Wärmenetz

Grundlagenwissen Wärmenetz, Teil 1: Nahwärme und Nahwärmenetz

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Ich möchte euch in dieser kleinen Artikelreihe erklären, was ein Nahwärmenetz und was ein Fernwärmenetz ist. Dazu versuche ich zunächst beide Konzepte zur Wärmeversorgung zu charakterisieren (Teil 1 – Nahwärmenetz, Teil 2 – Fernwärmenetz). Anschließend sollen in Teil 3 mit Hilfe eines Vergleichs die Vor- und Nachteile beider Wärmekonzepte herausgestellt werden. Wozu das Ganze? Damit ihr mitreden könnt!

Wie gerade schon angeklungen, geht es bei den Begriffen Nah- und Fernwärmenetz um Konzepte zur Wärmeversorgung. Worauf das Konzept Nahwärmenetz basiert – und welche Rolle dabei die Größe des Wärmenetzes in Metern, die Zahl der angeschlossenen Haushalte und so weiter spielen, soll dieser Beitrag klären.

Was ist Nahwärme?

Wer jetzt erwartet, es gäbe die eine allgemeingültige Definition für Nahwärme, den muss ich enttäuschen. Einig sind sich die verschiedenen Ergebnisse von Definitionsversuchen, die ich bei meiner Recherche fand, allerdings in den  Attributen, mit deren Hilfe Nahwärme beschrieben wird. Seht selbst!

Nahwärme sei den folgenden Beispielen zufolge:

Wärme, die über relativ kurze Strecken (aber außerhalb von Gebäuden) zu Verbrauchern transportiert werde.

Wenn Wärme von einem zentralen Wärmeerzeuger zu Verbrauchern transportiert werde, die Entfernungen aber relativ klein seien (meist unter 1 Kilometer, kürzer als bei Fernwärme), spreche man von Nahwärme. (Rechtlich handele es sich aber auch hier um Fernwärme.) Typischerweise gehe es um die Verteilung von Heizwärme (mit einer Maximalleistung von oft weniger als einem Megawatt) innerhalb eines Stadtteils oder Industriegebiets.

Heizwärme, die im Kollektiv genutzt werde. Dort, wo sich aus wirtschaftlichen oder energietechnischen Gründen der Ausbau von Fernwärmenetzen nicht lohne, könne Nahwärme eine sinnvolle Alternative sein. Nahwärme bediene im Vergleich zur Fernwärme kleinere Einheiten, wie Wohnsiedlungen und Gewerbegebiete  oder auch kleinere Gemeinden mit Wärme.

Als Nahwärme werde die Übertragung von Wärme zwischen Gebäuden zu Heizzwecken umschrieben, wenn sie im Vergleich zur Fernwärme nur über verhältnismäßig kurze Strecken erfolge. Der Übergang zur Fernwärme mit größeren Leitungslängen sei fließend.

Wie ihr seht, geht es bei Nahwärme um

  • Wärmeverteilung
  • über relativ kurze Strecken (unter einem Kilometer)
  • in kleineren Einheiten (Wohnsiedlungen, Gewerbegebiete, kleinen Gemeinden.

Was ist ein Wärmenetz?

Grundsätzlich lässt sich ein Wärmenetz als ein Netz beschreiben, dass

  • aus einem Wärmeerzeuger,
  • Wärmeleitungen
  • und Wärmeverbrauchern

besteht. Im Wärmenetz wird die Wärme über Rohre transportiert, wobei ein strömungsfähiges Medium – meist Wasser – vom Wärmeerzeuger zum Verbraucher geführt wird. Beim Verbraucher gibt das Wasser, das im Wärmenetz als Wärmeübertragungsmedium fungiert, seine Wärmeenergie über eine Hausübergabestation, die einen eigenen Wärmeerzeuger ersetzt, ab. Dabei  kühlt es sich ab. Das abgekühlte Medium strömt über eine zweite Leitung zum Wärmeerzeuger zurück und wird dort erneut erwärmt – der Heizkreislauf beginnt anschließend von vorne. Die Hinleitung zum Verbraucher heißt Vorlauf, die Rückleitung Rücklauf. Beide Leitungen verlaufen üblicherweise als sogenannte Trasse parallel zueinander  und sind meist im Bereich öffentlicher Straßen unterirdisch verlegt.

Aufgrund der geringen Entfernung zwischen Wärmeerzeuger und -verbraucher und daraus resultierenden geringen Wärmeverlusten im Rohrleitungsnetz könne die Wärme erzeugende Anlage auch mit niedrigen Systemtemperaturen betrieben werden. So kämen beispielsweise Wärmepumpen oder Solarthermie-Anlagen für die Erzeugung von Nahwärme in Frage. Die nennt man dann entsprechend auch solare Nahwärme.

Das Wärmenetz kann unterschiedlich ausgelegt sein:

Am einfachsten umsetzen (und deshalb häufig angewendet) lässt sich ein sogenanntes Strahlennetz mit baumförmiger Struktur, dessen Leitungen sich von der Wärmequelle ausgehend zu den Verbrauchern hin aufzweigen. Das Strahlennetz ist vergleichsweise preisgünstig zu installieren. In ihm zweigen von der Hauptleitung mit großem Leitungsquerschnitt Nebenleitungen ab, von denen wiederum die einzelnen Hausanschlussleitungen abzweigen. Gemäß der jeweils erforderlichen Leistung verringert sich der Querschnitt der Leitungen entsprechend.

Eine Ringstruktur dagegen macht das Einbinden weiterer Haushalte ins Wärmenetz leichter und bringt eine höhere Versorgungssicherheit mit. Aber: Das ringförmige Wärmenetz braucht längere Leitungen mit größerem Querschnitt.

Was zeichnet ein Leitungsrohr im Wärmenetz aus?

Ein typisches Wärmeleitungsrohr ist wie folgt beschaffen: Das Wärmeübertragungsmedium strömt durch ein inneres Rohr, das mit einer Isolationsschicht umgeben ist. Um die Isolation vor Beschädigungen und Wassereintritt von außen zu bewahren, ist sie von einer weiteren Hülle ummantelt.

Sogenannte Kunststoffmantelrohre (kurz: KMR) sind die am häufigsten verbauten Rohrleitungstypen. Sie bestehen aus einem inneren, stählernen Medienrohr, einer Isolation aus Polyurethan-Hartschaum (kurz: PU-Hartschaum) und einem Kunststoffrohr aus Polyethylen (PE), das als Ummantelung der Isolation dient.

Es gibt zudem Wärmeleitungsrohre mit Medienrohren aus Kunststoff oder flexible Rohrsysteme – letztere lassen sich auch in schwieriger Umgebung einfach verlegen. Kunststoffmediumrohre sind in der Lage, die zwangsläufige Wärmedehnung selbst zu kompensieren. Stahlrohre können das materialbedingt nicht in dem Maße, sie haben aufwändigere Verlegemethoden, um die  Längenausdehnung zur kompensieren.

Solche Rohrsysteme sind genormt und in unterschiedlichen Durchmessern und Isolationsstärken je nach Leistungsbedarf und notwendiger Dämmung erhältlich.

Gut zu wissen: Man unterscheidet zwischen Einzelrohr- und Doppelrohrsystemen. Bei letzteren ist das Verlegen preiswerter, so dass die Verlegekosten geringer sind – ebenso wie die spezifischen Wärmverluste.

Die Wärmeleitungen verlegt man idR unterhalb der Frostgrenze in 0,8 bis 1,7 Metern Tiefe. Hindernisse, zum Beispiel Straßen, Gewässer und Bahntrassen unterquert man beim Verlegen mit Hilfe von Bohrungen. Auch wichtig: Größere Wärmenetze werden mit einem sogenannten Leckagewarnsystem ausgestattet, so dass Undichtigkeiten sich schnell orten lassen.

Wo lohnt sich ein Nahwärmenetz?

Es gibt unterschiedliche Gründe für das Errichten eines Nahwärmenetzes:

Beispielsweise kann lokale Abwärme zur Verfügung stehen, so dass die nähere Umgebung nach möglichen Wärmesenken sondiert werden muss. Dabei ist zu entscheiden, ob eine Wärmeleitung oder eine Biogasleitung mit einem Satelliten-BHKW direkt beim Wärmeabnehmer sinnvoller ist.

Oder es gibt ein oder mehrere Projekte mit hohem Wärmebedarf. Sie könnten als Hauptwärmeverbraucher einen Wärmeverbund tragen und bestimmen, wie dieser ausgelegt wird. Kleinere Abnehmer schließe man laut diesem Merkblatt nur dann mit an, wenn sie direkt am Rohrleitungsnetz lägen.

Allgemein gelte demnach, dass Gebiete, die ökonomisch sinnvoll mit einem Wärmenetz erschlossen werden könnten, einen hohen Wärmebedarf je Flächeneinheit aufwiesen, sprich: eine hohe Wärmebezugsdichte hätten. Die sollte mindestens 50 oder besser 70 Kilowattstunden pro Quadratmeter (kWh/m2) betragen.

Einfamilienhaus-Bebauungen, deren Wärmebezugsdichte unter 30 kWh/m2 läge, seien weniger geeignet.

Wie wird das Nahwärmenetz ausgelegt?

Für das als geeignet erklärte Gebiet, müsse zunächst eruiert werden, wie hoch die Anschlussbereitschaft der Verbraucher sei und zu welchem Zeitpunkt die potenziellen Wärmeabnehmer zum Anschluss ans Nahwärmenetz bereit wären. Dann muss der mögliche Verlauf der Wärmetrasse bestimmt werden.

Dabei sei es wichtig, eine möglichst hohe jährliche Wärmenutzung bezogen auf die zu verlegende Länge der Trasse zu erzielen, so dass man die durch die notwendige Investition induzierten Kapitalkosten auf die genutzte Wärmemenge verteilen könne und die Wärmeübertragungsverluste reduziere. Die Auslegung des Wärmenetzes erfolge nach dem gesicherten Bedarf, der nur durch eine detaillierte und exakte Wärmebedarfserhebung für jedes einzelne Objekt festgelegt werden könne.

Die Dimensionierung und Auswahl des Rohrleitungssystems sollte unter Berücksichtigung

  • eines Gleichzeitigkeitsfaktors,
  • der notwendigen Betriebstemperatur
  • und des Betriebsdruckes

erfolgen. Die Auslegung und die Trassenführung habe demnach einen großen Einfluss darauf, wie erfolgreich das Nahwärmeprojekt werde. Ein Planer mit großem Erfahrungsschatz auf diesem Gebiet sei dabei von strategischem Vorteil.

In dem diesen Ausführungen zugrunde liegenden Merkblatt werden folgende  Wärmeversorgungsgebiete mit hohen Wärmebezugsdichten als optimal herausgestellt:

  • Gebiete mit Geschosswohnungsbauten,
  • Gebiete mit verdichteter Bebauung wie z. B. Ortskerne
  • räumlich eng zueinander angeordnete öffentliche Gebäude wie Schulzentren, Krankenhäuser, Sportzentren, Schwimmbäder etc.

Gewerbe- und Industriebetriebe mit hohem Wärmebedarf auf relativ niedrigem Temperaturniveau wie Schlachthöfe, Molkereien, Brauereien u. Ä.

Das Merkblatt nennt als wichtigsten Parameter zur Beurteilung der Sinnhaftigkeit von Wärmenetzen die Wärmebelegungsdichte, die einen Wert von 1,5 MWh/(m*a) nur in Ausnahmefällen unterschreiten sollte.

Hier wird gesagt, dass sich Nahwärme vor allem

  • für Vermieter größerer Mehrfamilienhäuser
  • sowie Wohnungsgesellschaften mit Wohnsiedlungsbestand

lohne, wobei sie auch für Einfamilienhausbesitzer interessant sei, die im Kollektiv über eine zentrale Wärmeversorgung beliefert werden (sogenannte Nahwärme-Insel).

Heutzutage würden demnach moderne Wohngebiete mit Niedrigenergiehäusern häufig mit Nahwärme versorgt. Gerade dort erweise sich Nahwärme als technisch und ökonomisch günstig. Der Grund: In der Bauphase spare Nahwärme die Investitionen für die Einzelheizungen und schaffe zusätzlich finanzielle Spielräume für die Eigenheimbesitzer. Darüber hinaus sei der Ausstoß von CO2 deutlich geringer, als bei Haushalten mit Einzelheizungen, die mit fossilen Energieträgern betrieben würden. Aber: Den finanziellen Vorteilen in Sachen Investition stünde ein meist höherer Wärmepreis gegenüber.

Wärmevollversorgung übers Nahwärmenetz

Ein Nahwärmenetz könne, gespeist über eine Wärmezentrale, durchaus die volle Wärmeversorgung (auch Vollversorgung genannt) der Objekte gewährleisten. Es halte dann

  • die maximale Leistung (Spitzenlast) vor, die an kalten Wintertagen benötigt werde,
  • übernähme aber sommers ebenso die Abdeckung der Schwachlast zur Warmwasserbereitung.

Das einzelne Objekt brächte dann keinen eigenen Wärmeerzeuger. Nachteilig wirke sich hierbei allerdings aus, dass auch außerhalb der Heizperiode die Netztemperatur voll aufrechterhalten werden müsse, was hohe Netzverluste zur Folge habe. Bei flächendeckender Installation von Speichersystemen zur Brauchwasserbereitung und besonders einheitlicher Verbraucherstruktur könne jedoch unter Umständen auch ein stundenweises Betreiben des Netzes möglich sein.

Foto: seleneos / photocase