Handwerk 4.0 - was ist das

4.0 – was heißt das fürs (Solar)Handwerk? (Teil 1)

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4.0 ist in aller Munde. Ständig ist die Rede von Industrie 4.0. Doch was heißt 4.0 eigentlich – und wofür stehen die Ziffern? Und was hat 4.0 mit Handwerk im Allgemeinen und mit Solar-Handwerk im Besonderen zu tun? Kommt das Solar-Handwerk 4.0? Fragen, die ich hier zu beantworten versuche.

Was heißt 4.0?

Die Ziffern 4.0 hinter einem Nomen wie Industrie bezeichnen eine Version desselben. Diese Art und Weise, Versionen zu kennzeichnen, kennt man von Software, also Computer-Programmen. Damit nimmt man zum einen Bezug auf die Vorgänger der aktuellen Version und schafft Raum für Nachfolger. So lässt sich ein Entwicklungsprozess abbilden. 4.0 ist demnach die vierte Version von etwas.

Was heißt Industrie 4.0?

Im Zusammenhang mit Industrie meint 4.0 eine vierte industrielle Revolution. Die Wiki definiert die drei Vorgänger so:

  1. Mechanisierung mit Wasser- und Dampfkraft,
  2. Massenfertigung mit Hilfe von Fließbändern und elektrischer Energie,
  3. Einsatz von Elektronik und IT (v. a. die speicherprogrammierbare Steuerung) zur Automatisierung der Produktion, auch digitale Revolution genannt.

Gut zu wissen: Kritiker des Begriffs Industrie 4.0 sehen in dem aktuellen Prozess nur eine zweite Phase der Industrie 3.0.

Laut der Freien Enzyklopädie sei Industrie 4.0 ein Organisationsgestaltungskonzept, das auf vier Prinzipien zur Organisationsgestaltung fußt. Die sollen Unternehmen dabei unterstützen, Industrie-4.0-Szenarien zu identifizieren und zu implementieren:

  1. Vernetzung: Technik und Mensch vernetzen sich, um übers sogenannte Internet der Dingeoder Internet der Menschen miteinander zu kommunizieren.
  2. Informationstransparenz: Die Informationssysteme digitaler Fabrikmodelle werden um Sensordaten erweitert, so dass sich ein virtuelles Abbild der realen Welt ergibt.
  3. Technische Assistenz: Assistierende Systeme helfen dem Menschen mit aggregierten, visualisierten und verständlichen Informationen mit dem Ziel, Entscheidungen kompetent und fundiert zu treffen und Probleme schnell zu lösen. Hinzu kommt physische Hilfe bei für den Menschen anstrengenden, unangenehmen oder gefährlichen Arbeiten.
  4. Dezentrale Entscheidungen: Cyberphysische Systemekönnen eigenständige Entscheidungen treffen und Aufgaben  autonom erfüllen. Nur für Ausnahmefälle wie Störungen oder Zielkonflikte gilt es, die Entscheidung beziehungsweise Aufgabe einer höheren Instanz zu überlassen.

Was heißt Handwerk 4.0?

Die Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz definiert Handwerk 4.0 so: „Betriebsstrukturen, Arbeitsprozessabläufe, Produkte und Dienstleistungen von Handwerksbetrieben, die in einem bisher noch nicht dagewesenen Maß digital vernetzt, adaptiv wissensbasiert und aus Kundensicht höchst intelligent in Erscheinung treten. Dies wird dadurch möglich, dass sich der Anteil an einfacheren, manuellen Routinetätigkeiten verringert und die hochspezialisierte handwerkliche Wissensarbeit mit Hilfe intelligenter Technologien an Bedeutung gewinnt. Intelligente Informationssysteme helfen dem Handwerker, clevere Lösungen zu entwickeln. Die Betriebe setzen dabei gezielt individuelle Kundenwünsche um, die ebenfalls über den digitalen Weg, beispielsweise über soziale Medien, generiert werden. Von den Mitarbeitern in einem Handwerksbetrieb fordert „Handwerk 4.0“ das entsprechende Know-how, um die künftigen Anforderungen der digitalen Welt bewältigen und umsetzen zu können.

Das folgende Video zeigt, wie sich Handwerk 4.0 konzeptionell auswirken könnte (Quelle Handwerk Magazin):

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Weitere Informationen

Kommt auch das Solar-Handwerk 4.0?

Die digitale Vernetzung macht vor keinem gesellschaftlichen Bereich halt. Experten kritisieren die Begrifflichkeit Industrie 4.0: Welf Schröter, Leiter des Forums Soziale Technikgestaltung,  der ihn laut einem Bericht des Portals Offensive Mittelstand sogar für einen großen politischen Fehler hält, das das Konzept hinter Industrie 4.0 „sämtliche Unternehmen verändern werde“. Ihm zufolge träfen eher „Wirtschaft 4.0‘“ oder „Arbeit 4.0“ den Wesenskern.

Demnach werde 4.0 oft irrtümlich gleichgesetzt mit der Digitalisierung in Unternehmen. Tatsächlich gehe es bei 4.0 neben der Digitalisierung darum, dass Unternehmen sich und ihre Produkte beziehungsweise Leistungen nicht mehr solitär betrachten und vermarkten würden, sondern sich als Teil der gesamten Wertschöpfungskette verstünden. Gefordert sei Delf Schröter zufolge ein neues Selbstverständnis.

Kernpunkt von Industrie 4.0 sei laut dem Experten die Digitalisierung und Vernetzung der gesamten Wertschöpfungskette: „Die dadurch notwendigen Umbauprozesse betreffen alle Beteiligten in der Wertschöpfungskette,“ sagt Schröter dem Online-Portal weiter, „vom Anlagenbauer, Zulieferer, über Dienstleister und alle damit verbundenen betriebsinternen Prozesse, ebenso Marketing, Vertrieb und Buchhaltung, bis hin zum Endkunden“. Damit gehe einher, dass der gesamte Prozess immer in Echtzeit nachverfolgbar und veränderbar sei. Gleichzeitig sei die digitale Vernetzung die Voraussetzung dafür, die Kundenforderung nach Losgröße 1 – die Ein-Stück-Ausführung – beliefern zu können.

Einen Unterschied zwischen Industrie und kleinen und mittelständischen Unternehmen (kurz: KMU) sehe der Experte lediglich in der Umsetzungsgeschwindigkeit von 4.0.: Industrieunternehmen seien Schröter zufolge zwar die Taktgeber, aber letztlich gebe es keinen Bereich und keine Branche, in der sich 4.0 nicht auswirke.

Zum Weiterlesen:

Das Handwerksblatt berichtet über eine Sonderumfrage des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, in der 2016 83 Prozent der Führungskräfte bestätigten, dass die Digitalisierung der Arbeitswelt voller Chancen für die hiesige Handwerkswirtschaft stecke. Zugleich geht der Bericht darauf ein, dass es nicht reiche, sich auf die Stammkundschaft zu konzentrieren und zitiert die saarländische Wirtschaftsministerin, Anke Rehlinger: „Betriebsinhaber, die in den nächsten Jahren ihren Betrieb an einen Nachfolger verkaufen wollten, müssten in die Digitalisierung investieren! Der Betrieb verlöre sonst an Attraktivität und Wert.“

Muss der Solar-Handwerker auf den Zug 4.0 aufspringen?

Dem oben bereits zu Wort gekommenen Experten Welf Schröter zufolge seien sowohl der Mittelstand als auch das Handwerk von 4.0 „gravierend betroffen“. Wer nicht Teil der digitalisierten Wertschöpfungskette werde, verschwinde über kurz oder lang vom Markt, begründet er ein Eigeninteresse von Mittelstand und Handwerk daran, sich an 4.0 zu beteiligen.

Die Auswirkungen von 4.0 seien demnach nicht nur von technologischer Natur, sondern würden sich auch mit Veränderung der Wettbewerbsbedingungen und der Wertschöpfungsketten sowie in der Notwendigkeit einer nachhaltigen Standortsicherung zeigen.

Innerhalb der Unternehmen wirke sich  4.0 Schröter zufolge beispielsweise aus auf:

  • Organisationsstrukturen,
  • Entscheidungsbefugnisse,
  • Führungsverhalten und Führungskultur aus.

Der Logistik käme wachsende Bedeutung zu, Einkauf und Lagerhaltung stünden einschneidende Veränderungen bevor.

Nicht zu vergessen: die Gewinnung hochqualifizierten Nachwuchses. Da alle neuen Prozesse digital seien, erforderten sie

  • sprachexaktes,
  • zahlenexaktes Können,
  • eine hohe Lesekompetenz
  • und Abstraktionsvermögen.

Damit stelle sich laut Schröter auch die Frage der Fachkräftequalifizierung von Mitarbeitern mit eher händischem Können, die künftig ingenieurähnliche Tätigkeiten übernehmen sollten.

Wie wird der Solar-Handwerker ein Handwerker 4.0?

Schröter empfiehlt Handwerksbetrieben und kleineren Unternehmen

  1. 0 kennenzulernen und aktuelle Entwicklungen desselben mit zu verfolgen, um für den eigenen Betrieb Relevantes einschätzen zu können.
  2. sich über 4.0 zu informieren zum Beispiel auf lokalen Veranstaltungen, wie sie Kammern & Co. stattfinden lassen.
  3. die relevanten Zukunftsfragen zu stellen, um schließlich die Entscheidung zu fällen, wann es Zeit für den eigenen betrieb sei, den Prozess der Integration anzugehen.
  4. sich beraten zu lassen, zum Beispiel von Experten der Kammern & Co.

Im zweiten Teil der Reihe 4.0 geht es mir um den Aspekt Kundenanbindung via digitale Medien & Co. im Zeitalter des (Solar)Handwerks 4.0. Ich habe Zahlen und Fakten zur Digitalisierung und Vernetzung der Handwerksbetriebe und zum Verbraucherverhalten. Seid gespannt!

Foto: niggl / photocase, grafische Bearbeitung: doreen brumme