Solare Nahwärmenetze Hamburg Energiebunker

Das Insiderinterview zum Energiebunker – der größten Solarthermie-Anlage Deutschlands

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Meine Wahlheimatstadt Hamburg ist um ein spannendes und weltweit einmaliges Energieprojekt reicher, das es im wahrsten Sinne des Wortes in sich hat: Der 1943 als Flakbunker erbaute Hamburger Energiebunker beherbergt jetzt ein Kraftwerk. Er ist damit ein historisches Mahnmal mit zukunftsweisender neuer Aufgabe: die Versorgung umliegender Haushalte mit Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien.

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Doch lasst uns zunächst die Zeit ein wenig zurückdrehen: Es gibt wie bei jedem schließlich Momente in meinem Leben, die mir im Gedächtnis bleiben. Mein Umzug in den Rotenhäuser Damm in Hamburg-Wilhelmsburg im Januar 1997 ist so einer: Als ich das erste Mal aus dem Dachfenster unserer neuen Wohnung nach links schaute, sah ich ihn grau durch die kahlen Baumwipfel lugen: den Flakbunker auf dem Rotenhäuser Feld – via Luftlinie knappe 250 Meter von mir entfernt.

In den folgenden Jahren wohnte ich quasi im Schatten des gewaltigen Betonkolosses, dessen Grundfläche 57 mal 57 Meter beträgt und der 42 Meter hoch ist. Zu der Zeit war der Bunker ein geschichtsträchtiger Steinbrocken für mich, ich sah ihn täglich, er war Teil meines Stadtbildes, kurz: alltägliche Lebenskulisse. Nicht mehr, nicht weniger.

Das änderte sich, als mir meine Mutter erzählte, dass sie ohne diesen Bunker wohl kaum so glücklich wäre, wie sie es ist. Denn schließlich habe Waltraud, “Walli”, die Mutter ihres Mannes, den Krieg nur überlebt, weil sie einst in eben diesem ehemaligen Flakbunker an der Neuhöfer Straße Nummer 7 Schutz vor den Bomben der Alliierten suchte, obwohl es eigentlich ein sogenannter Gefechtsbunker war, der nur wenige Etagen als Luftschutzräume für Zivilisten hatte. Damit war Waltraud einer von etwa 30.000 Menschen, die dort innerhalb der drei Meter dicken Mauern während des Zweiten Weltkriegs Zuflucht fanden. Und so konnte Waltraud später eine eigene Familie gründen und auch den Sohn bekommen, den meine Mutter heute liebt. Als ich sieben Jahre später aus Wilhelmsburg in Richtung Innenstadt (in den Schatten des Fernsehturms) zog, verlor ich den Bunker aus den Augen und zugegeben: auch aus dem Sinn.

Insiderbericht: Projektleiter Alexander Jandrey von Ritter XL Solar hat den Flakbunker zum Energiebunker mit umgebaut. Solare Fernwärme der Superlative.

Doch das Schicksal webt die Lebensfäden nach eigenem Plan: Ich blogge seit Jahresbeginn hier auf Ecoquent Positions, einem Blog, dessen Herausgeber die Ritter Energie & Umwelttechnik GmbH & Co. KG ist. Und die wiederum hat mit der Tochter Ritter XL Solar maßgeblich daran mitgewirkt, den Wilhelmsburger Flakbunker in den vergangenen Monaten zum Hamburger Energiebunker, technischer: zu einem regenerativen Kraftwerk mit Großwärmespeicher und solarer Fernwärme, ein Projekt im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2013 in Hamburg, umzubauen. Vor wenigen Tagen wurde das Projekt fertiggestellt.

Grund genug, dass ich heute mit dem Diplom-Ingenieur für Maschinenbau Alexander Jandrey (46) spreche, der das weltweit einmalige Energie-Projekt für die Ritter Energie leitet.

 

Diplom-Ingenieur für Maschinenbau Alexander Jandrey (46) leitete das Projekt Solarthermie-Anlage für den Hamburger Energiebunker der Ritter XL Solar.
Diplom-Ingenieur für Maschinenbau Alexander Jandrey (46) leitete das Projekt Solarthermie-Anlage für den Hamburger Energiebunker der Ritter XL Solar.

Doreen Brumme für Ecoquent Positions: Alexander Jandrey, schildern Sie uns bitte Ihre erste Begegnung mit dem ehemaligen Flak- und künftigen Energiebunker in Hamburgs Süden!

Diplom-Ingenieur Alexander Jandrey: Das war am 30. August letzten Jahres. Abends. Da bin ich als Erstes nach meiner Ankunft einfach mal drum herum gelaufen. Ich fühlte mich wie erschlagen von dem hässlichen Betonmonster, das da mitten im Park stand. Diese hohen, schwarzen Mauern zwischen den grünen Bäumen, das war überwältigend. Ein Anblick, der haften bleibt …

Ecoquent Positions: Zu diesem Zeitpunkt war das aber bereits eine Baustelle, oder?

Alexander Jandrey: Ja, der Bunker war schon geöffnet worden. Man hatte ein riesiges Loch, an die 20 Meter hoch, für die Spezialgeräte geschaffen, um die Trümmer aus dem Inneren des Bunkers vorsichtig heraus zu holen.

Ecoquent Positions: Die lagen dort, seit die Briten den Gefechtsturm am 17. Oktober 1947 gesprengt hatten?

Alexander Jandrey: Ganz genau. Man hatte damals nur den Innenraum gesprengt. Also die sechs Säulen, die die acht Stockwerke trugen. Bei der Sprengung wurden mehrere Etagen zerstört, die Trümmer lagen bis 2011 im Bunker. Die beiden Stockwerke sieben und acht, die Besucher heute teilweise einsehen können, hängen noch original unter der vier Meter dicken Bunkerdecke. Der Projektleiter von Hamburger Energie nannte den entstanden Raum immer „Kathedrale“. Die obersten Teile der sechs Säulen sah man dort noch an der Decke hängen.

Auf der Baustelle kursierte die Zahl von 1.000 LKW-Fuhren, die man wegfahren musste, um die 25.000 Tonnen Trümmer aus dem Weg zu räumen.

Ecoquent Positions: Wie war denn das erste Mal, als Sie den Bunker betraten?

Alexander Jandrey: Das war schon ein Gang, den ich nicht vergesse. Allein die ganzen warnenden Schriftzüge, nicht stehenzubleiben, die man in den düsteren Treppenhäusern belassen hat, erinnerten mich an diesem ersten und jedem weiteren Tag des Bauprojekts daran, dass es hier einst um Leben und Tod ging.

Auch oben auf dem Dach musste ich häufig an die Schützen denken, die dort die Flug-Abwehr-Kanonen (kurz „Flak“ genannt) bedient haben. Man kennt so was ja nur aus Filmen und Reportagen. Selten begegnet einem so viel Geschichte auf Schritt und Tritt im Job-Alltag. Das war schon ein besonderes Gemäuer, das wir hier mit unserer Solarthermie-Anlage bestückt haben.

Ecoquent Positions: Tolle Überleitung zu Gegenwart und Zukunft, danke! Ritter XL Solar hat auf dem Dach des Energiebunkers Deutschlands größte Solarthermie-Anlage mit Vakuumröhren-Kollektoren errichtet …

Alexander Jandrey: Ja, das war auch so ein erinnerungswürdiger Moment … Wir haben die Anlage auf dem Bunker ja nicht als Rekord geplant, es stellte sich vielmehr erst bei der Detailplanung heraus, dass sie 18 Quadratmeter mehr haben wird, als unser bis dato größtes deutsches Projekt: das Gewerbegebäude der Festo AG in Esslingen (unser Bericht dazu – Anmerkung der Redaktion) mit 1.330 Quadratmetern Bruttokollektorfläche. Als der zuständige Kollege mir mittendrin einfach mal eben so zurief. „Mensch Alex, wir sind hier doch um ein paar Quadratmeter größer als bei Festo …“ erfüllte mich das mächtig mit Stolz.

… denn geplant haben wir schon viele Anlagen dieser Größenordnung, nur, bis sie zum konkreten Auftrag werden, vergehen oft Jahre. So auch beim Flakbunker, der bereits vor sechs Jahren bei Ritter die Projektnummer 22 bekam. Heute sind wir immerhin bei knapp 2.000 angefragten Projekten.

Ecoquent Positions: Warum hat sich Ihr Auftraggeber, der Bauherr Hamburg Energie, auf dem Bunker für eine Vakuumröhren-Kollektoren-Anlage entschieden und nicht für eine Anlage mit Flachkollektoren?

Alexander Jandrey: Für Hamburg Energie, die als Contractor die Solare Hülle des Energiebunkers betreibt, zählt letztendlich der Preis pro erzeugter Kilowattstunde Wärme für das Wärmenetz, das mit Temperaturen bis zu 90 Grad Celsius betrieben werden soll. Da kommen die Vorteile unserer Vakuumröhren-Kollekten so richtig gut zum Tragen. Denn sie sind als solche und bezogen auf die begrenzte Fläche des Bunkers die leistungsstärksten solaren Wärmeerzeuger, die derzeit auf dem Markt sind.

Ecoquent Positions: War der Bau der Solarthermie-Anlage auf dem Dach des Energiebunkers auch technisch eine Herausforderung für Sie?

Alexander Jandrey: Ganz bestimmt. Allein schon wegen des starken Windes, der dort oben herrscht. Und wegen der generellen Witterungsbedingungen, wir haben ja daran im Winter gebaut. Das war für uns alle eine Herausforderung. Allein die „Blickfreiheit“ nach unten machte so manchem Kollegen auf dem Bau zu schaffen. Selbst alte Hasen hatten dabei zu schlucken. Die Lücken im Gerüst waren ja nur mit einem Sicherheitsnetz abgespannt. Den Blick in die Tiefe hat nicht jeder verkraftet.

Ecoquent Positions: Sie aber schon …?

Alexander Jandrey: Naja, die ersten ein, zwei Male, die ich in die Tiefe schaute, hatten es schon in sich. Doch dann hat mir das nichts mehr ausgemacht (lacht).

Ecoquent Positions: Und wie hat es sich angefühlt, als Sie jetzt Ihren Solarthermie-Part des Energiebunkers fertig übergeben haben?

Alexander Jandrey: Mit der Kombination von unserer Solarthermie-Anlage, der Photovoltaik-Anlage, der Biogas-Anlage, der Holzhackschnitzel-Heizung und der Abwärme aus einem Industriebetrieb in der Nachbarschaft soll der Hamburger Energiebunker das umliegende Stadtviertel (Reiherstiegviertel – Anmerkung der Redaktion) mit Energie versorgen. Das deckt künftig den Wärmebedarf von etwa 3.000 Haushalten und den Strombedarf von etwa 1.000 Haushalten. Aus Erneuerbaren! Das macht stolz. Und froh ….

Ecoquent Positions: Werden Sie den Energiebunker Hamburg vermissen?

Alexander Jandrey: Ja und nein. Sie müssen sich vorstellen, dass auf dem Bau stets irgendwo ein Bohrhammer Krach machte. Der Lärm der Baustelle wird mir nicht fehlen. Die beeindruckende Aussicht auf die Hansestadt von dort oben ganz sicher …

Ecoquent Positions: Vielen Dank, Alexander Jandrey, für die persönlichen Eindrücke inside des Energiebunkers, die Sie heute mit uns geteilt haben!

Energiebunker Hamburg:  Geschichte des ehemaligen Gefechtsturms auf dem Neuhöfer Feld in Hamburg Wilhelmsburg

Wer sich über die Geschichte des Energiebunkers informieren möchte, findet auf den folgenden Internetseiten viel Lesestoff und Anschauungsmaterial:

Das IBA-Projekt „Energiebunker Hamburg“: Fakten, Zahlen, Solarthermie

Wer mehr zur technischen Realisierung des Energieprojekts “Hamburger Energiebunker” und der konkreten baulichen Umsetzung erfahren möchte, sollte auf die folgenden Seiten schauen:

Fotos: Portrait (Alexander Jandray), Energiebunker Hamburg (IBA Hamburg GmbH / Martin Kunze)