Klimabildung

Klimabildung hilft: Weißt du oder weißt du (noch) nicht?

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Wenn wir dem fortschreitenden Klimawandel erfolgreich entgegen treten wollen, dann braucht das uns alle. Doch längst nicht alle Menschen erkennen derzeit an, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Gleichwohl die Wissenschaftler dieser Welt sich spätestens seit Anfang der 1990er Jahre einig sind, dass wir Menschen mit unserem Tun und Nichtstun die Klimaerwärmung forcieren, gibt es noch immer viele Zeitgenossen, die eben diesen Konsens bestreiten. Warum ist das so? Eine aktuelle Studie klärt über Zusammenhänge zwischen extremer anti-wissenschaftlicher Haltung und Wissen zu einem umstrittenen Thema auf. 

Laut der erwähnten Studie, deren Ergebnisse gerade in der Zeitschrift “Nature Human Behaviour” veröffentlicht worden sind, wüssten Menschen mit extremen anti-wissenschaftlichen Ansichten tatsächlich am wenigsten, meinen aber, dass sie am meisten wüssten.

Wissensillusion – warum leugnen Klimawandelleugner den Klimawandel?

Die Autoren der Studie schreiben, dass Menschen oft einer sogenannten Wissensillusion erliegen würden. Demnach wüssten beispielsweise diejenigen, die die extremsten Ansichten über gentechnisch veränderte Lebensmittel vertreten würden, am wenigsten darüber: Vor kurzem befragten Forscher mehr als zweitausend US-amerikanische und europäische Erwachsene, welche Meinung sie zu gentechnisch veränderten Lebensmitteln hätten. Die Umfrageteilnehmer wurden dabei auch gefragt, wie viel sie glaubten, über gentechnisch veränderte Lebensmittel zu verstehen. Dies geschah mit Hilfe einer Reihe von 15 “wahr oder falsch?”-Fragen, um zu prüfen, wie viel die Befragten tatsächlich über Genetik und Wissenschaft im Allgemeinen wussten.

Die Forscher waren daran interessiert, ein perverses menschliches Phänomen zu untersuchen: Menschen neigen dazu, eher schlecht als recht zu urteilen, wie viel sie wirklich von einer Sache wissen. In insgesamt vier Studien, die in drei Ländern – den USA, Frankreich und Deutschland – durchgeführt wurden, stellten die Forscher fest, dass extreme Gegner von gentechnisch veränderten Lebensmitteln nicht wüssten, wie viel beziehungsweise wenig sie wüssten. Nach Auswertung der Umfrageergebnisse wüssen sie am wenigsten, denken aber, sie wüssten am meisten.

Und so kamen die Autoren der Studie zu dem Schluss, dass Menschen desto mehr gegen den wissenschaftlichen Konsens seien, je weniger sie wüssten.

Was tun mit Klimawandelleugnern?

Wie soll man mit diesem Studienergebnis umgehen? Nicht zu wissen heißt ja bestenfalls, noch nicht zu wissen. Schließlich kann jeder sein Wissen vertiefen und/oder erweitern. Was bringt es also beispielsweise für den Klimawandel, Wissen zu kommunizieren? Die Studienautoren schreiben, dass Wissenschaftskommunikatoren ja bereits konzertierte, also abgestimmte und übereinstimmende Anstrengungen unternommen hätten, um die Öffentlichkeit aufzuklären, um ihre Einstellungen mit den Experten in Einklang zu bringen.

Und dass sich dabei die Menschen, die ihren Kenntnisstand überschätzten und somit am meisten wissensbedürftig seien, als diejenigen erwiesen, die am wenigsten offen für neue Informationen waren. Das lege nahe, dass eine Grundvoraussetzung für die Veränderung der Ansichten der Menschen mit Bildung darin bestehen könnte, dass sie zunächst die Wissenslücken erkennen (und anerkennen – Anmerkung der Redaktion).

Das Ganze ähnele dem sogenannten Dunning-Kruger-Effekt: Je weniger ein Mensch in etwas kompetent sei, für desto klüger halte er sich. Solche Menschen kämen den namensgebenden David Dunning und Justin Kruger zufolge nicht nur zu falschen Schlussfolgerungen und träfen unglückliche Entscheidungen, nein, ihre Inkompetenz raube ihnen auch die metakognitive Fähigkeit, dies zu erkennen.

Die Autorin des zugehörigen Artikels in der National Post führt an dieser Stelle den englischen Schauspieler und Komiker John Cleese an, der einst sagte: “Wenn du sehr, sehr dumm bist, wie kannst du dann überhaupt erkennen, dass du sehr, sehr dumm bist? Man müsste relativ intelligent sein, um zu erkennen, wie dumm man ist.”

Extreme Ansichten zu einem Thema gingen häufig einher mit einer Nicht-Beachtung der Komplexität desselben – “nicht zu realisieren, wie viel es zu wissen gibt”. Das sagt Philip Fernbach, Erstautor der neuen Studie. Menschen, die nicht sehr viel wissen, denken, dass sie viel wissen, und das ist die Grundlage für ihre extremen Ansichten, erklärt der Wissenschaftler und Professor für Marketing an der University of Colorado Boulder weiter.

Die Erkenntnisse seines Teams erstreckten sich über alle Bildungsstufen hinweg und auf Menschen auf beiden Seiten des politischen Ganges. Gentechnisch veränderte Lebensmittel seien laut Fernbach ein überparteiliches Thema. Die Menschen sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite hassten beide Arten GVO’s, obwohl die Mehrheit der Wissenschaftler sie für den menschlichen Verzehr genauso sicher halten wie konventionell angebaute. Die Gentechnik sei demnach eine der wichtigsten Technologien, die die Welt wirklich dramatisch verändere und das Potenzial habe, dem Menschen enorme Vorteile zu bringen, sagt Fernbach. Und doch gebe es eine sehr starke Opposition. In einer ihrer Studien berichteten 91 Prozent der 1.000 befragten erwachsenen US-Bürger von einem gewissen Grad an Widerstand gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel. Je extremer die Opposition, die Fernbach und seine Mitautoren feststellten, desto weniger wussten die Menschen über die Naturwissenschaften und Genetik – aber desto mehr wuchs ihr selbstbeurteiltes Wissen an, also wie viel sie glaubten zu wissen .

Wenn jemand gut beisammen sei, sollten diese beiden Dinge ziemlich stark korrelieren: Wenn ich wüsste, wie viel ich weiß, dann weiß ich, wenn ich wenig weiß, dass ich ein wenig weiß, und wenn ich viel weiß und das wüsste, sollte ich sagen, dass ich viel weiß, erklärte Fernbach. Es sollte daher eine hohe Korrelation zwischen dem selbst eingeschätzten und dem tatsächlichen Wissen geben. Denn in der Tat träfe eben diese auf Menschen zu, die moderat seien, oder Menschen, die eine Haltung haben, die mit dem wissenschaftlichen Konsens übereinstimme, sagte Fernbach weiter. Doch wenn Menschen extremer würden, verschlechtere sich diese Beziehung und kippe, so dass Menschen, die glaubten, sie wüssten mehr, tatsächlich weniger wissen.

Extremisten hätten demnach die Eigenschaft, viel schlechter einzuschätzen als andere Menschen, wie viel sie wissen. Die Autoren, zu denen auch Mitarbeiter der Universität Toronto gehörten, untersuchten

  • neben dem Thema gentechnisch veränderte Lebensmittel noch andere Themen,
  • darunter die Gentherapie zur Korrektur genetischer Störungen
  • und die vom Menschen verursachte Leugnung des Klimawandels.

Als es um die Gentherapie zur Korrektur genetischer Störungen ging, hätten sich demnach die gleichen Effekte wie bei genetischen Veränderung von Lebensmitteln ergeben. Beim Leugnen des Klimawandels aber nicht. Als Grund dafür führt Fernbach an, dass der Klimawandel politisch so polarisiert ist, dass die Menschen alles, was ihre Ideologie sage, unterschreiben würden, egal, wie viel sie zu wissen glauben.

Menschen unterlägen oft einer Wissensillusion, schreiben die Autoren der Studie, sie glauben, sie verstünden alles besser, von gewöhnlichen Haushaltsgegenständen bis hin zu komplexen Sozialpolitiken, als sie es tatsächlich auch tun.

Das können wir mit Klimaleugnern tun: Klimabildung!

So liegt es auf der Hand, dass wir versuchen sollten, die Menschen zu erziehen, sagte Fernbach. Auch wenn sich das im Allgemeinen bislang als nicht sehr effektiv herausgestellt habe. Manchmal gehe das nach hinten los, und die Leute verdoppeln ihre Anti-Haltung gegen den wissenschaftlichen Konsens noch, sagte Fernbach. Vor allem, wenn sie sich bedroht fühlten oder wenn sie wie dumm behandelt würden.

Bleibt uns also, Wissen zum menschengemachten Klimawandel, also Klimabildung, respektvoll, wertschätzend und auf Augenhöhe zu vermitteln. Ohne noch nicht Wissende zu belehren, abzuwerten und lächerlich zu machen. Es geht also nicht darum, etwas gegen Kliawandelleugner zu tun, sondern etwas mit ihnen zu tun: sie zu informieren, zu bilden.

Foto: Eliza / photocase