Suche
F4F-Machbarkeitstudie

CO2-neutral bis 2035 – F4F-Machbarkeitsstudie weist den Weg

Veröffentlicht von

Gut zwei Jahre nachdem die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg zum ersten Mal fürs Klima in den Schulstreik trat (20. August 2018) und nachdem die Bewegung Fridays for Future (auch Fridays4Future, F4F oder FFF) rund um die Welt Millionen von Schülern, Studenten, Eltern, Großeltern, Wissenschaftlern, Medizinern, Lehrern, Unternehmern (darunter auch wir von Ritter Energie) und viele andere immer wieder auf die Straße bewegte, hat F4F Deutschland jetzt eine F4F-Machbarkeitstudie vorgestellt, die aufzeigt, wie ein gerechter Beitrag der Bundesrepublik zur Erreichung des 1,5-Grad-Klimaziels von Paris aussehen könnte. Wir stellen euch hier die Studie vor und gehen dabei insbesondere auf deren Kapitel “Gebäude” ein.

Was ist die F4F-Machbarkeitsstudie “CO2-neutral bis 2035″?

Fridays for Future, nach eigenen Angaben eine internationale, überparteiliche, unabhängige und dezentral organisierte Bewegung “aller, die für unser Klima auf die Straße gehen”, sieht die Kiimakrise als reale Bedrohung für die menschliche Zivilisation und ihre Bewältigung als Hauptaufgabe des 21. Jahrhunderts. Die Bewegung fordert die Politik auf, dieser Hauptaufgabe gerecht zu werden.

Laut Fridays for Future gebe es derzeit keine Partei in der deutschen Politiklandschaft, die einen Plan für eine 1,5-Grad-Politik habe und keine Partei mit einem Plan davon, was die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze für Deutschland eigentlich bedeute. Niemand mache überhaupt den Versuch, sagte F4F-Sprecherin Carla Reemtsma gegenüber der Presse.

Auf die politische Planlosigkeit habe die Bewegung jetzt reagiert, indem sie das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmnH beauftragte, die erste F4F-Machbarkeitsstudie durchzuführen, die untersucht, wie ein gerechter Beitrag Deutschlands zu 1,5 Grad aussehe. Finanziert wurde die F4F-Machbarkeitsstudie laut der Tageszeitung taz von der GLS-Bank mit 30.000 Euro.

Auf ihrer Internetseite schreibt Fridays for Future, dass der Sachverständigenrat für Umweltfragen ein deutsches Restbudget von 4,2 Gigatonnen CO2 errechnet habe und dass jede ernsthafte Diskussion über die Klimaziele der Bundesregierung oder andere Ziele, die diese Grundlage missachten würden, unsere Gesundheit und Sicherheit riskiere und in Frage stelle, dass jeder Mensch dieser Welt über die gleichen Rechte verfüge.

Das Wuppertal Institut schreibt in seiner jetzt vorgelegten F4F-Machbarkeitsstudie “CO2-neutral bis 2035: Eckpunkte eines deutschen Beitrags zur Einhaltung der 1,5-Grenze“, dass sich das berechnete Restbudget nur einhalten ließe, wenn “Deutschland bis etwa zum Jahr 2035 CO2-neutral wird und […] wenn die Emissionen schon in den unmittelbar vor uns liegenden Jahren besonders stark sinken”. Das Erreichen von CO2-Neutralität wäre “bis zum Jahr 2035 aus technischer und ökonomischer Sicht zwar extrem anspruchsvoll […], grundsätzlich aber möglich”.

Was steht in der F4F-Machbarkeitsstudie?

Die 113-seitige F4F-F4FMachbarkeitsstudie ist von ihren Verfassern in 9 Kapitel unterteilt worden.

  • Wer die Studie nicht komplett lesen möchte, findet von Seite 10 bis Seite 21 alles Wichtige in Kürze zusammengefasst (1 Kurzfassung).
  • Es folgen die Kapitel 2 Einleitung,
  • 3 Was erfordern die Ziele des Pariser Klimaabkommens?,
  • 4 Vergleich ausgewählter Klimaschutzszenarien für Deutschland,
  • 5 Energiewirtschaft,
  • 6 Industrie,
  • 7 Verkehr,
  • 8 Gebäude und
  • 9 Fazit.

Das oben bereits bezifferte deutsche Restbudget als Zielmarke für die Menge CO2, die Deutschland noch emittieren dürfe, sei laut der Machbarkeitsstudie nur dann zu erreichen, wenn Deutschland bis etwa zum Jahr 2035 CO2-neutral werde (“Netto Null 2035”) und dies auch nur dann, wenn die Emissionen schon in den unmittelbar vor uns liegenden Jahren besonders stark sinken würden.

F4F-Machbarkeitsstudie Emmissionspfad 1,5-Grad-Ziel

Innerhalb der kommenden fünf, sechs Jahre müssten sich die deutschen Treibhausgasemissionen demnach etwa halbieren, was einer mittleren Reduktion von 60 bis 70 Mt CO2 pro Jahr entspreche. Angesichts der Entwicklungen der vergangenen zehn Jahren, in denen die jährliche Reduktion im Schnitt lediglich 8 Mt CO2 betragen habe, stelle dies eine enorme Herausforderung dar.

Welche Maßnahmen sieht die F4F-Machbarkeitsstudie für den Bereich “Gebäude” vor?

Weil die Verfasser der Machbarkeitsstudie im Kapitel 5 Energie den Stromsektor und Wärme erst im Kapitel 8 Gebäudesektor behandeln, schauen wir gleich mal dort rein.

F4F-Machbarkeitsstudie Beheizungsstruktur im deutschen Wohnungsbestand

Zunächst werden wir dort mit dem Fakt konfrontiert, das im Gebäudesektor die Treibhausgas(THG)-Emissionen zwischen den Jahren 1990 und 2014 um rund 40 Prozent gesunken seien und jetzt stagnierten.

Dann kommen schon die Maßnahmen, die die Verfasser der F4F-Machbarkeitsstudie für den Wärme- beziehungswiese Gebäudesektor vorschlagen: Demnach

  • sei zum Erreichen von THG-Neutralität bis 2035 im Gebäudesektor eine deutliche Reduktion des Wärmebedarfs, insbesondere im Gebäudebestand, sowie ein schneller und umfassender Wechsel zu Heiztechnologien auf Basis erneuerbarer Energien nötig.
  • sei die energetische Sanierungsrate für Gebäude, die in den vergangenen Jahren bei nur etwa 1 Prozent des Bestands pro Jahr gelegen habe, deutlich zu niedrig für das Erreichen einer zeitnahen oder auch nur mittelfristigen Treibhausgasneutralität. Vor allem, wenn ein treibhausgasneutralerGebäudebestand ohne einen nur schwer zu deckenden Mehrbedarf an erneuerbaren Energieträgern bis 2035 erreicht werden solle, müsse die jährliche Sanierungsrate auf eine beispiellose Höhe von etwa 4 Prozent gebracht werden.
  • müsse bei unzureichender Sanierungsrate oder -tiefe ein Großteil der aktuellen fossilen Bedarfe künftig mit synthetischen Energieträgern gedeckt werden, wobei die bis 2035 nicht sicher zur Verfügung stünden und ihre Erzeugung mit erheblichen Umwandlungsverlusten sowie für die Bewohner mit starken Energiepreissteigerungen verbunden wäre.
  • erlaube eine verbesserte Gebäudeenergieeffizienz auch eine energieeffiziente und wirtschaftliche Elektrifizierung der Wärmebereitstellung über Wärmepumpen. Der Anteil von Wärmepumpen an allen Heizsystemen sei Szenarien zufolge in einem klimaneutralen Energiesystem auf etwa 60 bis 80 Prozent zu erhöhen. Vor allem in urbanen Räumen sollte zudem die auf erneuerbare Energien umzustellende Nah- und Fernwärme ausgebaut werden. Schließlich könne auch die Solarthermie mit einem relevanten Beitrag von etwa 10 Prozent zur klimaneutralen Wärmeversorgung beitragen.
  • müsse im Gebäudebereich zudem auch Suffizienz einen wichtigen Beitrag für das Erreichen von Klimaneutralität leisten. Es gelte, den Trend des wachsenden Wohnraumbedarfs
    pro Kopf durch intelligente und flexible Nutzungsformen zu stoppen beziehungsweise umzukehren.
  • sei im Gebäudebereich zum Erreichen von Treibhausgasneutralität ein Policy-Mix aus Anreizen, Regulation sowie Information und Beratung notwendig. Unter anderem sollten anlassbezogene (bei Vererbung oder Verkauf)  energetische Sanierungen zur Verpflichtung gemacht und ein verbindlicher schrittweiser Abbau (phase-out) fossiler Heizsysteme beschlossen, finanzielle Anreize erhöht sowie an Zielgruppen angepasst werden, um Sanierungen wirtschaftlich attraktiv zu machen. Zudem könne eine Verursacher- und sozial gerechte, wirkungsvolle CO2-Bepreisung helfen, die energetische Sanierungsrate deutlich zu erhöhe. Dazu bedürfe es aber auch einer Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive im Handwerk. Schließlich könne die Digitalisierung mit seriellem, vorfabrizierten Sanieren die notwendige Bestandssanierung beschleunigen und deren Qualität sichern.

F4F-Machbarkeitsstudie Anteil fossil befeuerter Heizungen im Absatzmarkt 2018 im Vergleich zu 1999

So viele gute Ideen für den Wärmesektor beziehungsweise Gebäudesektor!

Allen voran die Umstellung des kompletten Wärmesektors auf erneuerbare Energien, wobei die Solarthermie mindestens zehn Prozent zur Deckung des Wärmebedarfs beitragen solle. Auch der Trend zu immer mehr Wohnquadratmetern pro Kopf ist zu überdenken, denn je weniger Raumquadratmeter beheizt werden müssen, desto kleiner ist der Wärmebedarf im Gebäudesektor.

Carla Reemtsma sagt der Presse, dass spätestens ab heute (gemeint ist das Veröffentlichen der F4F-Machbarkeitsstudie) kein Entscheidungsträger mehr behaupten könne, nichts von den eigenen massiven klimapolitischen Verfehlungen gewusst zu haben. Die Studie mache deutlich, dass die Pläne der Bundestagsparteien nicht im Ansatz ausreichten, den deutschen Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise zu leisten. Die Lücke zwischen geplanten und notwendigen Maßnahmen müssten der Klimaaktivistin zufolge alle Parteien umgehend schließen. Oder sich dafür rechtfertigen, warum sie mit ihrer unzureichenden Politik eine zerstörerische Klimaerhitzung billigend in Kauf genommen hätten, zu einem Zeitpunkt als die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens noch möglich gewesen sei.

Bilder: Paradigma (Titel), F4F-Machbarkeitsstudie “CO2-neutral bis 2035: Eckpunkte eines deutschen Beitrags zur Einhaltung der 1,5-Grenze“ (Grafiken)

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert