luftblasen_luft_solarthermie_anlage

Luft in der Solarthermie-Anlage: das Solarfluid macht einen Unterschied

Veröffentlicht von

Als ich neulich den Artikel über Entlüfter und Entlüftung bei Solarthermie-Anlagen schrieb, stieß ich bei der Recherche dazu auf einen kleinen Beitrag, der im „Fach.Journal“ erschienen war. Das ist die „Fachzeitschrift für Erneuerbare Energien & Technische Gebäudeausrüstung – Für Planungsbüros, Anlagenbau, Öffentliche Hand, Fachhandel und Endverbraucher“. In dem Beitrag ging es um „Luft in Solaranlagen“ im Allgemeinen und den Unterschied, den dabei die Qualität des Solarfluids macht, im Besonderen. Letzteres ist das Thema, das ich für euch hier aufgreife.

Solarflüssigkeit: Wasser vs. Wasser-Glykol

Solarthermie-Anlagen sind so konzipiert, dass sie die mit dem Solarthermie-Kollektor absorbierte Sonnenwärme an ein Wärmeübertragungsmittel übergeben, das im solaren Heizkreis buchstäblich kreist, um die Wärme von den Kollektoren zum Wärmespeicher zu transportieren, wo sie mittels geeigneten Wärmetauschern an das zu erwärmende Trinkwasser (Warmwasser, Brauchwasser) und / oder Heizwasser übergeben wird. Wärmeübertragungsmittel können

  • flüssig
  • oder gasförmig

sein. Bei Anlagen mit Luftkollektoren ist Luft als Wärmeübertragungsmittel unterwegs, die von Ventilatoren bewegt wird. Andere Anlagen arbeiten mit flüssigen Wärmeübertragungsmitteln, die wegen ihres Aggregatzustands auch Solarflüssigkeit oder Solarfluid genannt werden. Sie werden von der Solarpumpe umgewälzt. Als Solarfluid kommen

  • entweder pures Wasser
  • oder Wasser-Frostschutzmittelgemische (Wasser-Glykol-Gemische)

zum Einsatz.

Qualität der Solarflüssigkeit nimmt Einfluss auf Luft in der Solarthermie-Anlage

Aus der unterschiedlichen Qualität der Solarflüssigkeit ergeben sich diverse Unterschiede bei der Funktionalität der Anlagen, die wir hier auf dem Blog schon mehrfach diskutiert haben. Wer dazu mehr lesen will, der schaut in die folgenden Blogbeiträge.

Die unterschiedlichen Solarflüssigkeiten gehen mit Luft in der Solaranlage auch unterschiedlich um. Im eingangs genannten Artikel wird das so beschrieben:

Ein reduzierter Wärmeübergang zwischen Kollektor, der Anlagenflüssigkeit und dem Speicher sowie eine gestörte Hydraulik führten demnach bis zum Stillstand des Kollektors. Schnellentlüfter an den Anlagenhochpunkten würden aufgrund der – im Vergleich zu Wasser – höheren Viskosität des Wasser-Glykol-Gemisches keine dauerhafte Entlüftungsfunktion bieten. Darüber hinaus würden sie oftmals zur Vermeidung des Abblasens bei Dampfbildung abgesperrt, und der Anlage stünde damit überhaupt keine Entlüftungsfunktion zur Verfügung.

Exkurs: Solarflüssigkeit (k)eine gleichwertige Komponente der Solarthermie-Anlage?

Ein interessanter Nebenaspekt aus dem Artikel, den ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen möchte, ist der:

Demnach werde der Wärmeträger in Solarthermie-Anlagen, also das Medium, das die Wärme von Betriebspunkt „A“ nach „B“ transportiere, wie  in der Heizungstechnik auch, „leider nicht als gleichwertige Anlagenkomponente wie Kollektoren, Pumpen, Speicher, Regelungen etc. betrachtet“. Das wiederum sei ein Grund dafür, dass flüssigkeitsbedingte Störungen in der Praxis selten lokalisiert würden und man versuche, Herr hydraulischer Probleme zu werden, indem man die Solarpumpe „höherdrehe“.

Luft ist nicht gleich Luft: gelöste Luft, freie Luft und Mikroluftbläschen

Der Autor des Artikels weist als Nächstes darauf hin, dass die Fachliteratur lediglich „die gelöste und freie Luft“ behandele, während eine weitere Unterscheidung von Luft weitgehend unberücksichtigt bleibe: die Mikroluftblasen.

Das seien Luftbläschen mit Durchmessern zwischen 0,1 und 0,15 Millimetern (mm). Der Autor schlägt zur Veranschaulichung des Unterschieds folgenden einfachen Test vor: Man nehme zwei durchsichtige Wasserflaschen und fülle diese jeweils zu drei Vierteln

  • mit klarem Wasser
  • und mit einer gebrauchsfertigen Solarflüssigkeit, also Wasser mit 40 Prozent Glykol).

Schüttele man beide Flaschen für eine halbe bis ganze Minute, würde man beobachten können, dass

  • im klaren Wasser in einem Bruchteil von Sekunden nahezu alle sichtbaren Luftblasen nach oben aufgestiegen wären. Nur noch vereinzelt würden einige Mikrobläschen in der Flüssigkeit schweben.
  • in der Solarflüssigkeit dagegen größere Luftblasen wesentlich langsamer als in reinem Wasser nach oben aufsteigen würden. Man könne sehen, dass aufgrund der höheren Viskosität der glykolhaltigen Flüssigkeit eine hohe Anzahl kleiner Bläschen äußerst langsam aufsteige und sich eine durchgehend klare Flüssigkeit erst nach einigen Minuten einstelle.

Übertrage man die Beobachtungen auf das Verhalten von Luftblasen in einer Solarthermie-Anlage hieße das, dass Luftbläschen im Volumenstrom verbleiben und selbst bei geringen Strömungsgeschwindigkeiten mitgeführt würden.

Diese Mikrobläschen könnten demnach über Schnellentlüfter nicht aus dem System entfernt werden, weil sie daran „vorbeimarschieren“ würden. Wegen dieses vom Autoren des Beitrags sogenannten Verharrungsvermögens verteilten sich in der Solarflüssigkeit eingeschlossene Luftbläschen im gesamten Rohrnetz.

Der Autor schließt daraus, dass sich die Luft im Solarsystem „nicht nur der etablierten Meinung gemäß an den Anlagenhochpunkten, sondern auch im unteren Bereich der Solaranlage“ befinde.

Eine bemerkenswerte Erkenntnis zum Unterschied zwischen mit Wasser- und mit Wasser-Glykol-Gemischen betriebenen Solarthermie-Anlagen, meint ihr nicht auch? Immerhin macht Luft im System viele Probleme, wie ich im eingangs verlinkten Artikel dargestellt habe.

Wasser-Glykol “hält” Luft im Solarsystem

Der Autor des hier behandelten Artikels belässt es jedoch noch nicht dabei. Er führt weiter aus, dass Glykol chemisch / physikalisch betrachtet auf das Anlagenwasser ähnlich wie Tenside wirke und die Oberflächenspannung herabsetze. So entstehe ein homogenes Gemisch aus Wasser, Glykol und (aufgrund der geringen Oberflächenspannung) sehr kleinen, fein verteilten Luftbläschen.

Je kleiner die Luftbläschen seien, desto geringer seien demnach ihre Auftriebskräfte. Darüber hinaus werde der Auftrieb von mikrofeinen Luftbläschen in hochviskosen Flüssigkeiten erheblich behindert. Deshalb weist der Verfasser zur Untermauerung der zuvor geschilderten Situation noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass Mikrobläschen im Volumenstrom der Anlage verblieben und selbst bei geringen Strömungsgeschwindigkeiten, „transportfähig“ seien.

Das sei ein Grund, so schreibt der Verfasser weiter, dass Schnellentlüfter wenig Abhilfe bei Luft in der Solarthermie-Anlage bieten würden. Sie eigneten sich demnach bestenfalls als Entlüftungsmittel für das Befüllen beziehungsweise zur Entleerung der Anlage. In Betrieb ließen sich Luftblasen demzufolge nur punktuell und grob entfernen, weil sich Schnellentlüfter bauartbedingt am Rande des Volumenstromes befinden würden.

Nachtrag

Als Lösung für das Luftproblem in mit Wasser-Glykol-Gemischen gefahrenen Solaranlagen schlägt der Verfasser, das sei hier der Vollständigkeit halber erwähnt, sogenannte Mikroluftblasenabscheider vor, die ihm zufolge dort wirken würden, wo sich Luftbläschen befinden würden: im Volumenstrom. Montiere man solche hochtemperaturgeeigneten Mikroluftblasenabscheider in ausreichender Entfernung von einer möglichen Dampfphase, zum Beispiel in den Speicherzulauf (demnach im Allgemeinen im Keller), so beschaffe man der Anlage damit eine permanente Entlüftungsmöglichkeit. Doch das ist ein neues Thema und hat sicher damit zu tun, dass der Verfasser des Beitrags, Harald Schwenzig, zumindest zum Zeitpunkt es Verfassens Geschäftsführer des Unternehmens Spirotech Deutschland war, das nach meiner Recherche mit solchen Mikroluftabscheidern handelt.

Für mich brachte mein Nebenbeifund ein mir bis dahin unbekanntes Pro für Wasser und Contra für Wasser-Glykol-Gemisch als Solarflüssigkeit. Was denkt Ihr?

Foto: TheGRischun-Rafael Peier / photocase