreiben, heißt es in der zugehörigen Pressemeldung weiter. So solle jede neu eingebaute Heizung ab 2024 zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden. Das Ziel der Bundesregierung sei ambitioniert. Die Frage sei jedoch, ob sich solche Mindestziele erfolgreich im Markt niederschlügen. Das wollten die Wissenschaftler des ZEW mit ihrer Studie überprüfen, erklärte die Umweltökonomin von Graevenitz.

Systemwechsel bei Heizungen: Baden-Württemberg als Forschungsobjekt

Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Studie zum Systemwechsel sei ein regulatorischer Sonderweg, für den sich Baden-Württemberg Ende der 2000er Jahre entschieden hätte. Bundesweit habe der Fokus der Energiepolitik zu dieser Zeit auf Neubauten gelegen. So schreibt der Bund die Nutzung regenerativer Energien zur Wärmegewinnung in Neubauten seit 2009 vor.

Das baden-württembergische Erneuerbaren-Wärme-Gesetz (EWärmeG) habe jedoch auch die Besitzer von Bestandsgebäuden dazu verpflichtet, ab 2010 beim Heizungstausch mindestens zehn Prozent des Wärmebedarfes mit erneuerbaren Energien zu decken. Neben dem Einsatz erneuerbarer Energien konnten Hausbesitzer dazu auch auf eine Reihe von Ersatzmaßnahmen zurückgreifen, um die Verpflichtung zu erfüllen. Zu diesen gehörten beispielsweise die Wahl eines Bio-Gastarifs oder das Beziehen von Bio-Heizöl.

Mithilfe von Daten zur Beantragung staatlicher Fördergelder für erneuerbare Heizanlagen analysierte das Wissenschaftsteam, wie oft diese in Baden-Württemberg vor und nach Inkrafttreten der gesetzlichen Verpflichtung im Vergleich zu den angrenzenden Bundesländern, die keine vergleichbare Regelung verabschiedet hätten, genehmigt worden seien.

Für den Zeitraum von 2007 bis 2014 finden die Forscher einen positiven und statistisch signifikanten Effekt von durchschnittlich zwei zusätzlichen bewilligten Anträgen pro 1.000 förderfähiger Gebäude. Bei einer angenommenen Sanierungsrate von einem Prozent pro Jahr entspräche dies einem Anstieg von etwa 20 Prozent nach Einführung des EWärmeG.

Das EWärmeG in Baden-Württemberg ziel darauf ab, Hausbesitzer zu einer Investition in erneuerbare Heizsysteme im Gebäudebestand zu bewegen, die eine solche Investition ansonsten trotz verfügbarer staatlicher Fördergelder nicht in Erwägung gezogen hätten. Die Kombination von Pflicht und Förderung von erneuerbarer Wärme führe also zu einer Erhöhung des Einsatzes erneuerbarer Heiztechnologien in bestehenden Wohngebäuden, erläutert von Graevenitz die Forschungsergebnisse.

Ersatzmaßnahmen und höhere Austauschkosten können positivem Effekt der Förderung zuwiderlaufen

Besonders wirksam sei die Regelung in Gemeinden gewesen, in denen erneuerbare Wärmeversorgung besonders wenig verbreitet war. Dort hätte die Pflicht mit sechs bewilligten Anträgen pro 1.000 förderfähiger Gebäude zu überdurchschnittlich vielen Investitionen in Wärmepumpen und andere erneuerbare Heizsysteme geführt.

Man könnte daraus schließen, dass sich Zuckerbrot und Peitsche für den Systemwechsel politisch gut ergänzten, fasst Dr. Robert Germeshausen, Forscher im Forschungsbereich Umwelt- und Klimaökonomik des ZEW und Co-Autor der Studie, die Ergebnisse zusammen: Jedoch hätten die Forscher auch beobachtet, dass die positiven Effekte der Regulierung mit alternativen Erfüllungsoptionen, zum Beispiel mit der Wahl eines Biogastarifs, abgeschwächt oder mit der Verzögerung des Heizungswechsels sogar teilweise konterkariert werden könnten. Dies unterstreiche die Bedeutung von Details in der Ausgestaltung entsprechender Regelungen.

Grafik (Titel): Doreen Brumme, Grafik (Text): ZEW