Multifunktionales_Bauteil

Sonne trifft Wand: Beton speichert Sonnenwärme smart

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Die neuartigen Bauteile bestehen aus (von unten nach oben) einer Tragschale, die die Last abträgt, Wärme speichert und über dünne Rohleitungen transportiert (20 cm), einer schmalen Dämmung, die als Wärmeschutz fungiert (14 cm) sowie einer Vorsatzschale, die die Dämmung schützt (7 cm). Foto: TUK

Wenn Sonnenstrahlung auf Wände trifft, dann heizt die Sonnenwärme (Solarthermie) das Material, zum Beispiel Beton, auf. Eine Energiegröße, mit der wir rechnen sollten, wenn es ums ökologische Heizen der Zukunft geht. Prof. Dr.-Ing. Matthias Pahn von der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK) hat mit einer Arbeitsgruppe untersucht, wie sich diese Wärme effizient für die Gebäudeheizung nutzen lässt. Das Ergebnis der Forschungsarbeit ist ein Heizsystem mit neuartigen Bauteilen, die ihre eigene Masse als Wärmespeicher nutzen. Die Funktionstüchtigkeit des Konzepts konnten die Bauingenieure anhand eines Prototyps nachweisen und sind jetzt bereit für den Schritt in die bauliche Praxis.

Im Gebäudesektor gebe es zwei Stellschrauben, um Treibhausgasemissionen zur reduzieren:

  • Entweder man optimiere die Dämmung
  • oder man setze auf Erneuerbare Energien.

Mit diesen Worten umschreibt Professor Pahn die grundlegende Herangehensweise seiner Forschung in der zugehörigen Pressemeldung der TUK. Der Faktor Dämmung sei ihm zufolge mittlerweile technisch, ökonomisch und ökologisch nahezu ausgereizt und berge in punkto Emissionen kaum noch zusätzliches Potenzial. Deswegen hätte er mit seinem Team untersucht, wie sich die Solarthermie in der Praxis bestmöglich zum Heizen nutzen lasse.

Solarthermie und Beton Smallhouse_innen@SvenPaustian

Die Heizungstechnik des SmallHouse IV nutzt Wärme aus der Solarthermie. Die multifunktionalen Außenwände dienen hierfür als Wärmespeicher. Die benötigte Regelung und Steuerung der Wärmeerzeuger (schwarz, rechts oben), Speicher (rot, Mitte) und Heizflächen (rot, Mitte links) erfolgt über Umwälzpumpen. Einzelne Ventile (rot, unten) ermöglichen das präzise Steuern von Be- und Entladevorgängen der Wärmeerzeuger und -speicher. Foto: Sven Paustian

So lässt sich Solarthermie im Beton speichern

Aber: Sonnenwärme stünde nicht rund um die Uhr zur Verfügung. Deswegen sei der konzeptionelle Ansatz der Forschenden gewesen, die Energie in der Gebäudewand langanhaltend bis in die Nacht hinein verfügbar zu halten. Beton habe grundsätzlich ein sehr gutes Wärmespeichervermögen, erläutert Tillman Gauer, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Professor Pahn. Doch erst mit Einsatz der multifunktionalen Bauteile – aufgebaut aus

  • einer Tragschale,
  • einer 14 Zentimeter (cm) dicken Dämmung
  • und einer Vorsatzschale –

lasse sich die Wärme auch effizient für die Gebäudeheizung nutzen. In den multifunktionalen Bauteilen (siehe Titelbild) würden dünne Rohrleitungen verlaufen, wie sie auch bei einer Fußbodenheizung zum Einsatz kämen. Diese transportierten warmes Wasser ins Bauteil, kaltes Wasser zurück zum Heizsystem und speicherten so Wärme ein. Auf diese Weise könne das Heizsystem bedarfsgerecht auf die Sonnenwärme zugreifen.

Wenn sich die Wand nur um wenige Grad Celsius aufheize, reiche das aus, um innen eine behagliche Wärme zu erzeugen. Gekoppelt seien die multifunktionalen Bauteile und die Solarthermie mit einem regulären Heizsystem, zum Beispiel einer Fußbodenheizung mit Wärmeerzeuger, der einspringen könne, wenn nicht genug Sonnenwärme zur Verfügung stünde. Sei zu viel Sonnenwärme verfügbar, ließe sich diese in einem Pufferspeicher „zwischenlagern“. Dieses innovative System werde im Hintergrund geregelt: Temperaturfühler meldeten ihre Messwerte an den Zentralrechner, der Algorithmus-gesteuert entscheide: Wie warm ist es aktuell im Raum? Gibt es ein solares Angebot? Dabei habe die Solarthermie als klimafreundlicher Energieträger grundsätzlich den Vorrang.

Solarthermie Beton Smallhouse_außen@SvenPaustian
Das „Small House Village“ auf dem Gelände der TUK dient als Experimentierraum für die Bauforschung. Im abgebildeten Small House IV hat die Arbeitsgruppe von Prof. Dr.-Ing. Matthias Pahn untersucht, wie sich die Gebäudetragstruktur mittels multifunktionaler Bauteile energetisch nutzen lässt. Foto: Sven Paustian

Die Langzeittests habe Gauer in einem der kleinen Gebäude im Small House Village der TUK durchgeführt, die den Forschenden als baulicher Experimentierraum zur Verfügung stünden. Dort sei die „Hybridheizung“, in dem Fall eine Kombination aus Solarthermie und Erdwärme, seit über drei Jahren im Regelbetrieb und habe sich bewährt. “Über zwei Durchbrüche in der Betonwand, in die sich Bauteile ein- und ausbauen lassen, konnten wir dabei verschiedene neuartige Bauteile und Materialien testen und so das System optimieren“, ergänzt der Bauingenieur Tillman Gauer.

Bauherren für Test gesucht!

Was jetzt noch fehle, sei der praktische Einsatz in einem klassischen Einfamilienhaus.

„Wir suchen Bauherren, die das System testen möchten – idealerweise in Kombination mit einer Fußbodenheizung, die ebenfalls geringe Vorlauftemperaturen benötigt“, sagt Gauer.

Was die bauliche Umsetzung betreffe, reiche es völlig aus, einen Teil der schattigen Nordfassade mit den funktionalisierten Betonbauteilen auszustatten. Innen nehme das System kaum Platz weg – die Rohrleitungen würden in der Wand verlaufen und die Steuerungstechnik passe in eine Ecke beziehungsweise in einen kleinen Heizraum.

Über die Technische Uni Kaiserslautern

Die TU Kaiserslautern (TUK) ist eigenen Angaben zufolge eine ingenieur- und naturwissenschaftlich ausgerichtete Forschungsuniversität mit internationaler Sichtbarkeit. Ihren Studierenden biete sie zukunftsorientierte Studiengänge sowie eine wissenschaftliche Ausbildung mit moderner Infrastruktur und gutem Praxisbezug. An der TUK gebe es neben exzellenter Einzelforschung eine Vielzahl koordinierter Forschungsverbünde. In der Grundlagenforschung seien dies mehrere von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Sonderforschungsbereiche und Transregios. Die Themenbereiche der anwendungsorientierten Forschung würden meist in enger Kooperation mit den zehn Forschungsinstituten am Standort bearbeitet. Indem die TUK Forschungsstärke mit Wissens- und Technologietransfer verbinde, schlage sie nicht zuletzt die Brücke zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Als Campus-Universität am Rande des Pfälzerwaldes zeichne sie sich durch kurze Wege, ein partnerschaftliches Miteinander und naturnahe Lebens- und Arbeitsqualität aus.

Fotos: TUK (Titel), Sven Paustian (2)