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Vernachlässigter Klimaschutz: Solarenergie-Förderverein bereitet Verfassungsbeschwerde vor

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Anfang Mai 2018 gab der Solarenergie Förderverein Deutschland e.V. (SFV) eine Verfassungsbeschwerde gegen die Bundesregierung in Auftrag. Der Grund: Mit der Vernachlässigung der notwendigen Klimaschutzanstrengungen verletze diese das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Als ein Einzelkläger unterstützt Professor Volker Quaschning von der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft das Anliegen des SFV – wir haben den Experten für Erneuerbare Energien gefragt, warum er das tut. Seine Antworten und die Hintergründe zur SFV-Verfassungsbeschwerde wegen vernachlässigtem Klimaschutz lest ihr hier.

Warum bereitet der SFV eine Verfassungsbeschwerde vor?

Die Antwort auf diese Frage gibt der SFV auf seiner Internetseite. Dort schreibt Wolf von Fabeck, der Geschäftsführer des SVF:

„Am meisten beunruhigt uns der weltweite Temperaturanstieg, der sich sogar noch weiter beschleunigt. Die Klimaforscher haben die Ursachen längst aufgeklärt. Die Sonnenstrahlen erwärmen die Erdoberfläche. Die erwärmte Erdoberfläche strahlt diese Wärme wieder in den kalten Weltraum ab. So lange die eingestrahlte Wärme wieder vollständig abgestrahlt wird, bleibt die Jahresdurchschnittstemperatur gleich.

Doch die sogenannten Klimagase vermindern die kühlende Abstrahlung in den Weltraum. Sie lassen zwar die kurzwelligen Lichtstrahlen der Sonne zur Erdoberfläche durch, bremsen aber die langwelligen Wärmestrahlen der Erdoberfläche in den Weltraum. So wird von der Erdoberfläche weniger Energie zurückgestrahlt, als vorher von der Sonne eingestrahlt wurde. Deswegen wird es von Jahr zu Jahr immer wärmer. Das ist der Klimawandel. Aber Leute wie Donald Trump verstehen das nicht.

Der ursprünglich durch menschliche Aktivitäten, Waldrodungen, Extremlandwirtschaft, und bedenkenlose Nutzung fossiler Brenn- und Treibstoffe angestoßene Klimawandel hat sich inzwischen verselbstständigt. In mehreren Regionen der Welt treten Entwicklungen auf, bei denen es die Erwärmung selbst ist, die zu weiterer, noch schnellerer Erwärmung führt. …

Unsere neue Bundesregierung besteht keineswegs aus lauter Leuten, die die Ursachen des Klimawandels nicht verstehen können. Aber was wir beim SFV nun unsererseits nicht verstehen können, ist das Geheimnis, warum die Regierung nicht alle ihr zu Gebote stehenden Kräfte und Maßnahmen gegen den Klimawandel einsetzt, sondern das Thema auf die lange Bank schiebt. Die Kanzlerin und ihre Minister haben am 14.3.2018 geschworen, das Grundgesetz zu wahren und zu verteidigen. Das Grundrecht nach Artikel 2 GG, Absatz (2) ‚Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit‘ kann jedoch auf der langen Bank nicht mehr verteidigt werden. Es verdient die höchste Prioritätsstufe.“

Wissen solltet Ihr dazu, dass der SFV Anfang des Jahres ein Rechtsgutachten veröffentlichte, das

  • einerseits keinen Zweifel daran lasse, dass die Staaten der Welt gemeinsam beschlossen haben, die Globaltemperatur nicht über 1,5°C ansteigen zu lassen.
  • und andererseits nachweise, dass jede andere Auslegung des Vertragstextes auf innere Widersprüche stoße.

Zwar ließe sich demnach die Einhaltung des Paris-Abkommens nicht gerichtlich erzwingen, doch erleichterten die Sachfeststellungen dieses international gültigen Vertragswerks eventuelle Klagen vor nationalen Gerichten auf vorsorgende Schutzmaßnahmen der Staaten gegen Gefährdung des Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit und ein lebensnotwendiges Existenzminimum.

Das Rechtsgutachten hat Professor Felix Ekardt von der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Rostock und Leipzig für den Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) erstellt.

Volker-Quaschning-Interview-Verfassungsbeschwerde SFV
Prof. Volker Quaschning unterstützt das Anliegen des SFV als Einzelkläger – im Interview erklärt er uns, warum. Foto: Quaschning

3 Fragen an Prof. Volker Quaschning – der die Verfassungsbeschwerde des SFV als Einzelkläger unterstützt

Prof. Quaschning, Sie unterstützen den SFV, der eine Verfassungsbeschwerde gegen die Bundesregierung wegen Verletzung des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit durch Vernachlässigung der notwendigen Klimaschutzanstrengungen in Auftrag gegeben hat. Können Sie uns bitte kurz erklären, worum es dabei geht und warum Sie das Anlegen des SFV als Einzelkläger unterstützen?

Prof. Volker Quaschning: Mit der aktuellen deutschen Energie- und Klimaschutzpolitik sind ist ein Einhalten der beschlossenen Pariser Klimaschutzziele nicht einmal ansatzweise möglich. Setzen wir die Energiewende im bisherigen Tempo fort, müssen wir mit einem globalen Temperaturanstieg von 3 bis 4 Grad Celsius bis 2100 rechnen. Das ist in etwa genau so viel wie seit der letzten Eiszeit bis heute. Dadurch würden Extremwetterereignisse, Überschwemmungen und Dürren signifikant zunehmen. Langfristig müssen wir dann mit einem Meeresspiegelanstieg von vielen Metern rechnen. Hierdurch werden viele Menschen ihr Leben verlieren und wir zerstören die Lebensgrundlagen der künftigen Generationen. Wir haben eine Verantwortung für unsere Kinder und Enkelkinder. Darum versuchen wir über die Klage das nötige Handeln der Regierung zu erzwingen.

Wie kommt es zu dieser Grundrechtsverletzung? Warum wird diese von unserer Bundesregierung überhaupt zugelassen?

Unserer Regierung stellt derzeit kurzfristige wirtschaftliche Interessen einzelner Unternehmen über das Wohl der künftigen Generationen. Der Einfluss der entsprechenden Lobbygruppen auf die Politik ist so groß, dass man sogar bereit ist die Lebensgrundlagen unserer Kinder dafür zu opfern. Hinzu kommt eine gehörige Portion Gedankenlosigkeit, denn viele Politiker und Wirtschaftsvertreter haben ja auch Kinder. Aber die blenden das Problem einfach aus. Doch wenn man die Augen vor wichtigen Herausforderungen verschließt, werden die Probleme nicht kleiner.

Sie sind Experte für Erneuerbare Energien und fordern die Bundesregierung auf, unser aller Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen. Was könnte die Regierung in Sachen Klimaschutz sofort besser machen, um Ihrer Forderung nachzukommen, und was brächte das kurz- und langfristig?

Um das vom Deutschen Bundestag einstimmig beschlossene Pariser Klimaschutzabkommen einhalten zu können, müssen wir das Tempo der Energiewende mindestens verfünffachen. Wir brauchen einen deutlich höheren Zubau von Solar- und Windkraftanlagen sowie Energiespeichern. Bereits in wenigen Jahren müssten wir uns von Kohlekraftwerken, der Öl- und Gasheizung sowie Autos mit Verbrennungsmotoren verabschieden. Deutschland würde damit nicht nur einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz leisten, sondern auch Vorreiter bei Zukunftstechnologien werden und damit auch langfristig den Wohlstand sichern. Deutschland droht momentan nicht nur ein totales Versagen beim Klimaschutz, sondern könnte auch den technologischen Anschluss bei Zukunftstechnologien an China verlieren.

Vielen Dank, Prof. Quaschning, dass Sie uns so kurzfristig Rede und Antwort gestanden haben!

Wie geht es mit der SFV-Verfassungsbeschwerde weiter?

Auch diese Frage beantwortet der SFV im Internet:

„Der Solarenergie-Förderverein Deutschland hat … einen verbindlichen Auftrag zur Durchführung einer Verfassungsbeschwerde an zwei Umweltrechtsexpert/innen erteilt.

Außerdem wird der SFV Kläger und Unterstützer für die Klage werben, Impulse für die Öffentlichkeitsarbeit der Unterstützer geben, sowie die Finanzierung sicherstellen.

Die Klage soll möglichst noch Ende Mai eingereicht werden und wird vertreten von Prof. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A. (Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik, Leipzig/Berlin) und Rechtsanwältin Franziska Heß (Baumann Rechtsanwälte, Leipzig). Beide sind neben ihrem Beruf ehrenamtlich als Vorstände des BUND Landesverband Sachsen e.V. engagiert.

Ziel der Klage ist es, gestützt auf Menschenrechtsgarantien, das Paris-Abkommen und die umweltvölkerrechtliche Aarhus-Konvention, vom BVerfG die Feststellung zu erlangen, dass die bisherige deutsche Klimapolitik evident unzureichend ist und deshalb eine Pflicht zur kurzfristigen Nachbesserung im Sinne eines wesentlich wirksameren und rascheren Klimaschutzes besteht.“

Wer mehr über das Wesen der Verfassungsbeschwerde in Deutschland wissen möchte, klickt auf den Link.

SVF-Anliegen unterstützen – so geht‘s

Die Frage, was man als Verbraucher tun könne, um das Anliegen des SFV zu unterstützen, beantwortet der SFV-Geschäftsführer Wolf von Fabeck: Jeder von uns sei durch den Klimawandel persönlich und in wachsender Intensität bedroht, schreibt er. Jeder hätte deshalb das Recht, die Einhaltung des (im Grundgesetz – Anmerkung der Redaktion) genannten Artikels zu verlangen.

Der gemeinnützige SFV hat sich – wie oben erklärt – die Finanzierung der Erstellung der Beschwerdeschrift zur Aufgabe gemacht. Der Verband bittet dafür um Spenden bei seinen Mitgliedern und Unterstützern. Für die Erstellung der Klage- beziehungsweise Beschwerdeschrift rechne der Verein laut dieser Meldung mit Kosten von mindestens 20.000 Euro, die sich aber auch glatt verdoppeln könnten. Spendenkonto: Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V., Pax Bank e.G., Aachen, BLZ: 370 601 93, Konto: 1005 415 019, BIC: GENODED1PAX, IBAN: DE16 3706 0193 1005 4150 19, Verwendungszweck: “Spende für Verfassungsbeschwerde”, Name und Adresse für Spendenquittung.

Fotos: Prof. Volker Quaschning (Porträt), patty1971/photocase (Titel)