Klimadilemma Fliegen: CO2-Fussabdruck kompensieren, bringt das was?

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Hier sitz ich nun, am Rückweg von einem weiteren einzigartigen ELEEP Trip. Die unzähligen Eindrücke muss ich erst verarbeiten, um sie wieder in interessante Artikel hier verarbeiten zu können. Was mich aber hier am Gate sitzend beschäftigt, ist das furchtbare Thema Fliegen und CO2 und wie man all das berechnen kann. Natürlich mache auch ich mir Gedanken, wenn ich die Einladung zu so einem Trip annehme. Es ist und bleibt ein Langstreckenflug, der meinen CO2-Fußabdruck eines ganzen Jahres einfach so verdoppelt. Hier eine eindrückliche Grafik dazu von der CO2-Kompensationsplattform atmosfair – dort kann man jederzeit seinen CO2-Fussabdruck für alles mögliche berechnen. Die Emissionen auf dem Bild sind genau jene von meinem Flug von Wien über London nach Washington. Eine furchtbare Plackerei im Übrigen, aber das ist eine andere Geschichte.

CO2 beim Fliegen
Mein CO2 Fussabdruck beim Flug von Wien nach Washington.

Wie man hier sehen kann, werden durch den Flug 4.070 kg CO2 emittiert. Was mir besonders gut gefällt, ist dass atmosfair hier nicht nur die Emissionen durch den Treibstoff einkalkuliert, sondern auch die blöden Nebeneffekte, die die veränderte Wolkenbildung beim Fliegen auslösen. Anscheinend sind diese Wolken mindestens genauso schlimm wie das Kerosin an sich. Hier ist das etwas besser beschrieben.

Ein Langstreckenflug entspricht zwei Jahren Auto fahren

Und jetzt lassen wir uns das einmal auf der Zunge zergehen. All meine Bemühungen im täglichen Leben einen vernünftigen Lebensstil zu leben, werden mit einem einzigen Flug zunichte gemacht.  Der Flug entspricht mehr als 24.000 Autokilometer und fast das 3-fache der durchschnittlichen Jahresemissionen eines Inders. Ziemlich deprimierend finde ich. Zeit sich also einige Lösungsgedanken zu machen.

30 Mio. Flüge weltweit – Ist zu Hause bleiben eine Lösung?

Die offensichtlichste Lösung ist natürlich einfach nicht mehr zu fliegen. Manche Menschen in meinem sozialen Umfeld finden es immer besonders lustig, mich zurechtzuweisen, wenn ich es wage mich wie ein normaler Mensch zu verhalten. Auch wenn die Kritik zu Fliegen sicher berechtigt ist, nehme ich sowas nur ernst, wenn ich weiß, dass die betreffende Person auch vor seiner eigenen Haustür gekehrt hat. Vor allem ist das in diesem Fall wohl nicht die Lösung. Wenn ich nicht fliege, tun es noch immer 30 Millionen andere Menschen (Globometer) und das Problem liegt wo anders, wie man gleich sehen wird. Jede Sekunde(!) hebt ein Flieger der zivilen Luftfahrt ab. Frachtflüge sind da noch nichtmal dabei! 

Externe Kosten beim Fliegen müssen internalisiert werden

Die Lösung ist wie bei so ziemlich allen Problemen mit Energie: Fehlende Kostenwahrheit und Abwälzen der externen Kosten auf die Gesellschaft. Fliegen ist schlichtweg zu billig. Ich kann meinen Flug zwar künstlich etwas verteuern, aber das Problem löst das wahrscheinlich nicht gänzlich, aber schauen wir trotzdem kurz in das Thema CO2 Kompensation.

Berechnung CO2 Fussabdruck

€ 23,-/Tonne CO2 bei Atmosfair

Ich konnte mich um 94,- „freikaufen“. Mit dem Geld werden Projekte unterstützt, die CO2 einsparen. Ein Problem dabei ist aber manchmal, dass die Einsparungen nicht unmittelbar statt finden, sondern zB. über die Lebensdauer eines Baumes, der mit dem Geld gepflanzt wird. Für die unmittelbare Bedrohung durch den Klimawandel ist diese Lösung vermutlich nicht die richtige, wenn auch langfristig sinnvoll. Projekte die Effizienzeinsparungen herbeiführen, oder die Verbrennung fossiler Treibstoffe unmittelbar verhindern, haben hingegen einen unmittelbaren Effekt auf den CO2 Ausstoss. Also auch hier sollte man genau schauen, welche Projekte umgesetzt werden. Ich finde die Kompensation jedenfalls  besser als gar nichts, aber werde hierzu noch ein Interview mit einem Experten veröffentlichen, der uns hoffentlich noch besser erklären kann, dass es sich nicht um reinen Ablasshandel handelt. Ich will nicht in 30 Jahren so belächelt werden, wie wir heute die Katholiken von damals.

Gibt es einen fairen Preis je Tonne CO2?

23,- pro Tonne CO2 (94,-/4,07 t) entspricht vermutlich noch nicht ganz den externen Kosten aber es ist mal ein Anfang. Die Schätzungen für die echten externen Kosten gehen übrigens von  40,-/Tonne bis hin zu 400,-/Tonne. Die traurige Wahrheit ist aber, dass im europäischen Emissionshandelssystem die Tonne CO2 derzeit um ein Zehntel bzw. Hundertstel dieses Wertes gehandelt wird. Mit Ups and Downs bei 4,-/Tonne CO2 um bei dieser Größenordnung zu bleiben. So viel zum Thema, dass der Markt die besten Lösungen hervorbringt…

Was wäre, wenn jeder CO2 kompensieren würde?

Nachdem mein toller Flug, dank einer Nebelmauer in London nun ganze zwei Stunden verspätet ist, habe ich genug Zeit um ein weiteres meiner Rechenspielchen aufzumachen.  Ich frage mich gerade, wie viele der hunderten Menschen, die mit mir hier warten wohl ihren Flug kompensiert haben und was wäre, wenn alle wirklich etwas zur Lösung des Problems beitragen würden. Wir strapazieren deshalb ein wenig die Flugstatistiken. 2010 wurden 30 Millionen Flüge der zivilen Luftfahrt verzeichnet und jährlich werden 650 Mio. Tonnen CO2 durch den Flugverkehr emittiert, würden all diese Flüge mit 23,-/Tonne kompensiert, wären das ganze 15 Milliarden Euro! Das ist fast die Hälfte des weltweit benötigten Kapitals für die Klimarettung!

15 Mrd. von 36 Mrd. nur durch den Flugverkehr!

Das sind ja mal gute Neuigkeiten! Das bedeutet, wenn man diesen Sektor in den Griff bekommt und die Kosten internalisiert, hat man schon die halbe Miete!!! Was die Sache noch interessanter und gesellschaftsfähiger macht: Fliegen ist nun wirklich nichts wo sich das Argument der “Armen” anwenden lässt und dass das alles so unsozial wäre. Natürlich ist die Sache sicher nicht so einfach wie sie scheint, aber auch nicht so unlösbar wie oft propagiert. Während ich hier sitze und mir die Welt so vorstelle, wie ich sie gerne hätte, entscheiden die entscheidenden Herrschaften in Montreal übrigens, dass sie sich 2020 über einen Marktmechanismus einigen werden. Ein kleiner Schritt fürs Klima, ein großer für die Industrie. Sicher wäre eine schnellere Lösung wünschenswert. Wie ich in aber in Washington lernen durfte, ist jede Einigung in diese Richtung besser als gar keine… Bis dahin kann ja jeder selbst auch noch etwas Verantwortung übernehmen. Gibt es eigentlich Firmen, die die Kompensationszahlungen für die Mitarbeiter freiwillig übernehmen? Würden uns über Hinweise freuen.

Ich bin jetzt dann mal im Flieger… das Gate ist endlich offen und nach18 Stunden Reise bin ich bald am Ziel…

Bild: nicolasberlin / photocase.com