Wanted: "Verbindlicherer Ausbaupfad für die erneuerbare Wärme in der Wärmewirtschaft"

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Vor kurzem habe ich Euch bei der Ankündigung der diesjährigen Internationalen Solar District Heating Conference (SDH Conference) in Toulouse versprochen, einen Nachschlag zu liefern. Und der kommt heute in Form des Interviews mit Dipl.-Ing. Thomas Pauschinger, deutscher Mitorganisator und Mitglied des wissenschaftlichen Komitees der bereits dritten Konferenz ihrer Art. Thomas Pauschinger arbeitet im Stuttgarter Solites, Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme.

Herr Pauschinger, Sie haben gerade die SDH Conference in Toulouse hinter sich – würden Sie uns bitte kurz Sinn und Zweck der Veranstaltung schildern! Wer hat sich dort getroffen und warum?

Thomas Pauschinger: Die große Solarthermie entwickelt sich immer mehr zur ernstzunehmenden Wärmeerzeugungstechnologie für Nah- und Fernwärmenetze. Auf der Seite der Solarthermie haben wir es hier oft mit hoch spezialisierten Anbietern und Experten zu tun, die Schlüsselakteure bei den Wärmenetzen sind meist Stadtwerke, Wärmeversorger und Kommunen. Ziel unserer Konferenz ist es, diese Gruppen zusammen zu bringen und eine internationale Plattform für Erfahrungsaustausch und Networking zu bieten.

Und kamen die gewünschten Akteure nach Toulouse?

Ein Teilnehmer-Plus von über 30 Prozent gegenüber der letztjährigen Ausgabe zeigt, dass dieser Bedarf besteht und das Konzept der Tagung aufgeht.

Welche Neuigkeiten haben Sie von der Konferenz mitgebracht?

Beeindruckend sind mit einer thermischen Leistung von 50 MW die Dimensionen der unlängst eingeweihten Solarthermie-Anlage im dänischen Ort Vojens (darüber habe ich hier auf dem Blog schon berichtet! – Anmerkung von Doreen). Ebenso beachtlich ist das erstmals vorgestellte Konzept für die Solarisierung der städtischen Fernwärme in Graz. Hier werden auf städtischer und auf Landesebene rund 500.000 m² Kollektorfläche diskutiert, die 20 Prozent des Fernwärmeaufkommens der österreichischen Großstadt erzeugen sollen.

Ein wichtiges Element unserer Konferenz sind jedoch auch die neuen Märkte in Europa. Wir sprechen ganz bewusst Entscheider und Marktakteure in interessanten Regionen an, die gute Voraussetzungen bieten. In diesem Bereich fand ich insbesondere die Vorstellung der ersten 1000-m²-Anlage in Italien und die technische Exkursion zu der Anlage in Balma bei Toulouse erfreulich.

Wie schätzen Sie die Rolle der solaren Fernwärme in Europa, in Deutschland ein – entspricht sie bereits dem Potential der Technologie?

Das technisch-wirtschaftliche Potenzial der Solarthermie in der Nah- und Fernwärme ist mit ca. 15 Prozent beachtlich und, mit Ausnahme Dänemarks, stehen wir in den meisten Länder hier erst am Anfang. Der Trend ist jedoch positiv, da mit der heutigen Anlagentechnik sehr günstige Wärmegestehungskosten von 30 bis 50 Euro je MWh erzielt werden können, was auch für Betreiber von Wärmenetzen sehr interessant ist. Weiter ist die Solarthermie umweltfreundlich, marktverfügbar, sie genießt hohe Akzeptanz und kann überall genutzt werden. Jährlich kommen in diesem Bereich rund 30 Prozent der europaweit installierten Fläche dazu.

Falls die solare Fernwärme noch nicht die Rolle innehat, die sie ausfüllen könnte, was müsste getan werden, um der Solarthermie den ihr gebührenden Platz im Reigen der Erneuerbaren Energien einzuräumen?

Wir müssen die gute Wirtschaftlichkeit, die Förderung und die technischen Möglichkeiten solarthermischer Großanlagen bekannt machen, Akteure gewinnen und diese unterstützen. Wissen und Know-how sind noch nicht ausreichend verbreitet. Wichtig ist es, bei unterschiedlichsten Veranstaltungen mit Kommunen, Stadtwerken und Energie-Genossenschaften mit dem Thema präsent zu sein. Siehe auch unsere Konferenz.

Wo sehen Sie die wichtigsten Hemmnisse, die einem Durchbruch der Solarthermie im Wege stehen?

Eine wesentliche Voraussetzung ist, dass wir von der stark stromfokussierten Energiediskussion weg kommen und Wärme im Allgemeinen und Wärmenetze im Speziellen als eine wichtige Schlüsseltechnologie für die Energiewende wahrnehmen. Wir müssen in diesem Bereich dynamischer in die Umsetzung kommen. Hier ist auch die Politik auf Bundes- oder Regionalebene gefragt, um das Thema Wärmewende voranzubringen und förderliche Rahmenbedingungen zu setzen. Dänemark hat gezeigt, was hier möglich ist, aber auch einige deutsche Landesregierungen sind hier sehr aktiv.

Ist unsere Politik auf dem richtigen Weg, wenn sie die Klimaziele (2 Grad, Emissionen senken, etc. pp) erreichen will?

Ich würde mir hier einen verbindlicheren Ausbaupfad für die erneuerbare Wärme in der Wärmewirtschaft wünschen. Zwischen den politischen Klimaschutzzielen und den aktuellen Rahmensetzungen auf den Märkten klaffen oft große Lücken. Das vereinbarte Ziel ist der CO2-neutrale Gebäudebestand, hierzu müssen wir uns heute schon beherzter für die Erneuerbaren entscheiden und von den fossilen Energieträgern verabschieden.

Gibt es ein anderes europäisches Land, das bezüglich der solaren Nah- und Fernwärme seine Sache besser macht als wir Deutschen und das wir uns zum Vorbild nehmen sollten?

Dänemark ist in diesem Bereich sehr erfolgreich und wir profitieren, dank der guten Kontakte zu den dänischen Marktakteuren und Verbänden, sehr stark von der dortigen Ausbaudynamik.  Dennoch sind die Erfolgsfaktoren nicht direkt in andere Märkte übertragbar.

Was war Ihr persönliches Highlight auf der SDH Conference in Toulouse?

Die herrlichen Impressionismus-Gemälde, sicher sechsmal so groß wie ein dänischer Großflächenkollektor, die wir bei unserem Abendempfang im Rathaus von Toulouse zu Gesicht bekamen.

Herr Pauschinger, beschreiben Sie kurz noch die Rolle, die Sie bei der Konferenz ausgefüllt haben!

Die Konferenz ist aus der nun schon sechsjährigen internationalen Zusammenarbeit in den EU-Vorhaben SDHtake-off und SDHplus hervor gegangen. Solites koordiniert diese Projekte und veranstaltet die Konferenz mit Partnern und Fernwärmeverbänden der Gastgeberländer.

Nach der SDH Conference ist vor der SDH Conference: Wann kommt das nächste Treffen, wo wird es stattfinden?

Mit Freude haben wir das Angebot des dänischen Fernwärmeverbandes angenommen, die vierte internationale SDH-Konferenz im Herbst 2016 in Dänemark auszurichten.

Dänemark, das merke ich mir gleich mal vor. Ihnen vielen Dank für Ihre Mühe!

Gerne!

Last but not least hier noch der Hinweis auf einen spannenden Termin und ein Video von Herrn Pauschinger: Mitte August (12. bis 14. August) findet eine Fachexkursion zu solaren Fernwärmesystemen in Dänemark statt. Hier kann man sich anmelden!

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Bild: Stiftung Energie und Klimaschutz Baden-Württemberg