Erderhitzung Global Tipping Points Report 2025

Erster Klimakipppunkt erreicht – Korallenriffe sterben

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Wir müssen reden! Unser Klima verändert sich mit jedem Tag, an dem wir es nicht schaffen, die Erderhitzung zu begrenzen, ein Stoppen ist nicht mehr machbar. Wie weit der infolge der Erderhitzung stattfindende Klimawandel bereits fortgeschritten ist, belegt der aktuelle “Global Tipping Points Report 2025”, den 160 Forscher:innen weltweit verfasst und jetzt veröffentlicht haben – pünktlich zur kommenden Weltklimakonferenz COP30 im brasilianischen Belém (10. bis 21. November). Spoiler: Das erste System ist bereits gekippt: Die Korallenriffe sterben großflächig ab. Wir fassen hier die wichtigsten Ergebnisse des Berichts für euch zusammen.

KIpppunkt Korallenriff

Erderhitzung: Klima erreicht ersten Kippunkt -Warmwasserkorallenriffe sterben großflächig

Das internationale Forscher:innenteam warnt im “Global Tipping Points Report 2025“, den ihr hier entweder als Zusammenfassung (Summary) oder als ausführlichen Bericht (Full Report) kostenlos downloaden könnt, davor, dass die Erderhitzung inzwischen bei 1,3 bis 1,4 Grad Celsius (°C) und damit nicht nur knapp unter dem 1,5-Grad-Ziel von Paris liegt, sondern auch das für die Korallenriffe kritische Temperaturniveau von 1,2 °C überschritten hat.

Exkurs: Was hat es mit dem 1,5-Grad-Ziel von Paris auf sich?

Das 1,5-Grad-Ziel ist eine im Jahr 2015 im Klimaabkommen von Paris festgeschriebene zentrale Leitmarke der internationalen Klimapolitik – und zugleich eine Art globale Sicherheitsgrenze. Nahezu alle Staaten der Welt hatten sich damals darauf geeinigt, die Erderhitzung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter deutlich unter 2 °C, möglichst aber auf 1,5 °C zu begrenzen.

Diese scheinbar kleine Zahl steht für eine große Differenz: Laut dem Weltklimarat (IPCC) entscheidet bereits ein halbes Grad darüber, ob Millionen Menschen häufiger von Extremwetter, Dürren oder Überflutungen betroffen sind, ob Korallenriffe überleben, ob Permafrostböden weiter auftauen und gigantische Mengen Treibhausgase freisetzen – oder ob diese Prozesse noch eingedämmt werden können. Jenseits der 1,5-Grad-Marke drohen sogenannte Kipppunkte im Erdsystem, also Schwellen, ab denen sich einzelne Klimaprozesse selbst verstärken und unumkehrbar werden.

Das 1,5-Grad-Ziel ist nicht willkürlich gewählt, sondern wissenschaftlich begründet: Es markiert die Grenze, innerhalb derer die Menschheit die größten Risiken der Erderhitzung noch vermeiden kann – vorausgesetzt, die globalen Emissionen sinken rasch und drastisch.

Laut dem “Global Tipping Points Report 2025” lässt sich das derzeitige großflächige und beispiellose Absterben tropischer Korallenriffe nur noch mit größtem Aufwand aufhalten. Vier Fünftel (80 Prozent) der Warmwasserkorallen sind aufgrund extremer Temperaturen bereits von wiederholten Massenbleichen beschädigt. Folgendes geschieht: Mit steigender Wassertemperatur trennen sich die Korallen von Algen, deren Partnerschaft eigentlich lebenswichtig für sie ist, und verhungern. Wichtig zu wissen: Das Sterben der Korallenriffe wirkt sich dem Bericht zufolge negativ auf das Wohlbefinden von bis zu einer Milliarde Menschen und fast
einer Million Arten aus.

Global Tipping Points Report 2025

Fatal am Korallensterben ist, dass wir selbst unter den optimistischsten Emissionsszenarien und damit einer Stabilisierung der Erderhitzung bei 1,5 °C ohne Überschreitung damit rechnen müssen, dass
Warmwasserkorallenriffe mit nahezu 100-prozentiger Sicherheit
(beziehungsweise 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit) kippen werden, da der obere Bereich ihres thermischen Kipppunkts bei 1,5 °C liegt.

Global Tipping Points Report 2025 Kipppunkte

Die Grafik (oben) nennt mehrere Treiber von ESTP:

  • primäre (wichtigere)
  • und sekundäre (weniger wichtige)

und die Rolle, die Prävention für jeden einzelnen spielen kann.

  • DC sind direkte Klimatreiber (direkter Einfluss von Emissionen auf meteorologische Variablen über Strahlungsantrieb; rosa).
  • CA sind klimabezogene Treiber (einschließlich Auswirkungen zweiter Ordnung und damit verbundener Auswirkungen des Klimawandels; orange).
  • NC sind nicht klimabezogene Treiber (braun).

Die Treiber können das Umkippen der Systeme

  • entweder verstärken
  • oder diesem entgegenwirken.

Präventionsmaßnahmen können verschiedene Ziele haben:

  • vollständiger Erfolg (dauerhafte Vermeidung);
  • Verzögern des Zeitpunkts eines Umkippvorgangs, also das Verschieben des Zeitpunkts, zu dem die kritische Schwelle erreicht wird, weiter in die Zukunft, was vorteilhaft für die vorausschauende Anpassungsplanung ist.
  • Verlangsamen der Geschwindigkeit, mit der sich die Auswirkungen des Überschreitens eines Kipppunkts entfalten, was die entsprechenden Anpassungsherausforderungen mildert. Wichtig: Wenn ein Kippsystem mehrere stabile Zustände hat, könnten Präventionsbemühungen den ersten Kipppunkt nicht vermeiden, was zu erheblichen Veränderungen führen würde, bis sich das System in seinem ersten alternativen stabilen Zustand einpendelt, aber es könnte gelingen, ein weiteres Kippen in den nächsten Zustand zu verhindern.

Exkurs: Was ist ein Kipppunkt?

Die Forscher.innen, die den Globalen Kipppunkte-Report 2025 verfassten, definieren den Begriff “Kipppunkt” wie folgt: Ein Kipppunkt ist demnach ein Zeitpunkt, an dem Veränderungen in einem System sich selbst perpetuieren (andauernd fortsetzen) und ab einem bestimmten Schwellenwert nur noch schwer umkehrbar sind, was zu erheblichen, weitreichenden Auswirkungen führt. 

Erdsystem-Kipppunkte (auf Englisch: Earth System Tipping Points, kurz: ESTP) 
beziehen sich auf solche Veränderungen in großen Komponenten des Erdsystems,
einschließlich

  • großer Eisschilde (der Kryosphäre),
  • Biome wie Korallenriffe
  • oder Wälder (der Biosphäre),
  • Meeresströmungen (der Hydrosphäre)
  • oder Monsune (der Atmosphäre).

Sie könnten katastrophale Folgen haben, beispielsweise den weltweiten Verlust der Fähigkeit, wichtige Grundnahrungsmittel anzubauen. Das Überschreiten eines ESTP kann auch dazu beitragen, einen anderen Kipppunkt auszulösen, was eine Kaskade von sich beschleunigenden und sich verstärkenden Schäden zur Folge hat. Die Merkmale und Auswirkungen solcher Kippprozesse unterscheiden sich grundlegend von dem, was derzeit über den Klimawandel und andere Umweltprobleme bekannt ist.

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Mehr Informationen

Global Tipping Points Report 2025: Weitere Systeme, die auf der Kippe stehen

Die Kipppunkte der Kryosphäre könnten dem Bericht zufolge bereits
überschritten worden sein.

  • Die Forscher:innen sind sich sehr sicher darin, dass die Eisschilde von Grönland bis zur Westantarktis Wärmekipppunkte  erreicht haben, die zu einem irreversiblen Zusammenbruch führen, wodurch ein langfristiger
    Anstieg des Meeresspiegels um mehrere Meter unvermeidbar wird. Die Eisschilde sind demnach seit mindestens 1 °C globaler Erwärmung gefährdet.
  • Während es eher unwahrscheinlich ist, dass das arktische Sommermeereis Kipppunkte erreicht, könnte das antarktische Meereis bereits seinen Kipppunkt erreicht haben.
  • Die Forscher:innen sind sich mittelmäßig sicher darin, dass es
    Regionen im Permafrost und Gletscher ihre Kipppunkte erreicht haben, was die Emissionen verstärkt und regional zu einer vollständigen Entgletscherung führen wird.

Die Kipppunkte der Biosphäre nähern sich schneller, als die Forscher:innen
dachten-

  • Die Warmwasser-Korallenriffe erlebten demnach zwischen den Jahren 2023 und 2025 die schlimmste Bleichung seit Beginn der Aufzeichnungen. Der zentrale Schätzwert ihres thermischen Kipppunkts von 1,2 °C globaler
    Erwärmung wurde überschritten.
  • Der Amazonas-Regenwald war zwei Jahre lang einer von El Niño verursachten Dürre ausgesetzt, und die kombinierten Auswirkungen von Abholzung und Klimawandel gefährden ihn bereits bei einer globalen Erwärmung von unter 2 °C.
  • Die Forscher:innen erkennen nun Flussdeltas und Torfmoore als potenzielle Kipppunkte an, identifizieren mit hoher Sicherheit lokale Kipppunkte in Mangrovenwäldern und mit geringer Sicherheit lokale Kipppunkte in gemäßigten Wäldern.

Auch die Ozean- und Atmosphärenzirkulation stehen laut den Forscher:innen auf der Kippe:

  • Aktuelle Modelle stützen die Annahme, dass die Atlantische Meridionale
    Umwälzströmung (AMOC) und der Subpolare Wirbel (SPG) Kipppunkte haben, deren Erreichen bei den derzeitigen Erwärmungsgraden nicht ausgeschlossen werden kann. Wobei dei Wissenschaftler:innen anmerken, dass Wahrscheinlichkeit des Kippens wegen der begrenzten Modelle und Beobachtungen ungewiss ist.
  • Im Südlichen Ozean könnte die Bildung von besonders dichten, salzigen und kalten Wassermassen an den Küsten, sogenanntes Schelfwasser,
    zurückgehen und einen Kipppunkt erreichen. Auch hier gilt: Das Verständnis seiner Wechselwirkungen mit Eis ist nach wie vor begrenzt.
    o Aktuelle Modelle stützen die Annahme, dass der indische Sommermonsun eine Kippdynamik aufweist, obwohl die Beweise dafür nach wie vor begrenzt sind, während sich die Beweise gegen eine Kippdynamik im „Jetstream” verstärkt haben.

Wichtig zu wissen ist:

  • Von 20 untersuchten Wechselwirkungen zwischen Klimasystemen wirken sich die meisten destabilisierend aus. Nur einige wenige könnten den Forscher:innen zufolge eine stabilisierende Wirkung haben.
  • Die AMOC ist der wichtigste globale Vermittler von Wechselwirkungen zwischen Kipppunkten: Sie kommt in 45 Prozent aller untersuchten Wechselwirkungen zwischen Kipppunkten vor.
  • Es kann sich ein sogenannter Teufelskreis bilden, in dem das Auftauen des Permafrostbodens zu einem verstärkten Rückgang des arktischen Meereises führen könnte, was wiederum zu einer verstärkten Degradation des Permafrostbodens im Landesinneren führen könnte
    und so weiter.

Club of Rome: Weiter so wie bisher oder nicht?

In einer neuen Studie entwirft der soagenannte Club of Rome zwei denkbare Zukunftsbilder für das Jahr 2100 – abhängig davon, ob die Menschheit in Sachen Erderhitzung und Klimawandel entschlossen handelt oder weiter zögert. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie sich das Wohlbefinden der Menschen in einer Welt mit begrenzten Ressourcen entwickeln kann.

Weiter wie gehabt …

Im pessimistischen Szenario „Too Little, Too Late“ bleibt es beim bisherigen Kurs: Regierungen reagieren zu langsam, Ungleichheit nimmt zu, und wirtschaftliche Interessen blockieren nachhaltige Lösungen. Die Folgen sind gravierend:

  • Die globale Durchschnittstemperatur steigt um mehr als 3 Grad.
  • Die Bevölkerung wächst weiter, Ressourcen werden knapper.
  • Trotz Wirtschaftswachstum sinkt der individuelle Wohlstand.
  • Soziale Spannungen und politisches Misstrauen nehmen zu.

Wachstum und Ungleichheit verschärfen sich zugleich: Während Vermögende profitieren, verlieren breite Bevölkerungsschichten an Einkommen und sozialer Sicherheit. Millionen leben weiter in Armut, obwohl das weltweite BIP steigt.

Exkurs: Wer ist der Club of Rome?

Der Club of Rome ist eine gemeinnützige, globale Denkfabrik, die im Jahr 1968 gegründet wurde, um drängende globale Probleme zu diskutieren und eine nachhaltige Zukunft für die Menschheit zu fördern. Weltweit bekannt wurde der Club of Rome wegen seines Berichts „Die Grenzen des Wachstums“ (1972), der die Folgen von unbegrenztem Wachstum auf die Umwelt thematisierte. Die Organisation setzt sich aus Expert:innen aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zusammen und veröffentlicht regelmäßig Berichte zu verschiedenen globalen Herausforderungen.

… oder Kehrtwende?

Das zweite Szenario, „The Giant Leap“, beschreibt dagegen eine positive Wende. Sie gelingt nur, wenn Regierungen und Gesellschaften gleichzeitig in fünf zentralen Bereichen handeln:

  1. Armut bekämpfen durch Schuldenerlasse und Bildung.
  2. Ungleichheit verringern durch faire Steuern und Umverteilung.
  3. Frauen stärken mit besserer Gesundheitsversorgung und gleichen Chancen.
  4. Ernährungssysteme nachhaltiger gestalten.
  5. Die Energiewende konsequent vorantreiben.

Das zweite Modell zeigt, dass politischer Wille wichtiger ist als technologische Lösungen allein. Werden diese Schritte umgesetzt, bleibt die Erderwärmung unter 2 Grad, Wohlstand und soziale Stabilität nehmen zu, und das Vertrauen in Institutionen wächst.

Die Forscher:innen betonen, dass echter Wandel nur gelingt, wenn soziale Gerechtigkeit, Vertrauen und internationale Zusammenarbeit gestärkt werden. Technologie und Wirtschaft reichen nicht aus – entscheidend sind Mut, Entschlossenheit und das gemeinsame Handeln aller.

Fotos: S_Chatcharin – Adobe.Stock.com (Titelfoto), whitcomberd – Adobe.Stock.com (Korallenriff), Grafiken “Global Tipping Points Report 2025)