Warum eine Karbonblase uns alle bedroht

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Laut der aktuellen Studie „Unburnable carbon (Unverbrennbarer Kohlenstoff – Anmerkung der Redaktion) 2013: Wasted capital and stranded assets“ des britischen Thinktanks („Denkfabrik“) Carbon Tracker in Zusammenarbeit mit dem Klima-Ökonomen Nicholas Stern, Lord Stern of Brentford, Professor of Economics and Government an der London School of Economics (Grantham-Klimaforschungsinstitut), sitzen die größten Energiekonzerne der Welt auf fossilen Energievorräten (Öl, Gas und Kohle), die sie wegen der von der UN vereinbarten Klimaschutzziele gar nicht verbrauchen können. Die „Kohlenstoffblase“ könnte demnach zu einer neuen Finanzkrise gigantischen Ausmaßes führen.

Fakt ist, dass das globale Wirtschafts- und Finanzsystem von fossilen Brennstoffen abhängig ist. Und eben diese Abhängigkeit könnte laut der genannten Studie (hier als PDF im Ganzen zu lesen) zu einer neuen globalen Finanzkrise führen. Denn die Big Player der Öl-, Gas- und Kohlebranche weisen demnach in ihren Bilanzen viel größere Brennstoffreserven aus, als sie tatsächlich nutzen könnten – schließlich müssten sie sich den Klimaschutzzielen der Politik unterwerfen. So baue sich eine riesige „Kohlenstoffblase“ auf, die sowohl die Firmen selbst als auch die Märkte bedrohe. Die maßlose Überschätzung beziehungsweise Fehleinschätzung der Rohstoffvorkommen seitens der Unternehmen kann zu deren massiven Werteverlust führen – und damit auch zur massiven Entwertung der Konzerne selbst.

Energiebranche sitzt auf unverbrennbarem Kohlenstoff = „Carbonbubble“

Die TAZ erklärt dazu: Beschränke man die globale Erwärmung wie von der internationalen Staaatengemeinschaft vereinbart auf ein Plus von zwei Grad Celsius, dürften in den kommenden 40 Jahren – so habe es das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung vorgerechnet – nur noch knapp 560 Milliarden Tonnen CO2 in die Luft geblasen werden. Die Zwei-Grad-Grenze gelte demnach als Knackpunkt: Werde sie überschritten, hätte die globale Erwärmung unumkehrbare Konsequenzen.

Laut der britischen Studie „Unburnable Carbon“ verfügten jedoch allein die jeweils 100 größten Kohle- und Gaskonzerne der Welt über Öl, Gas und Kohle, die, würde man sie verbrennen, 745 Milliarden Tonnen CO2 produzierten. Nicht zu vergessen: Hinzu kämen demnach noch die fossilen Brennstoffreserven großer staatlicher Energiekonzerne, zum Beispiel in Russland und in China.

Aktuelles Klimaschutzziel: 80 Prozent der Brennstoffreserven sind unverbrennbar

Die Einhaltung des Klimaschutzzieles bedeutet unter dem Strich, dass westliche Energiekonzerne wie Shell, BP oder Exxon nur 149 Millionen Tonnen ihrer Reserven nutzen könnten. Die Aktionäre dieser Firmen stünden, so die britische Studie, somit vor dem „Problem des unverbrennbaren Kohlenstoffs”. Bleibt das Zwei-Grad-Ziel Klimaschutzziel, würden bis zu 80 Prozent der fossilen Brennstoff-Reserven ihren Wert verlieren.

Die Studie zeigt klar auf, was die fatalen wirtschaftlichen Folgen der aktuellen Abhängigkeit von den fossilen Industrien sind: unter anderem eine gigantische globale Finanzmarktkrise. Demnach hätten die jeweils 100 größten Kohle- und Ölkonzerne zusammen einen Börsenwert von 7,4 Billionen US-Dollar – geführt vor allem an den Börsen in Russland, den USA und in Großbritannien. Die Handelsplätze von London, São Paulo und Moskau gründen, so heißt es in der Studie, 20 bis 30 Prozent ihrer Marktkapitalisierung auf fossile Werte.

Die beschriebene Entwertung dieser fossilen Brennstoff-Reserven könnte eine schwere Finanzkrise verursachen, schreiben die Autoren der Studie „Unburnable Carbon“. In dem Moment nämlich, in dem die „unverbrennbaren“ Kohlenstoffbestände zu unbrauchbaren Finanzanlagen würden, erführe auch das eigentlich gewaltige Kapital eine starke Wertminderung. Leider hätten “die Verantwortlichen für die Stabilität der Finanzmärkte noch nicht begonnen, diese Daten zu sammeln und in ihre Risikomodelle aufzunehmen.” Die Wissenschaftler raten: Es sei an der “Zeit, dass Aktienbesitzer und Regulierer dies tun”.

Professor Nicholas Stern sagte gegenüber der britischen Zeitung Guardian, dass die 200 größten fossilen Konzerne 2012 zusammen 674 Milliarden Dollar dafür ausgegeben hätten, neue fossile Brennstoff-Lagerstätten zu suchen und zu erforschen. Das sei demnach etwa ein Prozent der globalen Wirtschaftsleistung.

Man muss dazu wissen, dass anders investiert, nämlich in umweltschützende Energietechnologien, diese Summe ausreichen würde, den globalen Klimawandel zu bremsen – das hat Professor Stern schon vor einigen Jahren beeindruckend  vorgerechnet.

Dass die Bilanzen der Energiekonzerne nicht zu wirksamem Klimaschutz passen, vermerkte die internationale Energieagentur IEA bereits 2012 in ihrem Jahresbericht, schreibt die TAZ weiter. So dürfte höchstens ein Drittel der globalen Reserven an Kohle, Gas und Öl bis 2050 verbraucht werden, um das Klimaschutzziel von weniger als zwei Grad globale Erwärmung einzuhalten.

Karbonblase: Was tun?

Es sieht danach aus, als würde die Weltpolitik (mal wieder) warten, bis die nächste Blase, in diesem Fall die Karbonblase, platzt. Zumindest kann ich aus meiner Sicht keine effizienten Aktivitäten dahingehend ausmachen, dass die Energie-Unternehmen von sich aus oder als Reaktion auf politische Entscheidungen ihre fossilen Rohstoff-Reserven realistisch bewerten – und diese und infolge dessen auch sich selbst entwerten. Das ist ökonomisch betrachtet sicher verständlich, ökologisch gesehen jedoch unverständlich, ja unverzeihlich.

An Aktionäre und Politiker: Kontrolliertes Entlüften scheint zwar ein Ende mit Schrecken zu sein, aber das wäre immer noch besser als der große Knall der Karbonblase – oder? Denn dann würde der Traum von einer Welt mit geschütztem Klima wie eine Seifenblase zerplatzen …

Foto: Doreen Brumme