kaltes waermenetz

Grundlagenwissen Wärmenetz, Teil 4: Was ist ein kaltes Wärmenetz?

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Das Thema Wärmenetze wird unter denen, die über die Energieversorgung zu entscheiden haben, diskutiert. Wer mitreden will, muss wissen, um was es geht. Unsere kleine Artikelreihe vermittelt Grundlagenwissen zu Wärmenetzen. Teil 1 erklärte euch die Begriffe Nahwärme und Nahwärmenetze, Teil 2 Fernwärme und Fernwärmenetze. Heute mache ich euch mit der Begrifflichkeit kaltes Wärmenetz bekannt.

So wird ein kaltes Wärmenetz definiert

Dank der eingangs schon verlinkten, ersten zwei Artikel dieser Artikelreihe zu Wärmenetzen seid ihr mit den wichtigsten Begriffen zum Thema schon vertraut. Wir können an dieser Stelle also direkt ins kalte Wasser springen, sprich: uns dem kalten Wärmenetz zuwenden.

Ein kaltes Nahwärmenetz definiert die Freie Enzyklopädie Wikipedia beispielsweise als ein Wärmenetz, das mit Übertragungstemperaturen unter 30 Grad Celsius (°C) arbeite. Zum Vergleich beziffert die Wiki die Übertragungstemperatur in herkömmlichen Nahwärmenetzen auf 50 °C bis 100plus °C.

Das RP-Energie-Lexikon definiert ein Anergie-Netz (siehe weiter unten) als „ein Leitungsnetz für den Transport von Wärme auf niedrigem Temperaturniveau“.

Alternative Bezeichnungen für kalte Nahwärmenetze seien demnach:

  • kalte Nahwärmesysteme,
  • Low-Ex-Wärmenetze,
  • kalte Netze
  • oder Anergie-Netze (Dazu müsst ihr wissen, dass Wärmepumpenheizungen(wie auch andere Wärmepumpenanwendungen) Wärme aus einem Reservoir mit niedriger Temperatur aufnähmen, um daraus nutzbare Wärme auf einem höheren Temperaturniveau zu erzeugen. Die aufgenommene Niedertemperaturwärme könne dem RP-Energie-Lexikon zufolge als Anergie bezeichnet werden).

Wo lohnt sich ein kaltes Wärmenetz?

Auf diese Frage habe ich auf dem Portal envisage-wüstenrot.de eine Antwort gefunden: In Gebieten mit geringer Bebauungsdichte, die für den ländlichen Raum typisch seien, sinke demnach die Wärmeabnahmedichte erheblich. Das erschwere den wirtschaftlichen Betrieb klassischer Fern- oder Nahwärmenetze. Im Falle dezentraler Wärmepumpen in den Gebäuden würden die Verteilverluste nahe null Prozent liegen, was  nahelege, dass zur netzgebundenen Wärmeversorgung in Gebieten mit geringer Bebauungsdichte neue Lösungsansätze, darunter die Errichtung kalter Wärmenetze begründe, damit sich der Betrieb rechne.

Wie funktioniert die Wärmeübertragung im kalten Wärmenetz?

Die Funktionsweise eines kalten Wärmenetzes beschreibt Prof. Dipl. Ing. Thomas Giel, Professor für Technisches Gebäudemanagement und Technische Gebäudeausrüstung an der Hochschule Mainz, hier so: Im Kalten Nahwärmenetz zirkuliere das Wärmeträgermedium demnach direkt aus den Erdwärmesonden. Die Energie aus dem Wärmeträgermedium werde über ein zentrales Bohrfeld, das an unterschiedlichen Standorten in dem Neubaugebiet untergebracht werden könne, erzeugt. Die in diesem Bohrfeld gewonnene Energie werde über eine Ringleitung zu den einzelnen Verbrauchern geführt. Die Gebäude der einzelnen Verbraucher würden an diese Ringleitung andocken. Die Wärmepumpen in den jeweiligen Gebäuden würden somit mit dem in den Ringleitungen zirkulierenden Wärmeträgermedium versorgt.

Innerhalb eines kalten Wärmenetzes werde der Wiki zufolge die Wärmeübertragung mit Hilfe einer  frostbeständigen Sole, also eine wässrige Lösung aus Salzen, realisiert. Die Sole transportiere die Wärmeenergie von Haus zu Haus.

Wie sind die Rohre im kalten Wärmenetz beschaffen?

Die Rohrleitungen, durch die die Sole ströme, seien der Wiki zufolge nicht isoliert. So könne die Sole über die Rohre auch Umgebungswärme aufnehmen.

Wie wird die gewünschte Zieltemperatur in den angeschlossenen Haushalten erreicht?

Hierzu heißt es bei der Wiki, dass in den einzelnen angeschlossenen Haushalten die Temperatur mittels monovalent betriebener Wärmepumpenheizungen auf die nötige Heiztemperatur angehoben werde.

Was bringen kalte Wärmenetze?

Die Vorteile eines mit kühlen Temperaturen betriebenen Nahwärmenetzes seien laut der Wiki die:

  • In den Leitungen – und das sei demnach besonders für Neubauten mit nur geringem Heizenergiebedarf von Bedeutung – ergäben sich kaum Wärmeverluste. Im Gegenteil: Dort käme es sogar zu Energiegewinnen, weil die Sole die Umweltwärme aufnehme.
  • Außerdem würden die Wärmepumpen wegen der vergleichsweise hohen Temperatur der Sole auf hohe Jahresarbeitszahlen (sogenannte JAZ) kommen. Dazu führt die Wiki folgendes Beispiel an: Bei einem in der nordrhein-westfälischen Gemeinde Nümbrecht in Betrieb befindlichem kalten Nahwärmenetz würde die JAZ demnach im mehrjährigen Mittel bei 4,23 liegen, wobei die Übertragungstemperaturen zwischen minus 5°C und 21°C lägen. Die Leistungsaufnahme aus dem Erdreich liege bei bis etwa 50 Watt (W) pro Meter Leitungslänge. Wer sich ausführlich über das kalte Netz in Nümbrecht informieren möchte, liest am besten diesen Beitrag der Energieagentur Nordrhein-Westfalen (NRW), die es im März 2017 zum Projekt des Monats kürte.
  • Einen weiteren Vorteil kalter Nahwärmenetze seien dem Portal envisage-wüstenrot.de zufolge die Möglichkeiten, Niedertemperaturabwärme (siehe auch weiter unten) aus Kälteaggregaten sowie das kalte Wärmenetz zur kostengünstigen Kühlung der Gebäude im Sommer einzusetzen.

Lassen sich kalte Wärmenetze mit Solarthermie kombinieren?

Diese Frage bejaht die Wiki. Demnach ließen sich in kalte Wärmenetze weitere Erzeuger beziehungsweise Quellen erneuerbarer Energie einbinden, darunter

  • Grundwasserbrunnen,
  • Solarthermie-Kollektoren (Der oben verlinkte Bericht der Energieagentur NRW beschreibt die Einbindung einer Solarthermie-Anlage in das Nümbrechter kalte Netz.)
  • sowie Wärmeenergie aus Regenwasser.

Auch

  • Abwärme, wie sie bei Industrie- oder Gewerbegebieten anfalle, ließe sich demnach als eine weitere Wärmebezugsquelle ins kalte Wärmenetz einspeisen. Anders als in herkömmlichen Wärmenetzen könne die Abwärme wegen der niedrigen Betriebstemperaturen der Leitungen auch auf Niedertemperaturniveau verwendet werden.
  • Als weitere mögliche Wärmequelle nennt die Wiki die sogenannte Agrothermie. Die oberflächennahe Geothermie landwirtschaftlicher Nutzflächen lasse sich wie folgt „ernten“: Rohrleitungen, die mit einem Spezialpflug in etwa zwei Meter Tiefe in den Ackerboden vergraben würden, arbeiten dort als Erdwärme-Kollektor, der Umweltwärme abgreife. Dank der Verlegungstiefe der Rohre und der typischen Bearbeitungstiefe landwirtschaftlicher Maschinen kämen sich Agrothermie-Ernte und Ackernutzung nicht in die Quere.

Gibt es noch mehr Beispiele für kalte Wärmenetze?

Na klar! Ein kaltes Wärmenetz haben wir euch hier auf unserem Blog schon ausführlich vorgestellt: das kalte Netz in Dollnstein.

Und hier habe ich noch ein Beispiel für ein kaltes Wärmenetz gefunden, das ich euch nicht vorenthalten möchte: Es geht um die Genossenschaft Bürger Energie Fischerbach bei Paderborn in einem Neubaugebiet mit 24 Häusern. Hier sei ein kaltes Nahwärmenetz installiert worden, das mit der Umgebungstemperatur der Erde arbeite, ohne Isolation auskomme und folglich keine Wärmeverluste habe. Die Aufaddierung der Temperaturen erfolge bei den Wärme-Abnehmern (also den ans kalte Netz angeschlossenen Haushalten) mittels Wärmepumpe. Zur saisonalen Wärmespeicherung komme in Fischerbach ein sogenannter Eisspeicher zum Einsatz. Das kalte Netz sei bidirektional ausgelegt. Das heißt, dass die angeschlossenen Haushalte sowohl Wärme beziehen als auch einspeisen könnten. Gut zu wissen: Bei diesem Modell seien die Wärmeabnehmer nicht unbedingt Mitglieder der Genossenschaft, sondern diese trete als Contractor auf.

So, das soll für heute genügen. Ihr habt mit dem Vorgeschriebenen einen Überblick zum Thema kalte Wärmenetze bekommen und könnt über die Verlinkungen tiefer in die Thematik eintauchen. Viel Spaß dabei!

Foto: glashaut/photocase