Aus für Fracking-Boom: Rosarot gefärbte Zahlen aus den USA!

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Befürworter des Frackings, einer umstrittenen Methode zur Förderung von Schiefergas, verweisen gerne auf den Fracking-Boom in den USA. Der soll der Weltmacht schließlich zur Unabhängigkeit verhelfen – Unabhängigkeit   von Erdöl- und Erdgas-Importen aus aller Welt, vor allem aus dem Nahen und Mittleren Osten. In zahlreichen „Unabhängigkeitserklärungen“ feiern die US-Amerikaner, Politiker, Wissenschaftler, Industrielle und Medien, seit Monaten das Fracking: Bis 2020 werde die USA demnach zum größten Energieproduzenten weltweit … Doch ist der Fracking-Boom tatsächlich einer? Zweifel an seiner “Boombastigkeit” sind duchaus berechtigt. Lest selbst!

Bei vielen Dingen orientiert sich die Welt an den USA: Kein Wunder, viele Trends des Landes sind bahnbrechend und überzeugend. Doch bei aller Verherrlichung eines Trendsetters, so meine ich, sollte kein trendbewusster Nachahmer seinen eigenen Verstand ausschalten. Energie-Technologien, die man übernehmen will, sind zu prüfen, auf ihre Wirtschaftlichkeit, auf ihre Umweltverträglichkeit. Und selbst wenn ein von mir wegen einiger seiner Amtshandlungen durchaus geschätzter US-Präsident das Fracking euphorisch feiert, erlaube ich mir dazu die Frage: Sind Sie noch bei Trost, Barack Obama?

Der Hintergrund: Vor einigen Monaten meldete die Medienwelt, dass die USA dank der inländischen (Schiefer)Gasvorräte bis zum Jahre 2020 unabhängig von Erdöl- und Erdgasimporten werden könnten. Barack Obama jubelte laut, dass die Gasvorräte der USA noch 100 Jahre reichen würden – eine Rechnung, die selbst seitens US-amerikanischer Wissenschaftler inzwischen umstritten wird.

Fracking in den USA: Ein Boom, der gar nicht boomt?

Fakt ist, die USA haben 2012 ihren immensen Energiebedarf Großteils inhouse gedeckt, um es mal salopp zu formulieren. Mehr als 80 Prozent der benötigten Energie kam aus dem eigenen Land – was die Importrate von Öl um elf Prozent senkte, wie das Manager-Magazin in seiner Online-Ausgabe schreibt. Glückwunsch! Das ist ein großer Schritt in die energetische Unabhängigkeit der Supermacht, schon klar. Doch auch ein Schritt, der die mit der Gasförderung einhergehende Zerstörung der Umwelt in Kauf nimmt – das darf man nicht vergessen! Man bedenke dazu, dass der Anteil der Schiefergasförderung mittels Fracking an der Gesamterdgasförderung in den USA innerhalb von zehn Jahren von zwei auf 37 Prozent gewachsen ist. Das sind riesige Flächen Land, die mit den Chemikalien-Wasser-Mix-Bohrungen zerstört werden.

Doch halt! Inzwischen mehren sich die Stimmen derer in den USA, die den Gas-Boom als überbewertet ansehen. Sie warnen davor, dass sich erhebliche Mengen der Gasvorräte nicht zu gängigen Marktpreisen fördern ließen, schon gar nicht gewinnbringend. Hinzu kommen Hinweise auf hohe Erschöpfungsraten der Bohrquellen. Die Rede ist laut Manager-Magazin Online von einer Minderung der Produktion zwischen 30 bis 60 Prozent pro Jahr! Alles in allem, so die inzwischen laut gewordenen Vorwürfe, seien die Prognosen von einer wie oben beschriebenen unabhängigen USA mehr als rosarot gewesen.

Fracking-Blase in den USA – rosarote Zahlen aus dem Lande der unendlichen Möglichkeiten

Es falle laut Manager-Magazin bereits der Begriff „Fracking-Blase“ – demnach seien US-amerikanische Gasbohrfirmen bereits mit Problemen konfrontiert: Um die Ausbeutung einer Quelle zu finanzieren, hätte man in der Regel zunächst deren ergiebigsten Teil des Vorkommens bewertet und daraus ihre Förderprognosen abgeleitet. Realistisch betrachtet,  so Arthur Berman, ein Geologe und Teilhaber der Beratungsgesellschaft Labyrinth Consulting Services in Houston, säßen die USA auf einem Gasvorrat, der unter Zugrundelegung heutiger Förderung nur 11 bis 23 Jahre halte, schreibt das Manager-Magazin. Quasi maximal ein Viertel! dessen, was Barack Obama durch die rosarote Brille gesehen hat.

Spannend sind auch die Ergebnisse der Studie „Drill, Baby, Drill“, die die Wirtschaftszahlen von 65 Tausend Bohrquellen an 31 Standorten in den USA auswertet: Dem Bericht des Manager-Magazins zufolge sinke die Kapazität der Förderung der meisten Bohrquellen während der ersten drei Förderjahre nach Anschluss an eine Pipeline um 80 bis 95 Prozent!

Wolle man die derzeitige Fördermenge beibehalten, so die Studie weiter, müsste man pro Jahr 42 Millionen Dollar in rund sieben Tausend Bohrtürme stecken. Die „Fehlinvestition“ als solche rückt die Tatsache ins rechte Licht, dass der Wert des 2012 geförderten Schiefergases dagegen (nur) 32,5 Milliarden Dollar betrug.

Deutschland springt vorerst nicht auf den Frackingzug

Die deutsche Politik hat den an Fracking in Deutschland interessierten Energiekonzernen derweil eine Absage erteilt – vorerst. Zu viele Fragen stünden noch offen. Das berichtete der Spiegel bereits Anfang Mai. Und gerade gab die Regierung bekannt, dass der Fracking-Gesetzentwurf von FDP und CDU/CSU vor der Bundestagswahl im September nicht mehr eingebracht werde.

Wir Deutschen werden in Sachen Fracking – vorerst – demnach wohl keine Trittbrettfahrer. Fragt sich nur, ob das Thema Fracking damit endgültig vom Tisch ist, oder nach der Wahl – gegebenenfalls von neuen politischen Playern – wieder dort hinauf gehoben wird. Die Fracking-Lobby ist stark, man darf sie keinesfalls unterschätzen. Immerhin bescheinige die IEA, die Internationale Energie Agentur, der Schiefergasförderung eine große Zukunft, so das Manager-Magazin.

Während laut Medienberichten die einen erstmal von dannen ziehen, um anderswo ihr Fracking-Terrain abzustecken (BASF laut Manger-Magazin in Nordamerika), und andere erleichtert aufatmen (Umweltschützer), fragt man sich, woher wohl der Wind geweht hat, der die gerade noch pro Fracking-Union das Ganze nun verschieben lässt. Man hat wohl auf Experten gehört: Der deutsche Sachverständigenrat für Umweltfragen (kurz: SRU) hatte Ende Mai nämlich kritisch Stellung zum Fracking bezogen.

Energiewende: Deutscher Sachverständigenrat für Umweltfragen hält Fracking für „entbehrlich“

Hinsichtlich der Umweltrisiken von Fracking stellt der SRU in seiner vor wenigen Tagen veröffentlichten Stellungnahme „Fracking zur Schiefergasgewinnung – Ein Beitrag zur energie- und umweltpolitischen Bewertung“ zwar noch erhebliche Wissenslücken und Unsicherheiten fest. Ungeklärt seien laut der entsprechenden Pressemeldung insbesondere:

  • die umweltverträgliche Entsorgung der anfallenden Abwässer,
  • die Sicherheit der Bohrlöcher beziehungsweise Förderanlagen insbesondere hinsichtlich des Grundwasserschutzes,
  •  die Langfristfolgen der Eingriffe und
  • die Klimabilanz von Schiefergas.

Doch gleichzeitig nimmt der SRU mit folgenden sechs Kernaussagen auch Stellung gegen das Fracking – und zwar klar und unmissverständlich:

  1. Die Gewinnung von Erdgas durch Fracking sei für die Energiewende entbehrlich.
  2. Die Technologie sollte wegen gravierender Wissenslücken über die Umweltauswirkungen vorläufig noch nicht kommerziell eingesetzt werden.
  3. Die Gewinnung von Schiefergas in Deutschland werde die Energiepreise nicht senken und auch keinen nennenswerten Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten können.
  4. Damit bestehe aus deutscher Perspektive auch kein energiepolitisches Interesse an der Förderung.
  5. Nach heutigem Kenntnisstand seien die heimischen Potenziale, die unter angemessenen Umweltauflagen wirtschaftlich rentabel gefördert werden könnten, viel zu niedrig, um einen nennenswerten Einfluss auf die Gaspreise in Deutschland haben zu können.
  6. Gänzlich verfehlt wäre eine Revision der Energie- und Klimapolitik im Hinblick auf das billige Schiefergas in den USA. Die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie werden oftmals überzeichnet.

Wenn das keine klaren Worte sind, liebe deutsche Politiker! Also bitte, setzen Sie die rosarote Brille, die in den USA so trendy scheint, wenn man die Gasvorräte und deren Förderung betrachtet, ab oder erst gar nicht auf! Sie müssen nicht jeden Trend mitmachen, nur weil er aus den USA kommt.

Foto: Doreen Brumme