Nach dem Solarthermie Interview mit Prof.Dr.-Ing Volker Quaschning geht es weiter mit den Interviews mit Experten. Heute ist es Prof. Dipl.-Ing. Timo Leukefeld, ein Spezialist für das Thema energetisches Wohnen der Zukunft.
Der gefragte Experte, Berater und Redner versteht sich als Mittler zwischen Forschung, Entwicklung und dem ausführenden Handwerk; unter anderem ist er Mit-Autor des Fahrplans Solarwärme, den wir hier in unserem Blog in einer Serie vorstellen.
Dass Vision und Pragmatismus einander nicht ausschließen müssen, sieht man an seinen anschaulichen Erklärungen: Er hantiert schon mal mit Kohlebrikett und Haartrockner, um den Energiebegriff verständlich zu machen. Unser gegenwärtiges Ölzeitalter ist für ihn ein fossiler Furz, und er steht für eine neue Energiekultur: Die Kultur des “Intelligenten Verschwendens”.
Herr Prof. Leukefeld, alle reden vom Energiesparen – Sie vom Verschwenden? Das müssen Sie uns erklären!
Meine Erfahrung in Vorträgen ist die, dass sich die Menschen ungern einschränken, ungern Verzicht üben und ungern ein schlechtes Gewissen haben wollen. Natürlich spart man pro abgesenktem Grad Celsius Wohnraumtemperatur etwa 6% Heizwärme, aber ab 18 Grad Celsius wird es ungemütlich. Das nagt dann an der Lebensqualität…
Mir geht es um eine neue Kultur des Verbrauchens von Strom und Wärme, die bedeutet nicht Verzicht, sondern intelligentes Verschwenden! Weg vom schlechten Gewissen hin zu einem befreiten Genießen. Das ist, wenn man so will, vergleichbar dem Paradigmenwechsel in der Kirche – ich baue nicht mehr auf das schlechte und quälende Gewissen des Sünders, sondern verkünde die frohe Botschaft der Erlösung. Es ist sozusagen eine intelligente Verbindung von Kultur und Natur auf einem Stand der Technik und Erkenntnis, die uns Menschen im 21. Jahrhundert entspricht.
Wenn wir also in unsere Gebäude klug investieren, können wir den Verbrauch an Wärme und Strom reduzieren ohne Komfortverlust. Hier seien beispielsweise Dämmung, Optimierung der Heizungsanlage, sparsame Geräte, Stand-by-Abschaltungen und sparsame Lichtquellen genannt. Oder an Geschirrspüler bzw. Waschmaschine mit Warmwasseranschluss. Im 40 Grad Celsius Waschgang spart man damit bis zu 80 Prozent des Stromverbrauches. Dann kann häufig gewaschen werden, ohne dass die Stromrechnung merklich nach oben geht.
Danach kann schrittweise zu einer intelligenten Eigennutzung von Wärme, Strom und Mobilität aus der Sonne übergegangen werden. Wer mit der Sonne heizt, der dreht die Heizung auf und spart trotzdem. Er wärmt seine Räume in der Regel auf 23 Grad auf. Wer Solarstrom selber erzeugt und speichert, kann auch mal das Licht brennen lassen und wer mit Solarstrom das Elektroauto am eigenen Haus betankt, kann ohne schlechtes Gewissen viele Elektroauto-Kilometer fahren. Das meine ich mit intelligentem Verschwenden.
Die technischen Lösungen dafür sind alle vorhanden, wir sitzen sozusagen auf einer Lösungenhalde, ähnlich einem Butterberg. Diesen Berg gilt es abzutragen, indem wir die Intelligenzreserven in die tägliche Praxis überführen. Jetzt, wo das Geld noch etwas wert ist, sollte investiert werden. Außerdem sollte unsere Bundesregierung die Milliarden nicht nach Griechenland senden, sondern dieses Geld den Menschen in unserem Land für oben benannte Maßnahmen schenken, vor allem den Menschen, die auf Grund ihrer Einkommenssituation nicht mehr investieren können. Dann sind alle auch im Alter abgesichert und vor den hohen Ausgaben der Energiekosten geschützt und liegen dem Staat nicht auf der Tasche. Unsere Regierung spart dann in Zukunft dadurch viel Geld ein, mehr als sie investiert hat. Da bin ich mir sicher.
Und was machen wir im Winter? Wie lange lässt sich Wärme speichern?
Wärme ist bereits seit Jahrzehnten wirtschaftlich speicherbar. Zur Zeit nimmt man in der Regel Wasser. In Zukunft wird es chemische Wärmespeicher geben, die bis zu zehnmal so viel Wärme in einem Kubikmeter speichern können. Dann werden die Speicher kleiner und wir können wirklich über ein halbes Jahr diese chemische Wärme speichern, das würde im Gebäudebestand den Durchbruch für die Solarthermie bringen.
In sogenannten Langzeitwärmespeichern/Saisonspeichern auf Wasserbasis kann heute schon Wärme über mehrere Wochen bis zu Monaten (in Abhängigkeit vom Wärmebedarf des Hauses) gespeichert werden. In sogenannten Sonnenhäusern (definiert durch das Sonnenhaus Institut e.V.) gibt es zahllose Beispiele von Gebäuden, die sich ganzjährig nur mit Solarthermie und Langzeitwärmespeichern beheizen und keinerlei Zusatzheizung mehr benötigen. Nicht nur Einfamilienhäuser, sondern auch Mehrfamilienhäuser mit 12 Wohneinheiten. Dort zahlt in den nächsten 30 Jahren kein Mieter mehr Heizkosten!
Grundvoraussetzung für den Einsatz von Langzeitwärmespeichern sind allerdings gut gedämmte Gebäude. Im Altbau sollte also vor einer solchen Nutzung energetisch saniert werden, im Neubau ist eine hochwertige Gebäudehülle ja durch die EnEV Standard. Wenn wir in Zukunft mehr und mehr dezentral Strom erzeugen, lohnt es sich die Abwärme zu speichern und an andere Gebäude in der Nähe über Nahwärmenetze abzugeben. Das wird eine Schlüsselstrategie der Energiewende und da sind vor allem die Stadtwerke gefordert.
Energieautarkes Gebäude, geht das überhaupt? Und ist das nicht eher was für wenige, vermögende Öko-Visionäre?
Die Formel ist relativ einfach: Wer nichts investiert, spart auch nichts. Wer kein Geld hat, dem sollte mit zweckgebundenen Fördermitteln geholfen werden, diese Schritte zu gehen. Energieautark zu sein ist technisch schon lange möglich, aber nicht generell anstrebenswert für alle Gebäude. Solche Häuser sind heute noch eine absolute Nischenanwendung. Ein energieautarkes Haus kostet von der Solartechnikausstattung her etwa 80.000 Euro mehr als dasselbe Haus ohne Solartechnik, aber mit Gastherme. Wenn die Kosten für die Heizung drastisch reduziert und die Kosten für Strom und Betankung des Autos auch noch gespart werden, so stehen also jährlich etwa 5.000 Euro Einsparung dagegen. Bei jährlich steigenden Energiekosten erhöht sich diese Einsparung jedes Jahr. Was ich also am Anfang mehr investiere, hole ich an Einsparung später wieder rein. Außerdem bin ich unabhängig. Das hat etwas mit Handlungsfreiheit zu tun und ist nicht mit einer einfachen Amortisationsrechnung abzutun.
Damit energieautarkes Bauen und Wohnen funktioniert, ist doch sicher die Kombination mehrerer Technologien sinnvoll – dafür gibt es aktuell sogar einen Förderbonus. Zum Beispiel Solarthermie plus Wärmepumpe?
Ja das stimmt. Allerdings ist die Wärmepumpe für die Autarkie nicht zielführend, da diese den allerhöchsten Strombedarf im Winterhalbjahr hat, in dem es zu wenig Sonne zur Eigenstromerzeugung gibt. Ich kann die Wärmepumpe physikalisch im Winter also so gut wie gar nicht mit Solarstrom versorgen. Die Wärmepumpe macht also die Energieautarkie unmöglich, sie verhindert somit die Unabhängigkeit. Zumal man sich ja mit Heizstrom an den in Zukunft mit Abstand teuersten „Brennstoff“ bindet. Besser ist es Solarthermie mit Stückholz oder Holzpellets zu kombinieren. Dann noch bedarfsgerecht ausgelegt die Photovoltaik dazu, nur für den Haushaltsstrom, nicht zum Heizen. Somit kann ich hochgradig (im Einzelfall sogar energieautark) unabhängig im Wärme- und Strombezug werden.
Der Weg zur solaren hochgradigen Eigenstromversorgung führt – allem Rummel in den Medien zum Trotz, nicht über die Photovoltaik mit Luftwärmepumpe ANSTELLE von irgendetwas, sondern über die Solarthermie, die man um Photovoltaik ergänzt.
Die direkte Nutzung der Sonne zur Erzeugung von Solarwärme ist die mit Abstand natürlichste und nachhaltigste Form der Wärmeerzeugung. Zumal die Effizienz der Solarthermie gegenüber der Photovoltaik gerade in der Heizperiode zwei- bis dreimal höher ist. Außerdem kann die solarthermisch erzeugte Wärme sogar über lange Zeit wesentlich kostengünstiger (Faktor 10 – 30) gespeichert werden, als Solarstrom in Akkus zum Heizen in Luftwärmpumpen.
Sie sind nicht nur Experte für Solarenergie, sondern auch für die Kommunikation Ihrer Ideen und Konzepte. Wie können noch mehr Menschen, vor allem die Endkunden und Handwerksbetriebe, überzeugt werden, Solarthermie einzusetzen?
Vor allem muss die Solarthermie die Kosten senken, angespornt durch das was die Photovoltaik geschafft hat. Wobei das für die Photovoltaik auch viel leichter war. Sie wurde auf die erzeugte Kilowattstunde bezogen bis zu 15 mal mehr subventioniert als die Solarthermie. Das hat einen Boom ausgelöst, der die Kosten sinken ließ. Solche hohen Kostensenkungen sind vorerst in der Solarthermie leider nicht zu erwarten, auch wegen der Förderungerechtigkeit zur Photovoltaik.
Das Thema Solarthermie sollte über begeisterte Vorlesungen, Vorträge und Unterricht in die Ausbildung an die Universitäten, Fachhochschulen, Berufsakademien und Handwerkskammern Einzug halten. Alle erfahrenen Solarthermiker sollten sich als Gastdozenten anmelden und ihr Wissen mit Begeisterung an junge Menschen weiter geben. Der Multiplikatoreffekt ist enorm!
Außerdem sollte die Branche die Pressearbeit verbessern, das Thema neue Wärme und Solarthermie ist ganz wenig präsent in den Medien. Diese sind ganz klar vom Strom dominiert, obwohl das der kleinste Energieverbrauchsanteil in Deutschland ist, nach dem Verkehr und nach der Wärme (50 Prozent). Es gibt so tolle Projekte mit Solarthermie in denkmalgeschützten Gebäuden, Sonnenhäuser, energieautarke Gebäude, solarthermische Stromerzeugung über Spiegel, solarthermische Auswindkraftwerke und solarthermisch erzeugten Milchkaffee – sehr lecker. Das begeistert!
Vielen Dank für dieses begeisternde Interview, das Lust macht auf “Intelligentes Verschwenden” und intelligente Energiehauskonzepte. Es erinnert mich ein wenig an den Artikel von Katrin in dem sie über die solaren Duschfreuden berichtet. Die oben genannten Beispiele zeigen uns auch wieder einmal auf, dass Photovoltaik und Solarthermie sich sinnvoll ergänzen können. Und Ecoquent Positions bleibt dran am Thema Heizen mit der Sonne!
Foto: (c) Foto Böhme / Timo Leukefeld
Liebe Sabine Rädisch,
toller Beitrag und auch sonst ist die Idee mit der “weiblichen” Plattform sehr zu begrüßen. Wenn ich dennoch als Mann etwas einbringen darf, so würde ich mich für drei Anmerkungen entscheiden:
1. Bevor die lange verschlafene Entwicklung von effizienten Wärmespeichern zum Erfolg führt, ist der Umstand mit ausreichend Wasserspeichern (4 Monate – viel Platzbedarf) für die meisten Hausbesitzer zu groß. Das schreckt ab.
2. Die Abhängigkeit von Holzpellets ist ähnlich fatal wie die von Gas oder Öl !
3. Die Dämmung der Häuser (neu oder alt) mit den heute üblichen Materialien wie Styropor ist umwelttechnisch gravierender als Autoabgase (Herstellung + Entsorgung). Zudem ist inzwischen längst in praxi bewiesen, dass die Bausubstanz wegen höher steigender Nässe darunter leidet. Der richtige Weg ist immernoch der alte: Dicke Mauern, die atmen!
4. Elektroautos sind für den vernetzten Alltag erst tauglich, wenn im Minimum von ca. 400 km mit einer Ladung in angemessener Geschwindigkeit gefahren werden können. Bis dahin ist dieses Argument eine Blase.
Ich persönlich lege große Hoffnung in Initiativen wie diese. Ich habe vollsten Respekt vor Idealvorstellen. Allzu häufig gab es in der Vergangenheit praxisferne Ansätze, die in der Politik mit müdem Lächeln beseite geschoben werden konnten. Haken Sie nach, wo immer es sein muß
Ich danke Ihnen ganz herzlich und wünsche viele Leser
Eine besinnliche Adventszeit, Frohe Weihnacht und Erfolg im kommenden Jahr (der Neuanfänge)
Ralf Melzer
Dipl.-Physiker, Energietherapeut, Gesundheitsberater, Coach
Lieber Herr Melzer,
diesen Satz würde ich gerne von ihnen etwas genauer kommentiert haben.
2. Die Abhängigkeit von Holzpellets ist ähnlich fatal wie die von Gas oder Öl !
Der Brennstoff Pellets ist mir persönlich schon deshalb ausgesprochen sympatisch, weil er aus dem Ländle kommt und ich keine Wirtschaftsförderung in Russland oder den Emiraten betreibe, in dem ich Öl oder Gas kaufe. Bei dem reichlichen Angebot an Herstellern in Deutschland sehe ich die Gefahr einer Abhängigkeit eher nicht. Spekulanten werden sich für diesen Brennstoff weniger interessieren, weil eine Verknappung unwahrscheinlich ist. Wer sich heute von fossilen Brennstoffen unabhängig machen möchte, für den sind Pellets die Zweitbeste Lösung. An erster Stelle steht für mich immer eine Solaranlage, weil sie gar keinen Brennstoff benötigt.
Woher kommen ihre Bedenken?
Wolfgang Günther
Installateur- und Heizungsbaumeister, Betriebswirt, Unternehmer
Lieber Ralf Melzer, wir wünschen uns, dass hier ganz viele männliche und weibliche Menschen ihr Wissen und ihre Erfahrungen und Ideen einbringen 🙂 Vielen Dank für Ihren Beitrag, der so viel “Stoff” enthält, dass ich Ihnen ausführlich antworten möchte!
1. Ja, ich glaube auch, dass es noch viel Entwicklungsbedarf gibt, und Herr Leukefeld sieht z.B. das energieautarke Haus auch noch als Nischenanwendung.
2. Klar, auch Holzpellets müssen beschafft werden, aber der Rohstoff dafür fällt u.a. ohnehin als Nebenprodukt in der holzverarbeitenden Industrie an. Auch hier heißt es natürlich Hinschauen, woher der Brennstoff kommt. Sie sind billiger als Öl und Kohle, ohne deren exorbitante Preissteigerungen; außerdem sollte die Pelletsheizung nicht die alte Ölheizung komplett ersetzen, sondern lediglich eine Ergänzung zu einer Solarthermieanlage sein. Wenn diese großzügig ausgelegt ist, kann auch die Dämmung etwas weniger aufwändig ausfallen. Eben
3. Sie haben Recht, im besonders im Altbau ist es schwierig, die Dämmung bauphysikalisch einwandfrei hinzubekommen, besonders wenn wegen des Denkmalschutzes oder aus anderen Gründen nur eine Innendämmung in Frage kommt. Die Feuchte “steigt” nicht im Mauerwerk auf (dieses Problem haben alte Häuser auch oft, aber dabei handelt es sich aber um Erdfeuchte, die ins Mauerwerk eindringt, dies wäre durch eine Trockenlegung der Kellermauern bzw. Feuchtigkeitssperre in den Griff zu kriegen), sondern kondensiert auf Grund von Temperaturunterschieden an oder in der Wand. Bei richtiger Berechnung und mangelfreier Ausführung, wie gesagt, kein Problem. Und es gibt wunderbare Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, z.B. auf der Basis von Stroh, Flachs, Hanf, Holzfasern, Kork, Schafwolle, Schilfrohr… Im BUND-Jahrbuch 2013 Ökologisch Bauen und Wohnen, das ich hier vorgestellt habe, findet sich ein ausführlicher Artikel über Dämmstoffe. Demnach reicht der Primärenergiebedarf von nahe Null bei Schilf und Stroh über z.B. 620 Megawattstunden pro Kubikmeter (MWh/m³) bei Holzfaserplatten bis zu 1400 MWh/m³ für PUR (Polyurethan-Schaum; verwandt mit dem von Ihnen genannten Styropor) – wobei letzeres auch besser dämmt und schwerer entflammbar ist. Und natürlich spricht auch nichts gegen einfaches, dickes Mauerwerk aus wärmedämmenden Ziegeln.
4. Ich bin kein großer Fan von Elektroautos, für mich repräsentieren sie zu sehr einen Verdrängungsmechanismus: Nur weil ich an Ort und Stelle keine Abgase sehe, muss es noch lang nicht ökologisch sein… wenn aber hier Strom aus erneuerbaren Energien mit entsprechend effizienter Technik genutzt werden kann, sodass die Gesamtökobilanz stimmt, halte ich das für eine gute Alternative für alle, die aufs Auto angewiesen sind. Ansonsten fahre ich lieber Rad und öffentlich.
Vielen Dank für Ihre guten Wünsche. Ihnen und allen ecoquenten Lesern und Leserinnen eine schöne Adventszeit, in der sie gerne hier weiter mitdiskutieren und -denken dürfen!
Alles Gute, Sabine Eva Rädisch