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Julia Ketel: Ich arbeite „wirklich wirklich wirklich“ auf der Baustelle!

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Der Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) hat diese Woche zur „Woche der Ausbildung 2025“ ausgerufen. Da sind wir gerne mit dabei: Wir stellen euch mit Julia Ketel, 23, eine junge Gesellin im SHK-Handwerk vor. Sie arbeitet im elterlichen Betrieb die Ketels, der auch Paradigma-Partner ist. Im Interview berichtet Julia Ketel uns, was sie an ihrem Job besonders liebt (Spoiler: die täglich neue Herausforderung, kreative handwerkliche Lösungen zu finden), wer auf der Baustelle ihre beste Freundin ist (Spoiler: die Leiter) und welche Karrierepläne sie schmiedet (Spoiler: Meistertitel und Betriebsübernahme). Wir finden: Julia Ketel ist ein tolles Beispiel für Nachwuchs im SHK-Handwerk. Doch lest selbst!

Julia Ketel, Sie sind Teil unseres Paradigma Partnerhandwerkbetriebs die Ketels in Eberstadt: Wie kommt’s?

Wir sind ein kleiner Familienbetrieb. Meine Eltern Silke und Thomas Ketel (der vor zehn Jahren schon unser Handwerker des Monats war – Anmerkung der Redaktion) gründeten und führen den Betrieb gemeinsam. Unser Betrieb hat seinen Sitz im gleichen Gebäude, in dem meine Eltern wohnen. Er war immer Teil meines Lebens – nur eine Tür weg. Schon als kleines Kind begleitete ich meinen Papa an Wochenenden immer mal wieder zu technischen Störfällen.

Dennoch wusste ich lange nicht, was ich machen wollte. Ich bin ein aktiver Mensch, der gerne anpackt. Abitur machen und studieren war nix für mich. Meine Eltern überließen mir die Entscheidung, setzten mich nie unter Druck. So wurde ich zunächst Groß- und Außenhandelskauffrau. Den praktischen Teil der Ausbildung absolvierte ich in einem SHK-Großhandelsbetrieb, blieb also der Familienbranche treu. Diese Entscheidung habe ich nie bereut: Die Ausbildung machte mir Spaß und ich habe Wertvolles gelernt – Verkaufen und Buchhaltung nützen mir immer.

Im letzten halben Jahr der Ausbildung ging ich zu meinen Eltern und erklärte ihnen, dass ich gleich nach dem ersten Abschluss noch Anlagenmechanikerin werden wollte. Das erste Lehrjahr dazu konnte ich direkt überspringen – bereits nach zweieinhalb Jahren hatte ich die zweite Ausbildung abgeschlossen. Die Praxis absolvierte ich in unserem Familienbetrieb. Nun bin ich seit über einem Jahr als Gesellin unterwegs.

Spürten Sie in der Ausbildung einen Gender Gap?

In der Berufsschule kam eine weibliche Auszubildende auf hundert männliche. Ich war also allein unter Männern. Auch die Ausbilder waren alles Männer – bis auf die Deutschlehrerin. Ich begegnete dort Vorurteilen: Immer wieder wurde ich gefragt, ob ich auch „wirklich wirklich wirklich auf der Baustelle arbeiten“ würde – oder vielleicht doch „nur“ im Büro. Auch die Frage, ob meine „Werkzeugtasche denn genauso schwer wäre wie die eines Mannes“ wurde mir gestellt. Und einer ließ es sich nicht nehmen, mir angesichts meiner damals blonden Haare und meines rosafarbenen Ordners zu sagen, dass er es „schön“ fand, dass ich „wenigstens ein, zwei weiblichen Klischees entsprach“. Meine guten Noten waren in den Augen mancher Mitschüler ein reiner „Tit…bonus“.

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Welche Aufgaben des daily business übernehmen Sie heute am liebsten?

In meiner Ausbildung und meinem ersten Gesellinnenjahr habe ich alle Jobs unseres Handwerks kennengelernt. Ich gebe zu: Ich fühle mich als Heizungsbauerin am wohlsten. Da wir ein kleiner Betrieb sind, mache ich aber alles, was getan werden muss. Ich fahre liebend gerne zu Kundendiensten, wo ich jeden Tag neuen Menschen und Aufgaben begegne. Diese Abwechslung, die mich als Handwerkerin herausfordert, reizt mich sehr. In meinen vier Jahren im Handwerk habe ich keinen Tag dasselbe gemacht – und keinen Tag bereut.

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Und gibt es auch etwas, was Sie nicht so gerne machen?

Ich hab’s nicht so mit Arbeiten in großer Höhe. Wenn ich muss, steige ich natürlich mit aufs Dach – so eine Solarthermieanlage von Paradigma zum Beispiel installieren wir meist zu zweit, das packen zwei Hände alleine nicht. Aber ich stehe lieber mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Das hat aber nichts mit meinem Geschlecht zu tun: Höhenangst ist einfach meine menschliche Schwäche.

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Sie haben also schon eine Solarthermieanlage von uns installiert?

Nicht nur eine! Wir kümmern uns als Betrieb hauptsächlich um den Gebäudebestand und verbauen in 90 Prozent der Heizungssanierungen Solarthermie.

Wie begegnet Ihnen Ihre Kundschaft?

Als ich zum Ende meiner Ausbildung und in der ersten Zeit als Gesellin allein Kundendienst hatte und bei den Leuten klingelte, öffneten viele freudig die Tür. Klar, versprachen sie sich doch vom Handwerksbetrieb die Lösung ihres technischen Problems. Sobald sie mich erblickten, schauten viele suchend über meine Schulter. Ich weiß nicht, wie oft ich die Frage hörte: „Kommt da noch jemand?

Das ist meinem Vater oder unserem Gesellen nie passiert. Den Männern im Handwerk schenkt man offensichtlich eher Vertrauen. Ich muss mir das erst immer erarbeiten. Die Kundschaft ist höflich, findet es theoretisch auch toll, dass ich als Frau diesen Job mache … und dennoch ist da eine gewisse Zurückhaltung zu spüren. Insbesondere von den Älteren. Wobei ich auch viel Zuspruch erlebe, oft von Frauen, die sich ihr Leben lang für die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit des weiblichen Geschlechts eingesetzt haben.

Wie gehen Sie mit dieser zumindest anfänglichen Zurückhaltung um?

Mein Rezept dagegen ist Humor. Der hilft immer.

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Gibt es Jobs im alltäglichen Handwerk, die Sie als Frau nicht machen (können)?

Ich bin 1,63 Zentimeter groß. Meine beste Freundin ist daher die Leiter. In meinen vier Jahren auf dem Bau gab es keine Situationen, wo es mir an Größe oder Kraft fehlte. Zweimal habe ich meinen Papa nachgerufen – doch es stellte sich beide Male heraus, dass es nicht an fehlender Kraft lag, dass ich die Verschraubungen nicht lösen konnte. Mein Papa kam nämlich trotz seiner Kraft auch nicht weiter als ich.

Was machen Sie in so einem Moment?

Ich nehme solche Herausforderungen gerne an: Das ist das Tolle an meinem Beruf. Immer wieder passieren unvorhersehbare Dinge, die mich zwingen, neue Lösungen zu finden. Das bringt mir großen Spaß. Ich kann kreativ werden. Und am Ende sehe ich das Ergebnis meiner Handarbeit – und das Lächeln unserer zufriedenen Kundinnen und Kunden.

Was war das Unvorhersehbarste, das Ihnen bislang auf einer Baustelle unterlaufen ist?

Vor zwei Jahren wollten wir Solarthermiekollektoren auf einem Dach installieren und nahmen dazu die Ziegel ab, um sie mit den speziellen Halteziegeln zu ersetzen. Kaum waren die abgehoben, verließen wir fluchtartig das Dach: Darunter befand sich nämlich ein Wespennest und die Insekten wehrten sich gegen uns Eindringlinge. Zum Glück hatten wir auf dieser Baustelle noch genug zu tun und so konnte der Kammerjäger die Wespen fachgerecht und tierfreundlich entfernen.

Wie ist es für Sie, so eng mit Ihrem Vater zusammenzuarbeiten?

Ich verstehe mich mit meinen Eltern sehr gut. Wir können über alles sprechen. Da wir ein kleiner Familienbetrieb sind, ist es nicht so häufig, dass mein Papa und ich zusammen auf einer Baustelle sind. Aber wenn, dann arbeiten wir Hand in Hand und auf Augenhöhe. Wir sind ein eingespieltes Team. Ich habe zwar fast alle Jobs schon mal gemacht, aber noch jede Menge zu lernen. Mein Papa erklärt mir viel und nimmt mich ernst. Ich kann ihm jede Frage stellen. Wir diskutieren das Problem – Macht diese Vorgehensweise Sinn? – und finden dann demokratisch die beste Lösung. Manchmal ist es meine …

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Was planen Sie karrieremäßig: Werden Sie den Familienbetrieb eines Tages führen?

Meine Bewerbung für den Besuch der Meister:innenschule ist schon raus. Ich hoffe, im Oktober eine Zusage zu bekommen und im Februar 2026 starten zu können. Wie es langfristig weiter gehen soll, habe ich mir lange überlegt. Und mich schließlich entschieden: In den nächsten fünf bis zehn Jahren möchte ich den familiären Betrieb übernehmen und führen. Ich habe großen Respekt vor der Selbständigkeit – das ist immerhin etwas ganz anderes, als als Angestellte zu arbeiten. Doch ich sehe darin auch große Chancen. Mit meinen Eltern habe ich die Übernahme bereits besprochen.

Haben Sie Geschwister – und wie stehen die zu Ihren Zukunftsplänen?

Ich habe eine ältere Schwester und einen jüngeren Bruder. Die beiden haben den Weg Abi und Studium genommen und beide kein Interesse an unserem Familienhandwerk und -betrieb. Wir sind uns da alle einig, dass ich das übernehme.

Haben Ihre Geschwister Sie schon mal um Ihre handwerkliche Hilfe gebeten?

Ja. Das kam schon vor: Ich erinnere mich zum Beispiel an einen Anruf um 22 Uhr, weil eine Verschraubung an der Waschmaschine locker war.

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Was gibt Ihnen das für ein Gefühl, solche Jobs mit Leichtigkeit übernehmen zu können?

Das fühlt sich großartig an! Ich weiß noch, als ich als kaufmännische Auszubildende ohne Hilfe nicht mal ein Loch in die Wand bohren konnte. Jetzt, nur wenige Jahre später, habe ich meine eigene Wohnung von vorne bis hinten alleine renoviert. Jeder Handgriff saß: Bad renovieren, Vorwände ziehen, Steckdosen erneuern, Boden verlegen.

Was wünschen Sie sich beruflich: Was könnte für Handwerkerinnen noch verbessert werden?

Grundsätzlich sollte das Handwerk wieder so geschätzt werden, wie es das wert ist. Wir brauchen das Handwerk und Menschen, die gerne Handwerker:innen sind. In meiner Schule entschied sich ein Großteil meiner Mitschüler:innen für das Fachabitur oder Abitur. Doch wo kommen wir hin, wenn alle studieren und eine akademische Laufbahn einschlagen?

Ich kann hier nur für mich sprechen: Mein Handwerksberuf macht mich extrem unabhängig – auf vielen Ebenen. Er bietet mit Tag für Tag Gelegenheit, mich zu beweisen. Und er bietet mir eine sichere Zukunft, denn Handwerker:innen werden immer gebraucht.

Vielen Dank, Julia Ketel, dass Sie sich Zeit für unser Interview genommen haben!

Fotos: Julia Ketel