10 Jahre Pariser Klimaabkommen

12. Dezember 2025 – zehn Jahre 1,5-Grad-Ziel von Paris: Rückblick und Ausblick (1)

Veröffentlicht von

Am kommenden Freitag, 12. Dezember, wird das Pariser Klimaabkommen und damit auch das 1,5-Grad-Ziel von Paris zehn Jahre alt. 2015 standen fast 200 Staats- und Regierungschefs in einem Plenarsaal in Frankreichs Hauptstadt und feierten ein ungewöhnliches politisches Kunststück: ein globaler Vertrag, in dem sich 195 Staaten verpflichteten, die menschengemachte Erderhitzung einzudämmen. Heute, zehn Jahre 1,5-Grad-Ziel später, müssen wir nüchtern Bilanz ziehen: Das Pariser Abkommen ist ein Meilenstein — aber es reicht nicht, um das 1,5-Grad-Ziel sicher zu erreichen.

Was genau wurde 2015 in Paris beschlossen — und warum war das neu?

Das Pariser Klimaabkommen ist kein detailliertes Regelwerk mit starren, sanktionierbaren Verpflichtungen. Vielmehr ist es ein völkerrechtlicher Rahmen, der drei Dinge miteinander verbindet:

  1. ein übergeordnetes Temperaturziel („deutlich unter 2 Grad Celsius (°C), mit Anstrengungen für 1,5 °C“),
  2. ein Bottom-up-System national festgelegter Beiträge (die sogenannten NDCs — “Nationally Determined Contributions”) und
  3. zyklische Prüf- und Verbesserungsmechanismen (alle fünf Jahre sollen die Staaten ambitioniertere NDCs vorlegen; die Global Stocktake (GST) bewertet den Fortschritt).

Das war politisch klug: Anders als das Kyoto-Protokoll, das vor allem Industrieländer verpflichtete, sollten nun alle Länder, Industrie- wie Entwicklungsländer, Beiträge leisten. Dieser Schritt machte das Pariser Klimaabkommen breiter akzeptierbar, brachte aber zugleich ein grundsätzliche Problem mit sich: Wenn jedes Land seine eigenen Ziele wählt, besteht die Versuchung, diese möglichst moderat zu formulieren.

Zehn Jahre 1,5-Grad-Ziel von Paris

Exkurs 1: Was ist das 1,5-Grad-Ziel von Paris?

Das 1,5-Grad-Ziel ist der Kern des Pariser Klimaabkommens von 2015. Die Staaten der Welt haben sich damals verpflichtet, die globale Erhitzung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, sie möglichst bei 1,5 Grad zu stoppen. Warum? Weil wissenschaftliche Analysen zeigen, dass jenseits dieser Schwelle die Risiken für extreme Wetterereignisse, das Abschmelzen von Eisschilden, Meeresspiegelanstieg und unumkehrbare Kipppunkte stark zunehmen. Das Ziel ist also ein globaler Schutzanker: je näher wir an 1,5 Grad bleiben, desto beherrschbarer bleiben Klima-Folgen für Menschen, Ökosysteme und Wirtschaft.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Exkurs 2: Was ist das Kyoto-Protokoll?

Das Kyoto-Protokoll von 1997 war das erste internationale Abkommen, das Industriestaaten rechtlich verbindliche Ziele zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen auferlegte. Es markierte den Startpunkt moderner Klimapolitik: Erstmals verpflichteten sich Länder dazu, ihren Ausstoß messbar zu senken und darüber Bericht zu erstatten. Allerdings galt Kyoto nur für einen Teil der Welt, vor allem für Industrieländer, und deckte daher nur einen begrenzten Teil der globalen Emissionen ab. Trotzdem bereitete es den Weg für spätere, umfassendere Abkommen wie das Pariser Klimaabkommen mit seinem 1,5-Grad-Ziel.

Exkurs 3: Kyoto-Protokoll vs. Pariser-Klimaabkommen – ein Vergleich

AspektKyoto-Protokoll (1997)Pariser Klimaabkommen (2015)
ZielsetzungReduktion der Treibhausgasemissionen in IndustrieländernBegrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad, möglichst auf 1,5 Grad
VerbindlichkeitRechtlich verbindliche Reduktionsziele für IndustrieländerPolitisch verbindliche Ziele, aber keine festen Reduktionsquoten; jedes Land setzt eigene Ziele (NDCs)
GeltungsbereichNur Industrieländer (Annex-I-Staaten)Alle Länder der Welt, inklusive Schwellen- und Entwicklungsländer
Grundprinzip„Verursacherprinzip“: Industrieländer sollen zuerst reduzieren„Gemeinsame, aber differenzierte Verantwortung“ – alle machen mit, aber je nach Fähigkeit
MechanismenEmissionshandel, Clean Development Mechanism (CDM), Joint ImplementationRegelmäßige Überprüfung und Verschärfung der nationalen Klimaziele; Transparenzmechanismus
UmsetzungErste verbindliche internationale Klimaschutz-Architektur; aber begrenzte Wirkung (ca. 12–15 % der globalen Emissionen erfasst)Breite globale Beteiligung; entscheidender Rahmen für die weltweite Energiewende, aber Umsetzung stockt und liegt deutlich hinter dem 1,5-Grad-Pfad
BedeutungStartpunkt moderner Klimapolitik; erstmals verbindliche CO?-ReduktionenFundament der heutigen internationalen Klimapolitik; globales Leitbild für Emissionsminderung, Anpassung und Klimafinanzierung

Zehn Jahre 1,5-Grad-Ziel: Was hat sich seit Paris bewegt – die Erfolge

Zehn Jahre 1,5-Grad-Ziel blieben nicht ohne Wirkung. Drei messbare Verbesserungen stechen hervor:

  1. Die Klimaambitionen und die politische Aufmerksamkeit sind deutlich gestiegen: Wo vor Paris die Welt auf einen Pfad von 4 bis 6 °C Erderhitzung zusteuerte, zeigen aktuellere Berechnungen (NDC-Runden 1.0 bis 3.0) eine geringere, wenn auch weiterhin gefährliche Erderhitzun:  Schätzungen liegen für die heutigen NDCs bei etwa 2,3–2,6 °C. (vgl. UNEP / Zusammenfassungen in Dr. Charlotte Unger, bpb.de)
  2. Institutionen und Instrumente wurden aufgebaut: der Transparenzrahmen (Enhanced Transparency Framework), die Global Stocktake, und die regelmäßigen NDC-Runden schaffen eine Infrastruktur, die Staaten, Zivilgesellschaft und Wissenschaft verbindet.
  3. Politisch-praktische Fortschritte: In den Jahren 2022 und 2023 wurden wichtige politische Signale gesetzt, darunter eine Einigung auf einen Fonds für „Loss & Damage“ (Schäden und Verluste) und erste gemeinsame Aussagen zur Abkehr von fossilen Energieträgern verbunden mit dem Ziel, die Erneuerbaren bis 2030 zu vervielfachen. Diese Beschlüsse sind wichtig, weil sie finanzielle und normative Prioritäten verschieben.

Hinzu kommt: Die Klimaforschung hat sich in der Dekade stark weiterentwickelt. Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) betonen Forschende, dass Modelle heute deutlich näher an realen Extremwetterereignissen sind, dank höherer Auflösung, besserer Datengrundlagen (beispielsweise Copernicus-Daten), und damit Risiken präziser benannt werden können.

„Die Klimaforschung hat … ihr Verständnis des Erdsystems noch einmal deutlich vertieft“, heißt es vom KIT. Aber zugleich warnen die Fachleute: „Es gibt keine Entwarnung.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Wo das Klimaabkommen von Paris versagt: Große Lücken und ungelöste Probleme

Trotz aller Fortschritte ist die Kerndiagnose knapp: Die bisherigen Zusagen führen nicht zum 1,5-Grad-Pfad. Die wichtigsten Kritikpunkte:

  • Ambitionslücke: Viele NDCs sind nicht kompatibel mit dem 1,5-Grad-Ziel. Nur sehr wenige Länder liefern derzeit Pläne, die diesen Weg realistisch erlauben. Insgesamt deuten die NDCs weiterhin auf 2,3 bis 2,6 °C Erderhitzung hin.
  • Umsetzungsproblem: Selbst gesetzte Ziele werden von den Ländern oft nicht umgesetzt oder konkrete Maßnahmen bleiben vage. Die Vereinbarungen sind häufig Absichtserklärungen ohne harte Umsetzungs- oder Kontrollmechanismen.
  • Finanzierung: Die vereinbarte Unterstützung ärmerer Länder hinkt hinterher. Das Versprechen, ab dem Jahr 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar bereitzustellen, wurde erst im Jahr 2022 erfüllt. Der Nachfolgebetrag (NCQG: 300 Milliarden US-Dollar ab dem Jahr 2035) ist zwar beschlossen, aber bislang unklar in der Erfüllung und Verteilung. Viele Hilfen kommen als Kredite: Das verschärft die Verschuldung vulnerabler Staaten.
  • Fehlende Sanktionsmechanismen: Das Pariser Abkommen setzt auf Transparenz und Peer Pressure statt auf Strafen. Das hat Vorteile (breite Teilnahme), aber auch Nachteile: Länder, die ihre Zusagen nicht einhalten, drohen kaum reale Konsequenzen.
  • Interpretationsspielräume und Schlupflöcher: Entscheidungen wie die „Abkehr von fossilen Brennstoffen“ sind politisch bedeutsam, aber rechtlich nicht zwingend und bleiben interpretierbar. Manche Staaten deuten sie restriktiv oder nutzen Übergangsfristen.

Exkurs 4: Wie funktioniert “Peer Pressure”?

Peer Pressure bedeutet in diesem Zusammenhang „Druck von Gleichrangigen beziehungsweise Gleichgestellten“ – also ein Druck von der internationalen Gemeinschaft selbst. Staaten sollen ihre Klimaziele einhalten, weil sie im regelmäßigen globalen Transparenz- und Prüfprozess offenlegen müssen, was sie erreicht haben. Dieser öffentliche Vergleich („Naming and shaming“) soll politischen und moralischen Druck erzeugen: Kein Land möchte als Bremser dastehen, wenn alle anderen vorankommen.

Peer Pressure in einem Satz bedeutet demnach, dass Länder sich aus politischem Ansehen, internationalem Ruf und öffentlichem Vergleich heraus bemühen, ihre Klimaziele einzuhalten, und nicht, weil ihnen Strafen drohen.

Christiana Figueres, eine der sogenannten Architektinnen des Pariser Klimaabkommens fasst die Ambivalenz in einem aktuellen Interview mit der Tageszeitung taz so zusammen: „Das Pariser Klimaabkommen funktioniert“, zumindest gemessen daran, dass es die globale Dynamik gedreht und Emissionswachstum verlangsamt habe. Sie weist darauf hin, dass die Zuwachsrate der Emissionen deutlich gesunken sei: In den zehn Jahren vor Paris stiegen die CO2-Emissionen um rund 18 Prozent, während der zehn Jahre 1,5-Grad-Ziel von Paris dagegen nur um circa 1 Prozent. Gleichzeitig betont Figueres: Wir sind noch nicht auf dem Pfad zu 1,5 °C.

Fazit: 1,5-Grad-Ziel – ein nützliches, aber unvollendetes Instrument

Das Pariser Abkommen ist ohne Frage der zentrale rechtliche und politische Rahmen der internationalen Klimapolitik. Für viele Maßnahmen, Allianzen und Finanzströme ist es die Referenz. Es hat auf jeden Fall etwas bewirkt: bessere Daten, mehr nationale Programme, neue Finanzmechanismen und ein stärkeres normatives Gewicht zugunsten klimafreundlicher Politik.

Aber als Steuerungsinstrument hin zu 1,5 °C bleibt das Pariser Klimaabkommen unvollständig: Die Ambitionen reichen nicht, die Umsetzung schwächelt, und die Finanzierung ist lückenhaft. Kurz gesagt: Paris hat den Spielplan verbessert, aber die Mannschaft (Weltgemeinschaft) liefert nicht ausreichend Tore.

Wie geht es weiter — und was bedeutet das für Deutschland?

Die Welt steht an einem Scheideweg: Entweder erhöhen Staaten jetzt zügig die Ambitionen und setzen NDCs konsequent um, oder die globale Erwärmung läuft auf eine Erhitzung von deutlich mehr als 1,5 °C zu. Zugleich hat die Forschung in den letzten Jahren weitere Risiken sichtbar gemacht ; potenzielle Kipppunkte, stärkere Extremwetterereignisse und irreversible Veränderungen, die die Kosten von Untätigkeit dramatisch erhöhen würden.

Dazu könnt ihr mehr in unseren folgenden Beiträgen lesen:

Für uns in Deutschland bedeutet das: Die globale Politik ist wichtig, aber Entscheidungen vor Ort, etwa zur Wärmewende, zur Energieversorgung und zur Infrastruktur, sind unmittelbar wirksam. Deutschland spielt bei finanzieller Unterstützung, technologischer Entwicklung und politischer Vorbildfunktion eine herausgehobene Rolle. Ob es diese Rolle ausfüllt, hängt von Tempo und Entschlossenheit der nationalen Politik ab.

Im zweiten Teil dieser Serie schauen wir mal etwas genauer hin: Wo steht die Wärmewende in Deutschland heute? Welche Fortschritte gibt es bei Effizienz, Wärmepumpen, Gebäudesanierung und erneuerbaren Wärmequellen und wo stocken die Dinge? Wir analysieren Hemmnisse, Erfolgsfaktoren und konkrete Handlungsempfehlungen für Politik, Kommunen und euch als Hauseigentümer:innen oder Mieter:innen. Bleibt dran!

Titelbild: Doreen Brumme, high_resolution – Adobe.Stock.com