In 2014 ist die zweimillionste Solarthermie-Anlage auf einem deutschen Dach in Betrieb genommen worden. Diese Meldung des Bundesindustrieverbandes Deutschland Haus-, Energie- und Umwelttechnik (BDH) und des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW-Solar) geht gerade durch alle Medien der Solar-Branche und auch darüber hinaus. Doch wie soll ich auf so eine Meldung reagieren? Mit: „Wow! Schon zwei Millionen!“ oder „Wow! Erst zwei Millionen?“ Hier kommt der Versuch, die Zahl im Zusammenhang einzuordnen.
Laut den genannten Verbänden wurden im vorangegangenen Jahr bundesweit rund 112.000 neue Solarwärme-Anlagen mit einer Gesamtkollektorfläche von 900.000 Quadratmetern neu installiert. Weiter heißt es in der entsprechenden Pressemitteilung auch noch: „In keine andere EE-Technologie (EE = Erneuerbare Energien – Anmerkung von mir) haben so viele Verbraucher bislang investiert.“ Und das trotz der in 2014 vorherrschenden Tieflage des Ölpreises.
Das sei, so sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar, ein beachtliches Statement für Klimaschutz und langfristige Versorgungssicherheit. Auch kurzfristige Ölpreistiefs könnten ihm zufolge die Begeisterung der Menschen für die Solarenergie nicht wirklich dämpfen. Körnig sagt auch, dass wer sich vor der nächsten Öl- und Gaspreisspirale schützen möchte, das durch temporär günstigere Brennstoffe eingesparte Geld jetzt in zuverlässige und klimafreundliche Solarthermie investiere. Das spare langfristig, mache unabhängiger von Energieimporten und steigere den Wert einer Immobilie.
Nun, eine Dämpfung erfährt die Begeisterung der Verbraucher für Solarthermie meiner Wahrnehmung nach sowieso eher durch falsche und unsichere Förderungspolitik und andere Investitionsbremsen als durch einen tiefliegenden Ölpreis.
Doch zurück zu den zwei Millionen bereits installierten Solarthermie-Anlagen. Sind das jetzt viele oder wenige? Nächste Frage: Wie viele Dächer hat Deutschland überhaupt? Die zweite Frage beantwortet die folgende Statistik (Quelle: Statista) schon mal teilweise:
Demnach gab es hierzulande Ende 2013 18,5 Millionen Wohngebäude. Sabine hat sich hier auf dem Blog schon einmal näher mit dem Dachbestand und dem darauf basierenden Potential für die Solarthermie beschäftigt. Sie schrieb: Insgesamt stehen auf Dächern, Fassaden und Freiflächen gut 2000 Quadratkilometer zur Verfügung; das ist ungefähr so viel wie die Fläche von Berlin, Hamburg und Wien zusammen. Zieht man die bereits mit Photovoltaik oder Solarthermie ausgestatteten Dächer ab, bleibt immerhin ein Potential von 6 bis 8 Millionen Dächern allein im Wohngebäudebestand.“
Doch Dächer auf Wohnhäusern sind nicht alles an Dach, was wir haben: Hinzu kommen zu den 18,5 Millionen Wohngebäude-Dächern selbstverständlich noch die auf Nichtwohngebäuden. Also auf öffentlichen Gebäuden, Gewerbe- und Industriebauten sowie Gebäuden in der Landwirtschaft, um nur die wichtigsten zu nennen. Ihre Zahl hat Sabine auf 4,35 Millionen beziffert.
Wir haben demzufolge insgesamt mehr als 22 Millionen Dächer über unseren Köpfen, daheim, beim Wohnen, beim Arbeiten und beim Freizeiten. Und ja, mir ist klar, dass nicht jedes Dach das Zeug zum Tragen einer Anlage hat.
Dennoch tendiere ich dazu, die zweimillionste Solarthermie-Anlage in Deutschland eher mit „Wow! Erst zwei Millionen?“ zu kommentieren. Schließlich ist das Potential noch immens. Das hat uns nicht zuletzt Diplom-Ingenieur und Diplom-Physike Roger Corradini in seiner Forschungsarbeit zum Potential deutscher Solarthermie aufgezeigt: “In meiner Arbeit habe ich in drei Szenarien unterschiedliche Anlagengrößen betrachtet. In der Minimal-Variante sind es 10 m² Kollektorfläche, die sich bis zur optimale Variante auf 20 m² steigert. Natürlich können auch größere Anlagen gebaut werden – meine Potenzialstudie sollte jedoch zeigen, dass bereits bei dieser moderaten Größe erhebliche Potenziale bestehen. Das technische Substitutionspotenzial bewegt sich dann letztlich für ganz Deutschland zwischen 17 bis 25 Prozent der ohne Solarthermieanlage benötigten Heizöl- oder Erdgas-Menge.”
Ähnlich sehen das auch die beiden eingangs genannten Branchenverbände: Gut zwei Drittel aller in Deutschland installierten zentralen Wärmeerzeuger sind modernisierungsbedürftig, etwa drei Millionen Heizkessel gelten als gänzlich ineffizient und veraltet. Sie sollten dringend ausgetauscht werden, schreiben sie in der Pressemeldung weiter. Andreas Lücke, Hauptgeschäftsführer des BDH, sagt: „Leider nutzen bisher nur 10 Prozent der in Deutschland installierten Heizungen die Solarthermie. Damit wird eine Chance vertan, gut 20 Prozent an Erdgas und Heizöl einzusparen zugunsten des Ressourcen-, Klimaschutzes und zur Entlastung bei den Heizkosten.“
Großes Potenzial für Solaranlagen böten demnach nicht nur die fast 14 Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser in Deutschland. Auch in Industrie und Gewerbe könnte Solarwärme ineffiziente und klimaschädliche Heizungs-Anlagen ersetzen und die Betriebskosten langfristig senken. Besonders im Nieder- und Mitteltemperaturbereich könne die Sonnenenergie große Teile des Wärmebedarfs decken. Ich werfe dem hier nur noch mal das Stichwort solare Prozesswärme hinterher.
Bleibt nur, zu hoffen, dass die Investitionshemmnisse abgebaut werden, denn angesichts der “Über zwei Millionen Solarthermie-Anlagen” schreib ich nur: “Deutschland, da geht doch noch was!”
Foto: bungo / photocase.de (Titelbild), BSW-Solar, BDH (Grafik), Statista (Grafik),
Ein sehr schöner Beitrag! Ich denke auch, dass im Bereich der Solarthermieanlagen noch einiges geht. Ein spannendes Thema im Bereich der Solarthermie wird künftig die Wärmespeicherung in großen Schichtenspeichern sein (ca. 8 -10m³ für ein Einfamilienhaus). Die gewonnene Wärme kann ein Schichtenspeicher über Wochen oder Monate vorhalten. Es kommt also noch einiges auf uns zu.
Leider macht man sich um das Thema Wärmespeicherung wenig Gedanken. Solch großen Speicher (8-10m³) kann man sicherlich in Neubauten gut integrieren, aber was macht man mit dem Bestand? Viele Bestandsanlagen können mit wenig Aufwand nicht nur Brauchwasser erwärmen sondern auch die Heizung unterstützen, was wesentlich effizienter ist. Aber zum Thema Speicherung und Alternativen zu großen Wasserspeichern liest man herzlich wenig, sodass viele Interessierte dann einfach abwinken.
Ein sehr schöner Beitrag, der leider auch zeigt das noch viel getan werden kann bzw. muß. Bei 18,5 Millionen Wohngebäuden in Deutschland und 2 Millionen Solarheizungen heißt das, dass 89% noch ohne Solarthermie sind und zusätzlich 50% der Heizungen älter als 205 Jahre sind.
Jedoch gerade bei Bestandsbauten erlebe ich immer wieder, dass das Thema Heizungssanierung mit Solar ein Thema der Kosten ist. Sprich was kostet mich eine Solaranlage und was spare ich dadurch an Energiekosten ein.
Bei 10m² Röhrenkollektor und einem Pufferspeicher sind schnell 15.000,- € zusammen um 5.000 kWh/a von der Sonne zu bekommen. Wenn man die Kosten statisch auf 25 Jahre verteilt dann kostet die Solaranlage 600,-€ im Jahr. Oder anders, für 5.000 kWh muß ich 0,12€/kWh investieren. Dies ist vielen Kunden einfach zu teuer, bzw. die Amortisationszeit ist Ihnen zu lange oder die fossilien Energien kosten noch zu wenig.
So interressant nun große Schichtenspeicher auch sein mögen. Bei den heutigen Baupreisen (Rhein-Main-Gebiet) und den kleinen Grundstücken die sich die “normalen” Bürger noch leisten können oder wollen ist eine Anlage mit einem großen Speicher im Kombination mit einer großen Kollektorfläche einfach nicht finanzierbar.
Es gehört schon eine gesunde Portion Idealismus und Weitblick über die Energiekosten die ein Haus in 25 Jahren verursacht dazu um sich solch eine “teure” Heiztechnik einzubauen. Vielen ist das Auto vor der Tür wichtiger (das sieht wenigstens der Nachbar) als die Heizung im Keller. Und schließlich gibt der schwarze Mann ja jedes Jahr auch sein ok zur alten Heizung. Leider!