Fernwärme Anschlusszwang

Heizungs-ABC: Was heißt Anschlusszwang bei Fernwärme?

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Stellt euch vor, ihr plant gerade, eure alte Gasheizung mit einer modernen Wärmepumpe zu ersetzen. Ihr habt bereits Angebote eingeholt und euch für ein Modell entschieden. Sogar der Heizungsbaubetrieb eures Vertrauens ist schon gebucht. Und dann flattert euch ein Brief ins Haus: „Ihr Gebäude liegt künftig im Fernwärmeversorgungsgebiet. Es besteht Anschluss- und Benutzungszwang.“ Was bedeutet dieser “Anschlusszwang” und kippt er eure private Wärmewendepläne? Die Antwort auf diese Frage liefern wir euch in diesem Artikel.

Damit von Anfang klar ist, worüber wir hier reden, erklären wir euch die wichtigsten Begriffe zum Thema “Anschlusszwang vorab:

Darum geht’s: Wichtige Begriffe einfach erklärt

  • Fernwärme: Eure Wärme kommt über ein Fernwärmenetz mit isolierten Leitungen ins Haus – zentral erzeugt in einem klassischen Heizkraftwerk, das mit fossilen oder erneuerbaren Energieträgern betrieben wird.
  • Nahwärme: Eure Wärme kommt wie Fernwärme ins Haus, allerdings ist der Versorgungsbereich kleiner und regional. Als Wärmequelle dienen in Nahwärmenetzen häufig Solarthermieanlagen auf freier Fläche, wie sie die Großanlagensparte Ritter XL Solar unseres Unternehmens bundesweit installiert.
  • Anschlusszwang: Ihr müsst euer Haus ans Wärmenetz anschließen.
  • Benutzungszwang: Ihr müsst die Wärme abnehmen und dürft keine eigene Heizung betreiben.
  • Fernwärmesatzung: Eine kommunale Regelung, die festlegt, welche Gebäude in einem Gebiet mit Fernwärme versorgt werden sollen.
Ritter XL Solar Großkollektor XXL Solarthermieanlage Renquishausen_Luftbild
Unsere erste Ritter-XL-Solarthermieanlage mit unserem neuen Großkollektor XXL in Renquishausen – solare Nahwärme at it’s best. Foto: Ritter XL Solar

Zahlen & Fakten zur Fernwärme in Deutschland

  • 15,5 Prozent des Wohnungsbestandes, also jede sechste Wohnung in Deutschland wurden im Jahr 2024 mit Fernwärme beheizt.
  • Die Hauptenergiequelle der Fernwärme hierzulande ist fossiles Erdgas, das verbrannt wird. Auch Öl, Kohle und Abfall dienen vielerorts als Energiequellen für Fernwärme. Klimaneutrale Fernwärme wird aus Biomasse oder Biomasse (also Biogas, Biomethan und feste Biomasse wie Holz), Geothermie, Solarthermie sowie Abwärme aus industriellen Prozessen oder aus Rechenzentren gewonnen. Großwärmepumpen an Oberflächengewässern oder in Zusammenhang mit der Abwasseraufbereitung sind ebenfalls im Einsatz. Auch überschüssiger Strom aus erneuerbaren Energien wird benutzt, um Wasser zu erwärmen, das in Wärmespeichern gepuffert oder direkt als Fernwärme genutzt wird.
  • Es laufen in ganz Deutschland etwa 3.800 einzelne Wärmenetze – von groß bis klein. Die ganz kleinen nennt man übrigens auch Nahwärmeinseln oder Arealnetze.
  • Insgesamt kamen die Wärmenetze in Deutschland im Jahr 2024 auf eine Gesamtlänge von 36.530 Kilometern (km), davon waren 34.500 km Wassernetze mit Temperaturen zwischen 30 bis 140 Grad Celsius (°C)  und mehr, der Rest waren Dampfnetze mit mehr als 100 °C Temperatur.

Woher kommt der Anschlusszwang?

Deutsche Städte und Gemeinden müssen bis zum Jahr 2045 ihre Wärmeverorgung erneuerbar realisieren. Das ist eine EU-Vorgabe, die auf nationaler Ebene gesetzlich festgelegt wurde.

Bundesrecht:

Der sogenannte Anschlusszwang ist im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) verankert. Dort steht in den Schlussbestimmungen, dass Kommunen einen Anschluss- oder Benutzungszwang einführen dürfen, wenn es um Klima-, Ressourcen- oder Gesundheitsschutz geht.

“§ 16 Anschluss- und Benutzungszwang

Die Gemeinden und Gemeindeverbände können von einer Bestimmung nach Landesrecht, die sie zur Begründung eines Anschluss- und Benutzungszwangs an ein Netz der öffentlichen Fernwärme- oder Fernkälteversorgung ermächtigt, auch zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes Gebrauch machen.”

Wärmeplanungsgesetz (WPG) – seit dem Jahr 2024 müssen Städte und Gemeinden Wärmepläne erstellen. Diese zeigen auf, wie die örtliche Wärmeversorgung bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden soll. Das Gesetz selbst schreibt keinen Anschlusszwang vor, aber es schafft die Grundlage für kommunale Entscheidungen.

Landes- und Kommunalrecht:

Jedes Bundesland regelt, wie seine Gemeinden ihre Satzungen beschließen können. Die Kommunen entscheiden dann per Fernwärmesatzung, welche Straßenzüge oder Quartiere anschluss- und benutzungspflichtig sind.

Das sagen deutsche Gerichte zum Anschlusszwang: Das Bundesverwaltungsgericht hat mehrfach entschieden, unter anderem hier: Ein Anschlusszwang ist grundsätzlich zulässig. Aber: Er muss verhältnismäßig sein. Das heißt, dass

  • er einem legitimen Zweck dienen muss, beispielsweise dem Klimaschutz.
  • er nicht übermäßig belasten darf.
  • er im Härtefall nicht angewendet wird.

Für eine Fernwärmesatzung erstellt oder nutzt die Kommune ihren Wärmeplan. Sie prüft damit, an welcher Stelle eine Fernwärmenetz sinnvoll ist. Der Stadt- beziehungsweise Gemeinderat beschließt dann die Fernwärmesatzung. Diese wird im Amtsblatt veröffentlicht – und gilt verbindlich.

Typischerweise enthält eine Fernwärmesatzung die folgenden Punkte:

  • Abgrenzung des Geltungsbereiches mit Angabe der Straßen und Häuser, die mit Fernwärme versorgt werden sollen.
  • Angabe des Anschlusszeitpunktes, beispielsweise erst beim Heizungstausch oder nach Ablauf einer bestimmten Frist.
  • Erläuterungen zu Übergangsregelungen, beispielsweise der Weiterbetrieb eurer Heizung bis zum Ende ihrer Lebensdauer betreiben.
  • Ausnahmeregeln für den Fall, dass ein Anschluss ans Fernwärmenetz technisch unmöglich oder wirtschaftlich unzumutbar ist.

Fernwärmeanschluss – Technik und Kosten

Für den Fernwärmeanschluss muss die Netzleitung bis zu euch ins Haus verlegt werden. Dort wird eine sogenannte Hausübergabestation eingebaut. Das ist die „Schnittstelle“ zwischen dem Fernwärmenetz und eurem hauseigenen Heizungssystem. Ihr seht: Fernwärme ist für euch als angeschlossene Wärmenutzer:innen äußerst bequem – Ihr braucht keine eigene Wärmeerzeugungsanlage und müsst euch demnach auch nicht um Wartung, Reparatur und Austausch derselben im Havariefall sorgen.

Die Frage ist, ob sich ein Fernwärmeanschluss rechnetDie Anschlusskosten ans Fernwärmenetz können mehrere tausend Euro betragen. An laufenden Kosten kommen bei einem Fernwärmeanschluss ein Grundpreis und ein Arbeitspreis auf euch zu – ganz ähnlich wie bei Stromtarifen. Aber: Die Preise variieren stark.

3 Gründe, warum Kommunen auf Anschlusszwang setzen

  1. Klimaschutz: Fernwärme kann zentral mit erneuerbaren Quellen wie Solarthermie versorgt werden.
  2. Effizienz: Große Wärmenetze arbeiten meist wirtschaftlicher als viele Einzelheizungen.
  3. Versorgungssicherheit: Ein Wärmenetz stabilisiert die Wärmeversorgung einer Gemeinde oder Stadt.

Anschluss ans Wärmenetz: Eure Rechte und Pflichten

Flattert euch ein Brief mit Anschlusszwang ans Wärmenetz auf Basis einer Satzung ins Haus, seid ihr verpflichtet, euer Haus anzuschließen. Aber: Ihr könnt einen Antrag auf Ausnahme vom Anschlusszwang stellen, wenn der Anschluss beispielsweise technisch nicht machbar oder wirtschaftlich unzumutbar ist. Oder wenn ihr bereits erneuerbar heizt, beispielsweise mit einer Pelletsheizung plus Solarthermie. Beachtet unbedingt die Anschlussfristen: Oft gibt es Übergangszeiten – das ist wichtig für alle diejenigen von euch, die gerade erst in eine neue Heizung investiert haben.

Fernwärme: Anschlusszwang – eine Checkliste

Das solltet ihr tun, wenn ihr den amtlichen Brief mit Anschlusszwang ans Fernwärmenetz bekommen habt:

  • Schaut als Erstes ins Amtsblatt oder auf die Internetseite eurer Gemeinde oder Stadt: Gibt es eine Fernwärmesatzung?
  • Fragt bei euren Wärmeversorgern (Stadtwerken) nach: Gilt die Fernwärmefür euer Gebäude?
  • Prüft, ab wann die Pflicht für euch gilt.
  • Holt euch ein Angebot für den Anschluss ans Fernwärmenetz ein.
  • Macht eine Wirtschaftlichkeitsrechnung: Was kostet euch Fernwärme im Vergleich zu einer eigenen Lösung?
  • Falls ihr euch überfordert fühlt: Lasst euch beraten – Verbraucherzentrale oder Fachanwält:innen helfen. Auch der Heizungshandwerksbetrieb eures Vertrauens kann euch beraten.
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Wenn ihr bereits erneuerbar heizt, beispielsweise mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe wie unserer Paradigma WP Aero Calima könnt ihr beantragen, vom Fernwärme Anschlusszwang ausgenommen zu weerden. Denn grüner geht Heizen nicht! Foto: Paradigma

Wir haben für euch mal ein paar Beispiele aus der Praxis gesammelt:

  • Die alte Ölheizung einer Reihenhausbesitzerin ist kaputt. Weil das Haus im Satzungsgebiet liegt, muss es an das Fernwärmenetz.
  • Den Anwohner:innen eines Neubaugebietes bleibt gar keine Alternative – alle Häuser werden automatisch ans Fernwärmenetz angeschlossen.
  • Der Betreiber einer Wärmepumpe plus Solarthermieanlage beantragt eine Befreiung vom Anschlusszwang, da er schon klimafreundlich heizt. Ob das klappt, hängt von der lokalen Satzung ab.

Zwang zum Fernwärme-Anschluss: Für und wider

Für Fernwärmeanschlusszwang spricht:

  • Beitrag zum Klimaschutz,
  • bequeme Versorgung ohne eigene Heizanlage,
  • Stabilität und Versorgungssicherheit
  • staatliche Zuschüsse

Gegen Fernwärmeanschlusszwang spricht:

  • Eingriff in eure Entscheidungshoheit,
  • Abhängigkeit von der Wärme zum Wärmepreis  der Netzbetreiber:innen,
  • lokale Monopole mit fehlender Transparenz bei Preisen,
  • Risiko, in einer Technologie „gefangen“ zu sein

Häufige Fragen zum Fernwärme-Anschlusszwang (FAQ)

Muss ihr euer Heizungssystem sofort ans Fernwärmenetz anschließen?

Nein, oft erst, wenn eure alte Heizung ausgetauscht wird.

Kann ich den Anschluss verweigern?

Nur, wenn es in der Satzung Ausnahmeregelungen gibt oder ihr einen Härtefall geltend machen könnt.

Was kostet der Fernwärmeanschluss?

Je nach Wärmenetzbetreiber:in kostet der Anschluss mehrere tausend Euro. Dazu kommen die laufenden Grund- und Arbeitspreise.

Fazit

Der Anschlusszwang bei Fernwärme ist ein starkes Instrument der Kommunen. Er soll helfen, die Wärmeversorgung klimafreundlich aufzustellen. Für euch bedeutet das: Rechte und Pflichten prüfen, Kosten vergleichen und bei Bedarf rechtzeitig Beratung suchen. So könnt ihr sicherstellen, dass ihr nicht überrascht werdet, wenn eure Gemeinde oder Stadt plötzlich mitredet, wie ihr euer Haus beheizt.

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