Heizungsplaner Dietrich Beitzke Aachen

Unser “Planer des Monats” Dietrich Beitzke aus Aachen im Interview

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Unser aktuelles “Projekt des Monats” mit einer aufgebockten Solarthermie-Anlage von Paradigma vor einem denkmalgeschützten Bauernhaus mit Reetdach gleich hinterm Elbdeich hat Dietrich Beitzke aus Aachen geplant. Wir stellen euch den Planer und seine Arbeit in diesem Interview ausführlich vor. Freut euch auf unseren “Planer des Monats” – Diplom-Ingenieur Dietrich Beitzke!

Dietrich Beitzke, würden Sie uns als Erstes bitte kurz Ihr alltägliches Arbeitsfeld umreißen?

Dipl.-Ing. Dietrich Beitzke: Mein Arbeitsgebiet als Sanierungsplaner im Bereich Heizung-Klima/Lüftung ist es, meist über 30 Jahre alte Heizungsanlagen effizient zu machen. Durch die jetzt endlich durchgesetzte CO2-Steuer erwarte ich ab 2022 steigende Sanierungsanfragen, wenn sich steigende Betriebskosten auf den Rechnungen zeigen.

Sanierungsanfragen kommen hauptsächlich von den Verwaltungen dieser Objekte.  Meist sind es Mieterklagen, die über die Eigentümer und dann über die Verwaltung zu einer (meist zu späten) Sanierung führen.

Es geht hier nicht um Ein- und Zweifamilienhäuser, sondern um Wohnanlagen mit 20 bis 300 Wohneinheiten. Dazu kooperiere ich in jeder Stadt mit (genügend  großen) Firmen, die auch in der Lage sein müssen, meine Planung zu verstehen, einzubauen und zuletzt auch zu warten.

Ich mache Planungen für Objekte hauptsächlich in Deutschland.

In den Objekten, die um die 1960er bis 1990er Jahre gebaut wurden, schenkte man der Wärmeverteilung so gut wie keine Aufmerksamkeit. Genau DAS ist aber der Grund für Ineffizienz und hohen Verbrauch. So ist es nur folgerichtig, so ein Objekt zum Berechnen von der Verbraucherseite her aufzuziehen, bis man über die Verteilung bei der Kesselleistung landet, die meist reduziert werden kann. Erst dann sollte man sich Fragen nach der Art der Wärmeerzeugung widmen.

Üppige Berechnungsvorgaben, Daumenpeilungen und angstgetriebene “Sicherheitsvorgaben” waren Grund für die oft 2-fache Überdimensionierung alter Kessel.

Es gibt bei einigermaßen realistischer Kesselleistung keinen Grund für zu kalte Wohnungen:

heizarbeit velta
Grafik: Dietrich Beitzke / Velta
  1. Spitzenkälte tritt nur in 1 bis 6 Prozent aller Tage im Jahr auf.
  2. Was nicht an Leistung vorhanden ist, kann man durch die Heizzeit nachholen, denn Heizarbeit oder Energie ist entscheidend, nicht die Leistung.

Die obige Statistik von Velta macht auch klar, wo der Hauptverbrauch ist, der letztlich die Jahresheizkosten entscheidet: Die restlichen 75 Prozent, die über 0 °C Außentemperatur liegen. Diese Verbräuche müssen also am effizientesten abgedeckt werden.

Wie und warum wurden Sie Heizungsplaner? Seit wann sind Sie “in Betrieb” und wie viele Projekte haben Sie in der Zeit geplant?

In den 1980ern führte ich in Aachen mit einem Compagnon eine Firma zur Wartung von Wohnanlagen. Der erste Auftrag war ausgerechnet ein Verwaltungsgebäude der Rhein-Westfälischen Immobilienfond (RWI). Das erwies sich als sehr aufwendig, so dass wir es sieben Jahre betreuten. Die Anpassung von Klima, Kälte und Heizung von einer Kaufhauslüftung zu einem Großraumbüro musste nicht nur anlagentechnisch, sondern auch regelungs-/ und steuerungstechnisch geändert werden. Die taupunktgeregelten Klimaanlagen mit ihren Luftwäschern stellten eine besondere hygienische und wartungstechnische Herausforderung dar.

Da ich an der RWTH in Aachen mein Diplom in Elektrotechnik machte, fiel es mir leicht, mich nebenbei in die hydraulische Verteilung von Wärme einzuarbeiten. Zwei Gleichungen reichen zur Berechnung – dann muss man aber eine Menge Erfahrungen machen, um überhaupt mitreden zu können.

Ich beendete meine Tätigkeit in der Firma 1990, weil ich “endlich mal” vernünftige Anlagen sehen wollte, also welche, die ich auch selbst gerechnet und in Betrieb genommen hatte.

Mit der Zeit der Eingewöhnung als freier Projektplaner machte ich mich bei einigen Hochschulen schlau und studierte deren Unterlagen, bis ich meinen Weg gefunden hatte, weit verteilte Wärmeverteilungen zu planen und die Leistungen passend zu verteilen. So kamen bis heute gut 300 sanierte Objekte zusammen.

Worauf achten Sie beim Planen von Heizungsanlagen?

Für Verwaltungen wird der Auftrag in einem Gutachten zusammengefasst, damit die künftige Sanierung den Entscheidern/Eigentümern zur Verfügung gestellt werden kann. Wird der Auftrag zum Umbau erteilt, erstelle ich ein Leistungsverzeichnis, das einigen Firmen mit der Bitte um ein Angebot zugesandt wird.

Eins davon wird dann ausgeführt, wobei ich selbst bei der Abnahme einige Durchflüsse prüfe, denn die Grundlagen des hydraulischen Abgleichs sind in der Ausbildung noch lange keine Selbstverständlichkeit, so dass ich immer nur Firmen auswähle, deren Mitarbeiter wissen, dass man mit Durchfluss und Temperatur die Beheizung bestimmt und nicht nur mit der Temperatur. Standardwissen ist: “Viel Temperatur, dann reichts.”

Der passende Durchfluss ist bei jedem Bauteil entscheidend, daher wird jeder Durchfluss ausgerechnet und für die Sanierung tabellarisch vorgegeben. Durchflussbegrenzer und elektronische Pumpen sorgen dafür, dass die berechneten Sollwerte auch erreicht werden. Die Menge lässt sich später auch noch leicht korrigieren. Weil man in den gerne verbauten hydraulischen Weichen nie kontrollieren kann, was da wirklich passiert, setze ich immer Wärmetauscher ein.

Soll eine Heizung effizient laufen, muss man sie mit der geringstmöglichen Temperatur betreiben. Ideal sind daher Heizmatten in der Wand oder Bodenheizung. Eine gut gedämmte Hülle hilft dabei. Diese Verteilungen kommen mit 24 bis 38 °C aus. Matten sind zu bevorzugen.

Heizfläche und Vorlauftemperatur
Grafik: Dietrich Beitzke / Ostfalia Hochschule

Als Wärmeerzeuger für Niedertemperaturheizungen kommen hier natürlich Geräte in Frage, die nicht eine Verbrennungstemperatur von 1.200 °C in der Flamme haben, zum Beispiel Wärmepumpen oder Solarwärmeanlagen.

Heizkörper dagegen benötigen je nach Auslegung Temperaturen von 50 bis 70 °C. Da sind Verbrenner wie Kessel, BHKW, Fernwärme oder Hochtemperatur-Solaranlagen schon sinnvoller.

Heizkörper
Foto: Dietrich Beitzke

Welche Rolle spielt Solarthermie bei von Ihnen geplanten Projekten?

Bei Fernwärmeanlagen ist der Betreiber gezwungen, das ganze Jahr über mindestens 70 °C im Vorlauf zu liefern. Dafür erwartet er in seinen Anschlussbedingungen auch einen Rücklauf, der ca. 40 °C beträgt. Das wird oft von schlechten Anlagen weit überschritten.

Grund sind meist Warmwasserbereitungen, die in den allermeisten Fällen ökologischer und intelligenter mit den notwendigen 70 °C betrieben werden könnten. Bei Sanierungen kommt hier sofort die Solarenergie ins Spiel und zwar bei mir nur eine glykolfreie.

Glykol-Solarwärmeanlage Schaden
Foto: Dietrich Beitzke

Die Nachteile von Glykol sind vielfältig. Das Internet gibt dazu Auskunft. In dem solaren Hochtemperaturbereich gibt es nur eine Firma, die das kann: Ritter XL Solar.

puffer1 laden
Grafik: Dietrich Beitzke

Hier sieht man, wie der heiße Kollektor den Puffer TP1 auf 75 °C bringt. Auch Fernwärmebetreiber kommen mehr und mehr auf den Geschmack der solaren Unterstützung von Fernwärmenetzen.

Saniert man eine Anlage mit einer passenden solaren Bestückung und intelligenter Speicherung, kann sich durchaus eine Halbierung der Jahreswärmekosten einstellen, so dass sich die ersten Schrecken der Kosten schnell legen, denn die Ritter-Anlagen arbeiten effizient und wartungsarm über mindestens 20 Jahre. Das erreicht keine Wärmepumpe und erst recht kein BHKW – deren Arbeit mit Strom/Gas ja auch noch bezahlt werden will.

Die Zirkulationsleitungen der Warmwasserverteilung mit ihren mindestens 55 °C sind ebenfalls hydraulisch abzugleichen, sonst bleibt das Ende des Netzes kalt und legionellengefährdet.

In NRW sind allerdings viele Objekte der 1970er und 80er Jahre mit Durchlauferhitzern bestückt.

Was bedeutet Solarthermie Ihnen persönlich? Sie betreiben selbst eine Solarthermie-Anlage von Paradigma – beschreiben Sie uns doch bitte Ihr Heizsystem und dessen Performance!

Nach Erfahrungen (siehe Foto) mit meiner ersten solaren Glykolanlage (die der Kunde ausdrücklich so haben wollte), baue ich nur noch glykolfreie Anlagen ein.

So auch meine eigene im Jahre 2010.

Heizungsunterstützung Solar
Grafik: Dietrich Beitzke

Diese besteht aus 10 Quadratmetern (m²) Kollektorfläche für Bodenheizung aus 1988 und Warmwasser. Die Anlage ist für Trinkwarmwasser und Heizungsunterstützung ausgelegt. Der Einbau war nach einigen Wärmedämmschritten die vorletzte Sanierung des 200-m²-Einfamilienhauses:

  1. Brenner, Kesselbetrieb und Steuerung optimiert bis 2001.
  2. 2006: Wärmedämmung verbessert durch Ausblasen der Luftschicht mit Perlite. +  Alle Verglasungen auf einen k-Wert von 1,1 und nach Westen mit Sonnenschutzglas erneuert.
  3. 2003: Einbau einer Rücklaufregelung und einer sekundengenauen Messwerterfassung.
  4. 2010: Paradigma-Solaranlage mit 2-Pufferlösung und hydraulische Trennung der Bodenheizung.
  5. 2016: Dachdämmung erneuert.
  6. 2021: Einbau einer freiprogrammierbaren Priva-Regelung.

Wer mehr zu dieser Optimierung lesen möchte, kann mich gerne auf meiner Internetseite besuchen!

Erst die Rücklaufregelung brachte mit der Beobachtungsmöglichkeit des reellen Betriebes Einsparungen, die anfingen, Spaß zu machen: Brennerlaufzeiten bis zu vier Stunden.

brennerlaufzeiten
Grafik: Dietrich Beitzke

Nach der Dachsanierung kam ich durch die Solaranlage in den 50-Prozent-Einsparungsbereich.

relativer solarertrag
Grafik: Dietrich Beitzke

Der Kollektor arbeitet mit der Paradigma-Regelung auf zwei Puffern: Vorrang hat der 500-Liter-Puffer für die Trinkwasserbereitung mit Frischwasseranlage, der Überschuss kommt in den 1000-Liter-Puffer der Heizungsunterstützung. Beide Puffer haben etwas mehr Volumen als das Auslegungsminimum von 80 Litern pro Kubikmeter Kollektorfläche.

Als feste Dauerverbraucher wurden eine 2-Strang-Waschmaschine und die Spülmaschine ans Warmwasser angeschlossen.

  • Die Messwertbeobachtung zeigte, dass seit 2010 die Monat Mai bis September ohne eine einzige Brennereinschaltung das Haus solar temperieren konnten.
  • In der Übergangszeit zeigte die großzügige Dimensionierung der Puffer, dass damit drei Tage Heizungsunterstützung durchgehalten werden konnten.
  • Im Sommer kommt es nur nach einer wolkenlosen Woche zur Stagnation wegen voller Puffer. Diese haben dann 95 °C oben und 85 °C unten

Haben Sie ein, zwei, drei Beispiel-Projekte mit Paradigma-Solaranlagen für uns, die Sie geplant haben und von denen Sie sagen, dass dort die Solarthermie ihr Potential bestens ausspielt?

Die habe ich!

Beispiel 1:

Die 40-m²-Solaranlage in Vussem bei www.sanden.org sorgt seit 2010 in dem Betreuungsheim für Warmwasser und Heizung auf 2.888 m² Wohn- und Geschäftsfläche. Die Lage des Kollektors ist auf dem schmalen Grundstück nicht optimal, ergänzt aber die Hackschnitzelheizung mit den drei 2.000-Liter-Puffern. Im Gebäude selbst hat die Anlage noch einen 1.500-Liter-Puffer. Ist der voll, wird der Überschuss in die drei Heizungspuffer 30 Meter (m) weiter abgeführt.

Konzept: ich, Regelung mit Priva, individuell programmiert

vussem Solarthermie Paradigma
Foto: Dietrich Beitzke

Beispiel 2:

Im selben Betrieb zwei Kilometer (km) weiter füllt die 60-m²-Kollektoranlage in Breitenbenden die 6.000-Liter-Puffer für die drei Gebäudeteile mit über 2.000 m² Wohnfläche, die Betriebsküche und die drei angeschlossenen Häuser mit Nahwärme. Wenn die Puffer in den bis zu 300 m entfernten Häusern unter einen Schwellwert rutschen, fordern sie aus der Zentrale Wärme an. In jedem Haus kann so eine eigene Solaranlage nachgerüstet werden.

Konzept: ich, Regelung: Priva, individuell programmiert

breitenbenden Solarthermie-Analge Paradigma
Foto: Dietrich Beitzke

Beispiel 3:

Es folgten unter anderem ein Einfamilienhaus in Aachen 2013 mit 15 m² Kollektorfläche, 1.600-Liter-Puffer mit EXPRESSO-Speicher:

Solarthermie-Anlage auf Einfamilienhaus
Fotos: Dietrich Beitzke

Beispiel 4:

In dem Dreifamilienhaus in Düsseldorf mit 20-m²-Kollektorfläche, Heizkörperheizung und viel Warmwasserbedarf mussten 2020 1.600-Liter-Pufferspeicher und Kessel auf engstem Raum installiert werden. Eine kleine Meisterleistung der Firma Preuss aus Mettmann. Ergebnisse stehen noch aus.

Dreifamilienhaus mit Solarthermie-Anlage

Foto: Dietrich Beitzke

Wenn es nach Ihrem Plan ginge: Wie heizen wir in Zukunft?

Ich saniere ca. 60.000 m² Wohnfläche pro Jahr. Die Einsparungen zeigen sich meist erst drei Jahre später, wenn ich diese noch mal nachrechne. Solaranlagen sind da nicht immer sinnvoll, wenn nur Beheizung nötig ist. Durch die in den 1980er Jahren häufig verbaute Einrohrheizung in großen Mehrfamilienhäusern hat sich dafür hier eine Menge Know-How angesammelt, wie auch diese (Hochtemperatur-)Heizungen sparsamer zu betreiben sind.

Einer ökologischen CO2-freien Beheizung des Baubestandes stehe ich skeptisch gegenüber, denn im Norden müssen wir im Winter heizen. Die Versprechungen der Politiker werden nicht helfen, die Energielücke zu Öl und Gas mit Ökostrom zu schließen.

Vielen Dank, Dietrich Beitzke, dass Sie uns so spannende Einblicke in Ihre Arbeit gewährten!

Fotos / Grafiken: Dietrich Beitzke, Ostfalia Hochschule, Velta