Faltung der Welt

Gebote oder Verbote: Wie kriegen wir die Klimakrise in den Griff?

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Die dringendste Frage, die die Menschheit derzeit beantworten muss, um ihre Existenz nachhaltig zu sichern, ist die Frage danach, wie wir die Klimakrise in den Griff bekommen. Der theoretische Physiker und Klimaforscher Anders Levermann erklärt in seinem neuen Buch “Die Faltung der Welt: Wie die Wissenschaft helfen kann, dem Wachstumsdilemma und der Klimakrise zu entkommen” (erschienen Ende Oktober 2023). Er beantwortet darin die Frage, wie unendliches Wachstum auf einem begrenzten Planeten möglich ist: mit der Faltung der Welt. Wir erklären euch hier, was es damit auf sich hat. 

Die inzwischen weltweit sichtbaren Folgen der Klimakrise schreiben immer mehr Menschen Falten ins Gesicht: Sorgenfalten, Angstfalten, Wutfalten. Doch diese Weltfalten meint Anders Levermann, nicht, wenn er von der Faltung der Welt spricht.

Sein neues Narrativ von der Faltung der Welt bietet der Leiter der Komplexitätsforschung am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) an, um damit das in weiten Teilen der Welt vorherrschende Narrativ vom unbegrenzten und steten Wachstum zu ersetzen. Er stellt es als Alternative neben die Überzeugung, dass die Klimakrise nur mit Verzicht und einem Zurück zu alten Lebensweisen in den Griff zu bekommen ist.

Was ist die Faltung der Welt?

“Verkürzt gesprochen”, so schreibt Anders Levermann auf Seite 18 seines Buches, “entsteht Faltung immer dort, wo ein sich aktiv entwickelndes System mit Grenzen konfrontiert wird.” Dabei gehe es um das mathematische Prinzip der Faltung aus der Chaostheorie, das unendliche Entwicklung in einer endlichen Welt zulasse. Wachstum führe dann nicht mehr in ein Mehr (Vielzahl), sondern in Diversität (Vielfalt).

In einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (rnd) verdeutlicht Levermann das Prinzip der Faltung: Sobald ein System in seiner Entwicklung an Grenzen stoße, falte sich sein Pfad. Es bewege sich demnach in eine andere Richtung, um eben dieses “an seine Grenzen stoßen” zu vermeiden.

Faltung der Welt erklärt mit dem Aus für die Ära Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen

Das Prinzip der Faltung lasse sich beispielsweise auf das Ende der Ära anwenden, in der wir Menschen Energie aus fossilen Brennstoffen erzeugen. Anstatt hier ein einfaches Ziel zu setzen – zum Beispiel: Schluss mit fossilen Brennstoffen in zwanzig Jahren – und die Menschen an die Hand zu nehmen und ihnen die Lösung vorzugeben, indem man ihnen Vorschriften macht, welchen Weg sie zu diesem Ziel nehmen sollen, würde eine entsprechende Faltungsgrenze lediglich lauten, dass in zwanzig Jahren kein Kohlendioxid (CO2) mehr ausgestoßen werden dürfe.

Laut Anders Levermann würden Industrien dann ihre Strategie verändern, Individuen anfangen zu überlegen: Setze man ihr harte, unaufweichbare Grenzen, finde die Gesellschaft Lösungen. Im Rahmn eines kreativen Prozesses. Wer sich nicht anpasse und verändere, gehe unter. Das gehöre zur Marktwirtschaft dazu.

In diesem Sinne könnte auch Technologieoffenheit funktionieren: Verschiedene erneuerbare Technologien zur Energieerzeugung hätten durchaus auch nebeninander ihre Berechtigung – wichtig sei nur, dass in zwanzig Jahren keine Emissionen mehr abgegeben würden.

In diesem Video erklärt Anders Levermann ab Minute 50 etwa, wie die Faltung der Welt funktioniert. In seiner Grafik ist eine Kurve zu sehen, die für eine Idee wie Energieerzeugung steht. Die Kurve befindet sich in einem dreidimensionalen Koordinatensystem, also einem begrenzten Raum, Raum, der die Endlichkeit des Planeten und seiner Ressourcen (Atmosphäre, Wasser, Land), darunter auch fossile Ressourcen, symbolisiert. Wobei jede Fläche des Koordinatensystems eine Grenze darstellt, zum Beispiel, dass wir in zwanzig Jahren keine Emissionen mehr ausstoßen dürfen. Wie ein ständig nachwachsender Faden entfaltet sich die Idee “Energieerzeugung” und stößt dabei an die Emissionsgrenze. Sie ändert ihre Richtung und ähnelt irgendwann einem Fadenknäuel. Grund für die Richtungsänderung, die Faltung, sind nicht nur die gesetzte Systemgrenze, sondern auch die Erfahrung der Menschen in Sachen Energieerzeugung sowie ihr stetes Bestreben, voranzukommen.

Ab Minute 54 etwa, begründet Anders Levermann, warum das Verbot von Öl- und Gasheizungen und damit das Verfeuern fossiler Brennstoffe zur Energieerzeugung heute der richtige Schritt zu Null Emissionen im Jahr 2045 ist. Der Grund: Das Verbot von heute zeugt die Faltungsgrenze auf und umfasst kein Mikromanagement mehr.

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Als bereits bewährtes Beispiel für eine systemische Faltungsgrenze führt Anders Levermann in dem Interview mit rnd FCKW an. Nach dem Einführen der FCKW-Faltungsgrenze seien innerhalb kürzester Zeit Produktionswege umgestellt und anstelle von FCKW andere Stoffe gefunden und verwendet worden.

Spannend ist auch die Rolle der und des Einzelnen bei der Faltung der Welt. Laut Anders Levermann müsse jedes Individuum die Faltungsgrenzen aus innerer Überzeugung heraus mittragen, die in einem demokratischen Prozess gesetzt würden.

Titelbild: Buchtitel, Ullstein Buchverlage