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Wanted: Energiewender für Energiewende

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CO2-Neutralität bis 2045. So langsam haben es jetzt die Meisten verstanden: Ohne Energiewende wird das nix. Doch so ein gesamtgesellschaftliches Wendemanöver wie die Energiewende braucht nicht nur ein Ziel, das angepeilt wird. Es braucht vor allem Energiewender. Menschen, die wissen, wie Energiewende geht. Und davon hat Deutschland offensichtlich viel zu wenige. Eine beunruhigende Bestandsaufnahme.

Es wird warm!

Bevor es gleich um die Energiewender geht, die hierzulande für die Eneegiewende fehlen, schnell eine Zahl, die zeigt, wie sehr wir uns trotz der vom Bundesverfassungsgericht geforderten und von der Bundesregierung überraschend schnell gelieferten Verschärfung des Klimagesetzes noch immer vertun, wenn wir das Ziel – CO2-Neutralität bis 2045 – anpeilen: Laut jüngsten Prognosen liege die Wahrscheinlichkeit, dass wir mit der globalen Erwärmung die 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit schon 2025 reißen (klingeling! – das sind 20 Jahre vor der angepeilten Klimaneutralität!), bei 40 Prozent, berichtet der SPIEGEL.

Oh.

Angesichts solcher Aussichten ist der Mangel an kompetenten Energiewendern, den wir jetzt beziffern, ein Drama.

Deutscher Energiewende fehlen Energiewender

Laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) könnte Deutschland für die Energiewende das Personal fehlen.

Oh. Oh.

Denn um

  • Wirtschaft,
  • Verkehr,
  • Gebäude
  • und Energiegewinnung

klimaneutral zu machen, so schreibt die Zeitung auf ihrer Wirtschaftsseite online weiter, seien zwischen 2015 und 2050 Schätzungen zufolge Investitionen von 2.150 Milliarden Euro erforderlich. Zum Herstellen von Investitionsgütern dieser Höhe bedürfe es demnach sehr vieler Arbeitskräfte: Allein im Jahr 2030 würden es 439.000 sein und 2035 rund 767.000. Davon müssten dann 58 Prozent Fachkräfte sein.

Bei diesen Zahlen berufe sich die Zeitung eigenen Angaben zufolge auf das Ergebnis einer noch unveröffentlichten Kurzstudie im Auftrag der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, die ihr vorliege.

Die FAZ erklärt dazu, dass 40 Prozent des Arbeitskräftebedarfs für die Klimaneutralität auf Berufsgruppen entfielen, in denen die Bundesagentur für Arbeit (BfA) schon jetzt einen Mangel an Fachkräften, Spezialisten und Experten festgestellt habe. Der größte Teil betreffe die Rohstoffgewinnung und Fertigung, gefolgt von Architektur, Vermessungs- und Gebäudetechnik. Ein weiteres Fünftel der relevanten Arbeitsplätze sollte in Digitalisierungsberufen entstehen.

Wichtige Klimaberufe

Zu den wichtigsten „Klimaberufen“ überhaupt zählten der Studie zufolge

  • Bürotätigkeiten,
  • Maschinenbau- und Betriebstechnik,
  • Hochbau,
  • Unternehmensstrategie
  • und Logistik.

Energiewender – woher nehmen?

Um den Mangel an Energiewendern zu entschärfen, würden die Autoren der Studie, so erklärt die FAZ,

  • einen Berufs- oder Branchenwechsel empfehlen, wozu Wechselwillige allerdings umfangreiche Qualifizierungsprogramme bräuchten.
  • Zugleich seien den Studienverfassern zufolge auch mehr Zuwanderung
  • sowie eine steigende Erwerbstätigkeit von Frauen und Älteren wünschenswert.

Energiewende braucht 70 Milliarden Euro Investitionen pro Jahr

Die Studie orientiere sich beim Mittelbedarf der Energiewende an Untersuchungen der Boston Consulting Group und des Instituts Prognos, wonach jedes Jahr rund 70 Milliarden Euro aufgewendet werden müssten.

Beim Umsetzen dieser Investitionen für ein klimaneutrales Deutschland könnte es zu Engpässen an Arbeitskräften kommen, warnen Jürgen Blazejczak und Dietmar Edel, die laut FAZ die Studie verfasst und früher am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW gearbeitet hätten.

Ihnen zufolge werde das meiste Geld in die wachsende Umweltverträglichkeit von Haushalten, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen fließen, knapp 690 Milliarden Euro oder 32 Prozent der Gesamtaufwendungen. Es folgten der Verkehr mit 655 Milliarden Euro vor, die Energie mit 580 und die Industrie mit 229 Milliarden Euro bis 2050.

Die FAZ merkt an, dass die Grünen als Auftraggeber der Studie erwarten würden, dass der Arbeitskräftebedarf noch höher liegen werde, weil die Berechnungen die Landwirtschaft, den Forst und den Abfall nicht berücksichtigten.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Oliver Krischer erwarte demnach weit mehr als eine Million Arbeitsplätze für Energiewender. Ihm zufolge werde der Klimaschutz oft negativ gesehen, er sei aber nicht zuletzt ein Jobmotor und gebe einen Modernisierungsschub. Man müsse jetzt die Weichen dafür im Handwerk und an den technischen Hochschulen stellen: Andernfalls hätten wir in 15 Jahren einen hohen Bedarf an Fachkräften, aber nicht die entsprechend qualifizierten Leute.

Gerhard Zickenheiner, in der Fraktion für Nachhaltigkeit zuständig, wird von der FAZ mit den Worten zitiert, dass Klimaschutz neben guten Konzepten auch Fachkräfte brauche, die diese in die Tat umsetzten. Um die richtige Aus- und Weiterbildung zu betreiben, bräuchte Deutschland demnach möglichst früh Planungssicherheit und ausreichend Geld. Seine Partei wolle dafür ein Recht auf Weiterbildung und Qualifizierungskurzarbeit einführen, sagt Zickenheiner der FAZ weiter.

Foto: eliza / photocase