Nutzen solarer Wärmenetze einfach erklärt

Experten-Interview zu Wärme­netzen mit Solar­thermie „made by Ritter XL Solar“ (Teil 2)

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In Teil 1 des Interviews mit Christoph Bühler hat uns der Bereichsleiter Vertrieb und Marketing für das Profitcenter der Großanlagen der Ritter Energie erklärt, was er unter solarthermischen Wärmenetzen versteht und welche Wärmenetze mit Solarthermie als Wärmelieferant die Ritter Energie bislang erfolgreich errichtet hat. Wir haben auch erfahren, welche Wärmenetze für Christoph Bühler und seine Kollegen auf dem Plan stehen. Im vorliegenden Teil 2 des Interviews geht es um die wichtige Frage, welchen Nutzen solare Wärmenetze haben.

Christoph Buehler erklaert solares Wärmenetz
Unser Experte für solare Wärmenetze: Christoph Bühler, Bereichsleiter Vertrieb und Marketing für das Profitcenter der Großanlagen der Ritter Energie. Foto: Christoph Bühler / Ritter Energie

Welchen Nutzen haben Wärmenetze mit Solarthermie, Christoph Bühler?

Christoph Bühler: Generell sollten wir, so glaube ich, von

  • dem Nutzen von Wärmenetzen
  • und dem Nutzen der Solarthermie (in Verbindung mit Wärmenetzen)

sprechen. Das Wärmenetz ist definitiv ein Beschleuniger der Wärmewende. Durch die Versorgung einer Kommune über ein neues Wärmenetz können auf einen Schlag viele Verbraucher auf eine nachhaltige Wärmeversorgung umgestellt werden. Darüber hinaus beschleunigt es auch die Sektorkopplung, Strom kann so auch in Wärme umgewandelt werden und das Wärmenetz somit auch als Lastmanagement-Stromerzeugung dienen.

Der zweite Punkt ist nun die Wärmeerzeugung, der „Wärmeerzeugungsmix“ der Zukunft. Auch hier muss in Zeithorizonten gedacht werden. Solarthermie muss hier ein wichtiger Bestandteil sein, da es eine CO2-neutrale Wärmeerzeugungsoption ist. Netze bieten die Möglichkeit der zentralen Einspeisung größerer Anlagen, bestenfalls einer solarthermischen Freiflächenanlage, da hier die spezifischen Kosten solarer Wärme am geringsten sind: Besser also eine große Freiflächenanlage mit einem Wärmepreis von 30 bis 40 Euro je Megawattstunde (MWh) als viele kleine auf einzelnen Gebäuden, bei denen der Wärmepreis ungleich höher ist.

Eine wichtige Anmerkung noch an dieser Stelle: Es gibt Stimmen, die sagen, man muss die Netztemperaturen auf ein niedrigeres Niveau bringen. Das ist natürlich kein gegensätzlicher Punkt zur Notwendigkeit von Netzen und der Solarthermie, sondern weiterer wichtiger parallel anzugehender Punkt. Je niedriger die Netztemperaturen, desto höher die Effizienz der Solarthermie (und auch anderer Wärmeerzeuger) und desto niedriger die Netzverluste. Das ist aber nicht überall einfach umsetzbar. Hier muss man in jedes einzelne Gebäude gehen und die Wärmeverteilung optimieren. Ein wichtiger Punkt, der in meinen Augen in den Bereich der Effizienz einzuordnen ist. Zudem ist es in Bestandsgebäuden, gerade städtischen, nicht sehr trivial, dies umzusetzen.

Machen kleine Anlagen dann überhaupt Sinn?

Ja, kleinere Anlagen sind durchaus sinnvoll. Ich selbst wohne in einer Region, in der es kein Wärmenetz gibt. So decken 20 Quadratmeter (m²) Röhrenkollektoren 50 Prozent meines Wärmebedarfs.

Unabhängige Studien sehen im Energiesystem 2050 einen Anteil der Solarthermie an der Wärmeversorgung zwischen 20 bis 25 Prozent, hierfür ist die Kleinanlage neben der Netzanlage unverzichtbar. Die Ausbaugeschwindigkeit von Netzen mit Solarthermie muss enorm zunehmen, wenn dieses Ziel sowie das Ziel zur Dekarbonisierung bis 2050 erreicht werden soll. Die bestehenden Netze bieten hier natürlich das schnellste Potential, sie sind sozusagen die „niedrig-hängenden Früchte“. Aber auch die erwähnten neuen Solarenergiedörfer können hier zeitnah erschlossen und umgesetzt werden.

Klar ist auch, dass Solarthermie nicht die alleinige Lösung der Wärmewende ist. Bis 2050 sind Brückentechnologien notwendig. Hier ist die KWK unverzichtbar. Gegebenenfalls auch im Endausbauziel der Dekarbonsierung, wenn das durch erneuerbaren Strom erzeugte synthetische Gas wieder in Wärme und Strom umgewandelt wird.

Und was bringt ein solares Wärmenetz an konkretem Nutzen …

  • … den Gemeinden?

Durch ein Projekt lebt die Gemeinde gemeinsam die Wärmewende und schafft es innerhalb kurzer Zeit, auf einen Schlag Ihre Wärmeversorgung (je nach Anschlussquote) CO2-neutral zu gestalten.

Die Kaufkraft, die vor Errichtung des Netzes meist in den mittleren Osten abwanderte (viele ländliche Gebiete heizen nach wie vor mit Öl) bleibt nun in der Region. Da kommen schnell einige 100.000 Euro zusammen, auch bei kleinen Kommunen. Auf den Bürgerveranstaltungen spürt man den Stolz der Bürger auf das Geschaffte und einen Zusammenhalt der Gemeinde.

Viele Bürger empfinden Abhängigkeit, wenn nun nicht mehr die eigene Heizung im Keller für Wärme sorgt, sondern sie von einem zentralen Heizkraftwerk versorgt werden. Aber der eigene Gas- oder Ölkessel schafft ebenfalls Abhängigkeit. Ohne Abhängigkeit geht es nur, wenn man sich zu 100 Prozent selbst brennstofffrei versorgt. Das ist allerdings ein finanziell sehr aufwendiges Projekt.

Mit Solarthermie macht man sich für den Wärmeanteil, der seitens der Solarthermie beigesteuert wird, preislich unabhängig und schafft Sicherheit. Natürlich werden auch bei Hackschnitzeln Preissteigerungen zu erwarten sein. Aber man ist sicherlich nicht abhängig von globalen unkalkulierbaren Preisentwicklungen im Bereich Gas und Öl.

Ein Netz mit zentraler Wärmeversorgung macht flexibel und reaktionsschnell. Nehmen wir an, wir hätten Engpässe in der Versorgung mit Hackschnitzeln oder man hätte überschüssigen Strom, der mit einer Wärmepumpe nun zur Wärmeversorgung genutzt werden könnte. Dann stellt man der Heizzentrale einfach einen zusätzlichen Wärmeerzeuger hin. Ohne das Netz müsste jeder einzelne Haushalt wieder eine Investition tätigen, so verteilt sich ein zentraler Wärmerzeuger auf viele Haushalte: eine ungleich kleinere Investition.

In den bisherigen neuen dörflichen Wärmenetzen wurde zudem immer gleich Breitband mit verlegt. Das Thema Digitalisierung ist in aller Munde, der mangelnde gerade kommunale Ausbau bekannt. So schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe.

  • … den Stadtwerken / Netzbetreibern?

Stadtwerke / Netzbetreiber können mit solarthermischen Anlagen schnell und einfach ihre CO2-Bilanz verbessern.

Für den Anteil, der nun seitens der Sonne bereitgestellt wird, hat der Betreiber Planungssicherheit. Auch wenn Öl und Gas auf einem nach wie vor (deutlich zu) niedrigen Preisniveau sind. Können Sie sagen, wie lange die Preise so niedrig bleiben? Natürlich sehe auch ich, dass keine kurzfristige Erhöhung der Preise zu erwarten ist. Aber ich halte das Abwarten der höheren Brennstoffpreise bis man dann agiert für ein Risiko, das ich nicht bereit wäre, einzugehen. Hier stehen (wie so oft) kurzfristige Renditen oftmals im Vordergrund vor langfristiger Sicherheit. Sobald Sie hier Aktionäre oder andere Anteilseigner haben, ist dieses Vorgehen eigentlich auch alternativlos. Das erklärt aber auch, dass unsere bisherigen Kunden meist kommunale Einrichtungen sind, die eben nicht nur auf kurzfristige Renditen aus sind.

Energieversorger machen sich bei ihren Kunden zudem attraktiv, wenn man damit werben kann, dass man seinen Energiemix zumindest in Teilen erneuerbar deckt. Man erhöht hierdurch auch die Kundenbindung, schafft attraktiveren Wohnraum.

  • … der Politik?

Nun, wie wir alle wissen, hat die Politik sich über das Pariser Abkommen hinaus sehr ambitionierte Ziele gesteckt. Stichwort Dekarbonisierung bis 2050 (95 Prozent Reduzierung fossiler Brennstoffe). Die Erreichung dieses Zieles ist in meinen Augen utopisch, wenngleich ich für die Äußerung solcher ambitionierter Ziele bin. Jede weitere Verschiebung nach hinten wäre der Situation nicht gerecht, zumindest nicht für die, die an den wissenschaftlich belegten Klimawandel glauben, und an die Endlichkeit unserer Rohstoffvorkommen.

Wie möchte man die Wärmewende schaffen? In dem man darauf wartet, dass jeder Besitzer eines Gebäudes seine Heizung auf erneuerbare Energieträger umstellt? Ich denke, das wäre schlichtweg Unsinn und unrealistisch.

Netze erfüllen hier zwei wichtige Funktionen:

  • Man kann schnell viele Objekte mit erneuerbarer Wärme versorgen.
  • UND: Netze sind unverzichtbar, um sich flexibel aufzustellen und eine  notwendige Sektorkopplung umsetzen zu können. Die Solarthermie sollte hier stets Bestandteil eines Netzes sein, da sie einen CO2-neutralen Beitrag leisten kann.

Erwähnen möchte ich hier noch die Nutzung von Abwärme, was für mich in den Bereich Energieeffizienz gehört. Solarcomplex hat zum Beispiel die Kommune Bonndorf ebenfalls über ein Netz mit Abwärme aus dem angesiedelten Schinkenproduktionsbetrieb versorgt. Abwärme hat stets vorrangig genutzt zu werden. Wo diese Option nicht besteht, da sollte die Solarthermie gesetzt sein.

  • … den Genossenschaften?

Genossenschaften haben generell den Vorteil, dass die Energie zu den Gestehungskosten kalkuliert werden kann. Die Wärmeversorgung liegt in der eigenen Hand der Genossenschaft. Auch hier gelten Vorteile wie, dass die Solarthermie Kalkulationssicherheit bietet, da sie keiner Brennstoffpreiserhöhung unterliegt.

  • … dem Handwerk?

Ein erwähnenswerter Punkt! Ritter kommt ja ursprünglich aus dem Bereich der Heizungssystemtechnik für das Ein- und Zweifamilienhaus und arbeitet hier mit vielen Heizungsbaupartnern zusammen. Das Standbein der Heizungsbauunternehmen sind neben Sanitär natürlich auch Heizungssysteme. Sobald hier nun kommunal ein Netz mit zentraler Heizungsanlage gebaut wird, geht dem Heizungsbauunternehmen eine Zielgruppe verloren. Selbst die Übergabestationen in den einzelnen Häusern werden hier oftmals vom Netzbetreiber geliefert. Hier ist es meines Erachtens auch wichtig, für all das, was in den einzelnen Gebäuden installiert wird, über das Handwerk zu vertreiben. Wir brauchen das Handwerk, das wollte ich an dieser Stelle unbedingt noch erwähnen!

Vielen Dank, Christoph Bühler, dass Sie uns den Nutzen solarer Wärmenetze so ausführlich erklärt haben. Bis zum nächsten Mal!

Zu den weiteren Artikeln dieser Interview-Reihe:

Experten-Interview zu Wärmenetzen mit Solarthermie „made by Ritter XL Solar“ (Teil 1)

 

Fotos: Christoph Bühler, Ritter Energie