Falscher Alarm? – oder: Wenn der BND vor Klimakonflikten warnt

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Dieser Tage machte in den Medien die Nachricht die Runde, dass der BND, also der Bundesnachrichtendienst, „Alarm schlage“ beziehungsweise  „warne“, weil „die Erderwärmung zunehmend strategische Konflikte beeinflussen werde“.  Sollte mir das Angst machen? Immerhin ist es ein deutscher Geheimdienst, der hier alarmiert. Und ist ein “strategischer Konflikt” nicht ein Krieg? Kommt jetzt also ein Klimakrieg? Falscher Alarm? Wohl auch nicht. Lest hier von einer Nachricht, die es wert ist, diskutiert zu werden.

Nach dem Lesen der in nahezu sämtlichen namhaften Medien hierzulande erschienen Meldung “Geheimdienst-Analyse: BND warnt vor Klimawandel-Konflikten” komme ich arg ins Grübeln. Demnach rücke der „Klimawandel immer stärker ins Zentrum strategischer Konflikte“. Klingt – anders als die aufmerksamkeitsheischende Überschrift der Meldung im aus meiner Sicht falschen Verbreitungston – erst einmal nicht sonderlich bedrohlich in meinen Ohren. Im Gegenteil, mein erster Gedanke war: Zeit wird’s!

Gleichzeitig, so lese ich beispielsweise bei der Nachrichtenagentur Reuters, sei der BND in seiner Analyse zu dem Schluss gekommen, dass wir „künftig kein Problem knapper Reserven“ mehr hätten. Eine Versorgungsunsicherheit durch fossile Brennstoffe sei demzufolge nicht mehr auszumachen, gleichwohl die zunehmende Förderung sogenannter unkonventioneller Gas- und Ölreserven den Wechsel von fossilen zu erneuerbaren Energien erschwere.

Das klingt doch zunächst einmal positiv, oder? Keine Knappheit an Erdöl, Erdgas und Kohle mehr! Sind das nicht die Rohstoffe, die mit ihrer bis dato von mir angenommenen Knappheit buchstäblich für Zündstoff sorgen, vor allem: ökonomische Konflikte verursachen?

Ihr merkt schon, diese Meldung hat es in sich. Zum einen suggeriert sie mir, dass fossile Rohstoffe nicht so knapp seien, wie bisher vielerorts behauptet. Laut Spiegel „sei die frühere Sorge vor einem Versiegen der Öl- und Gasquellen verflogen. Stattdessen nehme die Zahl der heute nachgewiesenen anerkannten Reserven fossiler Energieträger weltweit zu. Grund sind neue Technologien, die die Förderung aus bisher unzugänglichen Lagerstätten ermöglichen.“ Aha. Deshalb also die Entwarnung.

Doch, dass die Förderung solcher bislang unzugänglicher Rohstoffe auch eine zweite Medaillenseite hat, nämlich den wegen der zunehmenden Unerreichbarkeit immer massiveren Eingriff in die Natur, der Großteils schwere, irreparable Schäden mit sich bringt, wird schlichtweg nicht erwähnt. Dabei ist genau das etwas, was mir tatsächlich Sorgen bereitet.

Fördermethoden wie das Fracking von Schiefergas sind längst laut umstritten, sprich: die Debatte darum ist unüberhörbar. Und wer sich näher mit dem angeblichen „Fracking-Boom“ in den USA beschäftigt, wird schnell gewahr, dass der alles andere als boomt. Eine schöne Darstellung dazu könnt Ihr übrigens auch hier lesen. Ganz zu schweigen davon, dass die tatsächliche Fördermenge den dafür nötigen finanziellen Aufwand kaum rechtfertigt, wie wir hier auf dem Blog bereits diskutierten.

Neue Technologien für fossile Rohstoffe?

Nun will ich nichts gegen das uns Menschen seit jeher Fortschritt bescherende Bestreben sagen, neue Technologien zu entwickeln. Doch meine Frage ist, in welche Richtung Investitionen zur Entwicklung neuer Technologien fließen sollten: Investoren aller Couleur haben schließlich die Wahl zwischen der Unterstützung der dringend nötigen globalen Energiewende inklusive der zugehörigen Gewinnung erneuerbarer Energien oder eben der Förderung fossiler Brennstoffe. Anders gefragt: Ist eine Investition in umweltfreundliche Technologien nicht die einzig logische Konsequenz, die einem Investor bleibt, so er denn morgen noch eine entscheidende Rolle spielen will? Dem Begriff “Vergangenheitsbewältigung” schreibe ich hier eine hohe Bedeutung zu.

Der Konflikt ist tot! Es lebe der Konflikt!

Zum anderen zeigt mir die Analyse des BND das Zukunfts-Szenario auf, dass sich mit den volkswirtschaftlichen Kosten, verursacht vom Klimawandel, also der Erderwärmung, ansteigenden Meeresspiegeln, extremen Wettern, auch die Zahl der Konflikte auf unserer Welt erhöhe. Auch dies ist nicht unumstritten. Immerhin weist der Spiegel darauf hin, dass kritische Stimmen dazu meinen, dass „erschwerte Umweltbedingungen die Menschen auch zu mehr Kooperation zwingen könnten.“

Eins sei gesagt: Ich will hier keinesfalls das kriegerische Potential banalisieren, dass der Klimawandel birgt, doch ich verstehe strategische Konflikte eben nicht nur destruktiv, sondern auch konstruktiv und begrüße eine solche Auseinandersetzung mit dem Thema Klimawandel eher, als ich davor reißerisch warne, wie es letzlich seitens der Medien getan wurde. Eine möglichst hohe Leserzahl rechtfertigt diese Art von Journalismus nicht.

Konstruktive Konfliktbewältigung

Zurück zur Kooperation. Ein interessanter Gedanke – dem zu folgen sich durchaus lohnt. Die weltweiten CO?-Emissionen, eine der Hauptursachen für den Klimawandel, produzieren ja tatsächlich einen sogenannten Deponiekonflikt. Es geht schließlich um die Lagerung des klimakillenden Gases CO? in der Atmosphäre. Die eigentlich keinem gehört, doch das nur nebenbei. Kooperiert die Menschheit und beschließt einig, eine bestimmte Menge an CO? in der Atmosphäre zu lagern, erhebt sie als Ganzes Besitzansprüche an die Atmosphäre und schafft somit die Grundlage für eine friedliche, politische und wirtschaftliche Lösung des Deponiekonflikts im Interesse aller. Allerdings birgt so ein Konflikt Verteilungsprobleme, die gerecht gelöst werden müssten. Es muss vor allem geklärt werden, wer wie viel CO? dort oben deponieren darf. Politik- und Wirtschaftswissenschaftler haben eine Menge theoretisches Wissen angesammelt, um solche Verteilungskonflikte zu lösen, ohne sich darüber zu bekriegen. Hielte das Wissen Einzug in die entscheidenden Gremien, kämen wir diesbezüglich sicher weiter. Der derzeitig praktizierte Handel mit CO?-Zertifikaten ist wohl kaum der richtige Weg zum Ziel.

Das Ziel, die CO?-Emissionen massiv zu mindern, kann vielmehr nur mit einer weltumspannenden Energiewende weg von Fossilen hin zu Erneuerbaren erreicht werden. Wobei zukunftsgewandte Klimapolitik nicht nur ein Baustein sein darf, den man hier oder dort in bestehende Parteiprogramme oder Regierungspläne einbaut. Umweltpolitik muss vielmehr der Grundstein der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung werden, auf ihr müssen die Säulen der Gesellschaft ruhen.

Das heißt für mich, die Energiewende ist eigentlich eine gesamtgesellschaftliche Wende, die alle meine / unsere Lebensbereiche umfasst. Wer in Wirtschaft und Politik jetzt auf umweltfreundliche Technologien setzt, anstatt beispielsweise in CO?-Zertifikate zu investieren, der wird künftig die Nase vorn haben – in hoffentlich CO?-ärmerer Luft als heute.

Bleibt zu hoffen, dass es den Medien gelingt, die nächste Analyse eines Geheimdienstes, die sich mit Klimawandel und daraus resultierenden Auseinandersetzungen beschäftigt, künftig auch als solche zu verbreiten, ohne gleich in panikmachende Sprache zu verfallen – nicht mehr aber auch nicht weniger verlange ich von meinen Kollegen.

Foto: Tommy Windecker / photocase.com