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Was soll aufs Dach: Photovoltaik? Solarthermie? Oder beides?

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Auch im Jahr 2017 stellen Verbraucher landauf landab sich die Frage: Was soll aufs Dach? Photovoltaik? Solarthermie? Oder beides? – Ich habe diese Frage dem Solarenergie-Experten Prof. Timo Leukefeld gestellt. Lest hier, wie er sie beantwortet. Achtung Spoiler: Solarenergieerzeugungsmittel!

Inhaltsverzeichnis

Prof. Timo Leukefeld, Sie sind Experte für Solarenergie. Was holt man sich in Sachen Energieerzeugung 2017 aufs Dach, wenn man energiebewusst, kostenbewusst und umweltbewusst wirtschaften möchte?

Prof. Timo Leukefeld: Lange galt die Solarstromerzeugung als lukrativ. Doch die Zeiten, wo der Verbraucher als Hauptmotiv für eine Investition in eine Photovoltaik-Anlage das Geldverdienen mit derselben hatte, sind ein für alle Mal vorbei. Geld lässt sich mit selbst erzeugtem Solarstrom, den man ins öffentliche Netz einspeist und wofür man eine Einspeisevergütung kassiert, immer weniger verdienen. Die letzten Jahre haben gezeigt: Die Einspeisevergütung sinkt stetig.

Auch die Frage, welche Technologie amortisiert sich schnell oder anders ausgedrückt: welche Technologie ist schnell refinanziert, ist eine, die sich der Verbraucher angesichts einer geplanten Investition in eine Energietechnologie stellt. Allerdings bringt sie uns nicht unbedingt zu einem Pro für Erneuerbare Energien.

Wie meinen Sie das?

Ich mache mit meinen Studenten regelmäßig Wirtschaftlichkeitsanalysen nach VDI 2067 und unsere Ergebnisse fallen ganz klar zu Ungunsten der „guten“ Energie-Erzeuger wie Solarheizung, Pelletheizung und Wärmepumpe beziehungsweise zu Ungunsten energetischer Sparmaßnahmen wie Dämmung aus. Sie alle haben nämlich lange Amortisationszeiten. Gegen einen Wärmepreis von 5, 6 Cent pro Kilowattstunde, den man heute bei Gas hat, kommen die vorgenannten (noch) nicht an. Das heißt, auch die Frage nach der kurzen Amortisationszeit entfällt also als Entscheidungshilfe.

Demnach setzt bald keiner mehr auf erneuerbare Energieerzeugung?

Gegenfrage: Worauf achten Sie beim Kauf einer neuen Küche oder eines neuen Autos?

… auf die Farbe?

Unter anderem! Kein Mensch achtet beim Küchen- oder Autokauf auf Amortisation und Refinanzierung! Das heißt: Wir müssen auch beim Verkauf von Energietechnologien zur Strom- und Wärmeerzeugung anders als bisher auf den Verbraucher und seine Bedürfnisse zugehen: Emotionen spielen als Kaufmotiv eine große Rolle.

Was genau treibt einen Verbraucher denn heute dazu, in erneuerbare Energien zu investieren?

Der Verbraucher strebt nach Sicherheit. Er wünscht sich Unabhängigkeit und ist an seiner Altersvorsorge, sprich: Sicherheit im Alter, interessiert. Das ist sein aktueller Bedarf. Und der will bedient werden. Entsprechend muss die Verkaufsberatung ganz anders erfolgen.

Wie überzeugt man denn jemanden heute von Solarenergie? Helfen „grüne“ Gründe weiter?

Grüne Gründe für Solarenergie? Ganz ehrlich: Die helfen Ihnen heute Null beim Verkauf! „Grün“ als Handlungsmotivation sollte für alle selbstverständlich sein. Die meisten Verbraucher werden von Verkaufsargumenten wie „umweltfreundlich“ und „umweltschonend“ noch immer eher abgeschreckt.

Und ökologisch bewusst handelnde Kunden investieren von ganz allein in grüne Energietechnologien. Die Solarüberzeugten sind heute schon gut bedient. Sie haben ihre Investition in Solarenergietechnologien bereits getätigt.

Für die große Masse steht hinter der Frage „Was soll aufs Dach?“ ein anderes Motiv: Die Menschen wollen es im Alter sicher und bequem haben.

Was sollte sich denn jemand aufs Dach holen, der schon heute an seine Altersvorsorge denkt?

Solarenergie. Das steht außer Frage. Sie ist die einzige Möglichkeit zur Energieerzeugung mit nahe Null Grenzkosten.

Das müssen Sie näher erklären!

Mache ich gerne. Die alte Energiewelt teilte die Energiequellen und zugehörige Techniken in Gut und Böse: Die Guten – das sind die Erneuerbaren wie Sonne, Wasser, Wind, Wärmepumpe und Biomasse. Die Bösen – das sind die Fossilen wie Kohle, Öl, Gas und Atom. Dank meiner Arbeit, unter anderem mit dem Zukunftsinstitut, bewerte ich Trends  und Techniken anders als bislang. Die Energiewelt von morgen unterteile ich daher in

  • Energieerzeugung mit Grenzkosten
  • und Energieerzeugung mit nahe Null Grenzkosten.

Nach dieser Bewertung fallen Wärmepumpe und Biomasse ganz klar in die Gruppe der grenzkostenbehafteten Techniken zur Energieerzeugung. Als grenzkostennahe Nulltechnologien bleiben Sonne, Wasser und Wind. Die beiden Letzteren machen in dichtbesiedelten Gebieten und Städten allerdings kaum Sinn zur Energieerzeugung – es bleibt also: die Sonne.

Prof. Timo Leukefeld beantwortet die Frage, was aufs Dach soll, so: Sonnenernergie-erzeugungsmittel! Denn Solerenergie ist mit nahzu null Grenzkosten behaftet. Foto: Stefan Mays

Das beantwortet die Frage, was soll aufs Dach: Sonnenergieerzeugungsmittel!

Ja. Denn die Sonne als erneuerbare Energiequelle bringt dem Verbraucher, was er sucht: Unabhängigkeit. Seien wir doch ehrlich: Wenn wir eine Ölheizung gegen eine Gasheizung, Pelletheizung,  ein kleines BHKW oder eine Wärmepumpe tauschen, seien diese auch noch so modern und effizient, dann tauschen wir den einen Brennstoff lediglich gegen den anderen aus – und damit die Abhängigkeit. Die demnach bleibt, was sie ist: eine Abhängigkeit. Denn alle diese Technologien sind nun mal grenzkostenbehaftet.

Womit könnte man denn heute den Grundstein für maximale Unabhängigkeit in der Energieerzeugung legen?

Einen hohen Grad an Unabhängigkeit bringt die Kombination von Gas und Solarthermie. Dass Gas und Solarthermie ein gutes Technologiepaar sind, hat der Kollege Roger Corradini kürzlich im Vergleich zur Wärmepumpe gezeigt. (Wir haben hier auf dem Blog über die Studie berichtet, die ein Projekt der Wüstenrot-Stiftung in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V., FfE, ist und die Emissionen von Wärmepumpen-Systemen mit denen vergleicht, die eine Gasheizung verursacht, die von einer Solarthermie-Anlage unterstützt wird. – Anmerkung der Redaktion.)

Eine Kombi von Wärmepumpe und Photovoltaik macht wegen der (noch) fehlenden Speichermöglichkeit für Solarstrom eine solare Deckung schwer: Schließlich verhalten sich Angebot und Nachfrage hier antizyklisch.

Wer dagegen die Spitzenlast mit Gas deckelt, wozu die Solarthermie im Winter oft nicht in der Lage ist, kommt auf einen hohen Unabhängigkeitsgrad. Einen höheren, als wenn man nur auf die Photovoltaik setzen würde, die im Winter den Bedarf des Haushalts nicht wirklich deckt, was hieße, dass Strom aus dem öffentlichen Netz dazugekauft werden müsste. Angesichts stetig steigender Strompreise bedeutet das wiederum: eine stärkere Abhängigkeit vom Stromlieferant und vom Strompreis.

Die größten Synergieeffekte ergeben sich bei einer Kombination von Solarthermie und Photovoltaik, in der die beiden Technologien ihre Vorteile ins Spiel bringen können. Ich spreche hier von bis zu 70 Prozent solarer Deckung.

Haben Sie einen Rat für uns, wie genau das Dach mit Photovoltaik und Solarthermie besetzt werden sollte?

Die Dimensionierung hängt natürlich in erster Linie vom Energiebedarf ab. Der Dachbesitzer sollte genau wissen, was er im Haushalt unter dem Solardach braucht: eher Strom, eher Wärme? Für einen normalen Haushalt gilt, dass der Energiebedarf zur Wärmeerzeugung in etwa drei Mal so groß ist wie der zur Stromerzeugung.

Wenn ich konkrete Zahlen nennen soll, dann gebe ich folgende Faustregel aus:  Die Solarthermie-Anlage sollte mindestens zwischen 10 und 20 Quadratmeter Fläche haben, ein zugehöriger Wärmespeicher sollte um die 1.000 Liter Warmwasser fassen und hochmodern als Schichtladespeicher ausgelegt sein. Dann hat man die Chance, die Wärme effizient zu puffern. Die Photovoltaik-Anlage sollte so dimensioniert sein, dass sie auf dem Dach 3 bis 5 Kilowatt Leistung erbringen kann, dazu braucht man einen Akku mit beispielsweise 5 Kilowattstunden Speichervolumen. Das würde ich ein schönes Solarpaket nennen. Wer den Solarstrom dann noch nutzt, um auch sein Elektro-Fahrzeug damit zu tanken, der wird sogar in Sachen Mobilität unabhängig(er).

Das heißt, die Anschaffung eines E-Autos gehört auch noch auf die to-do-Liste?

Fangen Sie doch mit einem Elektro-Fahrrad an! Die Investition ist überschaubarer.

Demnach wäre die Eigennutzung von eigens erzeugtem Solarstrom ein schlagkräftiges Motiv zum Kauf einer Solarstromanlage?

Stimmt genau! Denn die Eigennutzung macht unabhängig und bedient somit genau den Bedarf der Verbraucher nach Unabhängigkeit. Die Eigennutzung wird zunehmend zum Hauptkaufmotiv.

Nun überschauen Sie das Ganze Thema auch als Wissenschaftler. Was gibt es bei der Kombination von Solarthermie und Photovoltaik noch zu bedenken?

Ich betätige mich wie angedeutet auch mit Zukunftsfragen. Und als solcher muss ich darauf hinweisen, dass man sich mit Solarthermie und Photovoltaik zwei sehr unterschiedlich zu bewertende Technologien aufs Dach holt. Ich formuliere es mal so: Die Solarthermie ist datentechnisch vergleichsweise harmlos, sprich: analog. Die Photovoltaik dagegen  basiert auf einem erheblichen Maß an Datentransfer, ich stufe sie deshalb als digital ein. Es treffen hier also analoge und digitale Welten aufeinander. Darüber muss man sich als Verbraucher im Klaren sein.

Ist das „Analoge“ der Solarthermie als negativ anzukreiden?

Ganz und gar nicht. Ich bin mir sicher: Die Zukunft braucht das Analoge. Analoge Fähigkeiten werden entscheidend.  Aber das ist ein ganz neues Thema!

Prof. Leukefeld, wenn Solarthermie so einfach wie effizient ist, warum setzt sie sich so viel schwerer durch als PV?

Weil die Energiewende für viele immer noch eine reine Stromwende ist. Dass zur Energiewende auch die Wärmewende und die Verkehrswende (Stichwort: Mobilität) …

und die Rohstoffwende! …

gehören, wurde und wird zu wenig beachtet – von der Politik, von der Wirtschaft und von der Forschung. Die Solarthermie ist bereits erfunden. Sie hat sich als Technologie zur Wärmeerzeugung bestens bewährt und bringt gute bis sehr gute Erträge. So ein Absorber hat eine Effizienz von 95 Prozent! Da gibt’s nicht mehr viel zu forschen. Also holt sich die Wissenschaft Forschungsgelder für andere Projekte: Wärmepumpen, Smart Energy & Co. Vor allem wieder für strombasierte Technologien. Das Ungleichgewicht zugunsten der Stromwende führt jedoch früher oder später zum Scheitern der Energiewende … und das können wir uns nicht leisten.

Prof. Leukefeld, vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch. Es hat klar gemacht hat, was an Solarerenergieerzeugungsmitteln aufs Dach gehört!

Fotos: Stefan Mays / Prof. Timo Leukefeld