Primärenergie von Baustoffen und Baukonstruktionen

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… oder Wie viel Graue Energie steckt in unseren Häusern?

Vor fast einem Jahr habe ich eine Serie über die verschiedenen Energiestandards bei Gebäuden begonnen, vom Sonnenhaus über das Passivhaus bis zum kfW-Effizienzhaus. Dabei gibt es zwar Unterschiede in der Bauphilosophie und bei den Bezugsgrößen, aber letztlich geht es immer um den Energieverbrauch der Häuser im laufenden Betrieb – also die Energie, die bei der Nutzung des Gebäudes für Heizung, Warmwasser und Strom benötigt wird.

Primärenergieverbauch: Energieeffizienz ist nicht gleich Ökobilanz

In der Energieeinsparverordnung (ENEV) sind Mindest-Dämmstandards in Form von U-Werten für die einzelnen Bauteile wie z.B. Wände, Fenster oder Dächer vorgegeben. Wie dieser Dämmstandard erreicht wird, ist für die Bewertung der Energieeffizienz eines Gebäudes – und damit auch für Förderungen für energetisches Bauen und Sanieren oder das Heizen mit erneuerbaren Energien – letztlich egal. Doch zu einer echten Ökobilanz eines Gebäudes gehört noch viel mehr, nämlich die ganzheitliche Betrachtung des Primärenergieverbrauchs über den gesamten Lebenszyklus.

Die Ökobilanz analysiert unter anderem den Verbrauch an Primärenergie für

  • Rohstoffgewinnung für und Produktion der Baustoffe
  • Transport und Lagerung
  • Bau des Gebäudes
  • Instandhaltung und Betrieb
  • Abriss und Entsorgung

Der Jahresenergieverbrauch bei der Gebäudenutzung verschlingt also nur einen Teil der Primärenergie; der Rest ist so genannte Graue Energie, die über der ganzen Effizienzdiskussion meistens vergessen wird. Dass das nicht wirklich ecoquent ist, spiegelt sich in den Kommentaren hier im Blog und anderswo wieder: Viele Menschen stellen zu recht die Frage, ob sich denn Wärmedämmung wirklich lohnt.

Holz, Hanf, Lehm & Co. sparen Primärenergie

Tatsächlich haben die klassischen Baustoffe wie Ziegel oder Beton, aber auch kunststoffbasierte Dämmstoffe wie Polystyrol, besser bekannt als Styropor, einen hohen Bedarf an Primärenergie, denn für ihre Produktion sind hohe Temperaturen notwendig. So werden z.B. Mauerziegel stundenlang bei mehr als 900 Grad Celsius gebrannt.

Naturstoffe wie Flachs, Hanf oder Schilf dagegen müssen vor dem Einsatz nicht oder kaum verarbeitet werden und kommen mit vergleichsweise wenig Primärenergie aus, erst recht, wenn sie lokal verfügbar sind; auch die Entsorgung ist unproblematisch. In ihrer Dämmwirkung können sie mit Kunststoffen und mineralischen Dämmstoffen locker mithalten. Beim Brandschutz schneiden sie etwas schlechter ab, aber das gilt auch für das landläufige Polystyrol.

Beispiele für Primärenergie-Bedarf gefällig?

Für den Primärenergie-Bedarf eines Materials bzw. die Graue Energie ist die Einheit Megajoule pro Kilogramm Material (MJ/kg) üblich. Die Umrechnung der Masse (kg) in Volumen (m³) hängt von der Dichte des jeweiligen Baustoffes ab – jeder kann sich vorstellen, dass ein Kubikmeter Beton viel mehr wiegt als ein Styroporwürfel gleicher Größe.

Die nachfolgenden Angaben zum Primärenergieaufwand für ausgewählte Baustoffe entstammen einer Publikation von G. Wind (Ingenieurbüro für Physik) und Ch. Heschl (FH Burgenland) zum Thema Graue Energie. Dabei muss man auch die Relation zum Global Warming Potential (GWP) sehen – also der Fähigkeit des Baustoffes, zum Treibhauseffekt beizutragen, angegeben in Kilogramm CO2-Äquivalent je Kilogramm Bausubstanz (kg CO2-eq/kg)

Decken- und Wandbaustoffe

BaustoffPrimärenergiebedarf in MJ/kgGWP in kg CO2-eq/kg
Ziegel porosiert (< 600 kg/m³)2,50,19
Normalbeton0,7960,132
Klinkerziegel (2000 kg/m³)3,580,352
Holz - Hartfaserdämmplatte24,6-0,42
Schnittholz Fichte rau, luftgetrocknet0,716-1,8
Schnittholz Fichte gehobelt, technisch getrocknet3,21-1,63

Wenn man den Primärenergieaufwand anschaut, könnte man auf die Idee kommen, dass Holz einer der größten Umweltsünder überhaupt ist – schließlich hat es einen hohen Primärenergieaufwand. Allerdings bindet es beim Wachsen CO2 aus der Atmosphäre und ist deshalb nicht nur klimafreundlich, sondern bekommt sogar ein “negatives” Treibhauspotential. Die zitierte Arbeit von Wind und Heschl zeigt aber auch, dass Holz umso mehr Graue Energie verschlingt, je mehr es ver- und bearbeitet wird.

Fassadendämmstoffe

DämmstoffPrimärenergiebedarf in MJ/kg
EPS (Extrudiertes Polystyrol = Styropor)119
Flachsdämmplatte33,2
Holzfaserplatte19,1
Kork7,19
Schilf/Strohplatte unverputzt3,9

Entscheidend für die Energiebilanz von Dämmwerkstoffen ist aber nicht der Bedarf an Primärenergie bezogen auf das Gewicht, sondern auf die Dämmwirkung. Auch dabei schneiden die Naturbaustoffe sehr gut ab.

Ökologisch bauen spart zweimal Primärenergie

Ökologische Baustoffe, die wenig Primärenergie verbrauchen, und das Heizen mit Erneuerbaren Energien gehören für mich einfach zusammen – denn das spart zweimal Primärenergie, einmal bei den Baustoffen und dann noch einmal z.B. beim Heizen mit Solarthermie. Bleibt nur die Frage nach der Ökobilanz von Heizungsanlagen und ihren Komponenten, denn so ein Vakuumröhrenkollektor beispielsweise muss ja auch erst mal produziert werden. Doch im Vergleich zum ganzen Haus ist er ja verhältismäßig klein (auch wenn für die Glasproduktion sicherlich einiges an Primärenergie aufgewendet werden muss), und die Sonnenenergie bekommen wir einfach frei Haus aufs Dach geliefert.

Wann rückt die Primärenergie in den Fokus der Politik?

Und es kann nicht mehr lange dauern, bis die Gesamtökobilanz von Gebäuden in den Fokus der Politik rückt. Die EU-Kommission hat in den letzten Monaten auch bereits eine Konsultation zum Thema Nachhaltige Gebäude durchgeführt – bis 1. Oktober konnten Vorschläge dazu eingereicht werden. Ich bin schon gespannt auf die Ergebnisse!

Foto: © Rädisch

Links und Quellen